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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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künftigen Sonntag um 8 Uhr an. -- Dein Pflaster gebrauch' ich,
Liebe, es ging vorher gut und geht noch besser. Nürnberg mit seinen
200 Gassen hat nur kaufmännische, nicht sehr gastfreie Häuser. Ich
as bei einem einzigen Kreisrathe D. van Hofen abends; sonst,
Merkel ausgenommen und den Obristen Rahndal, nirgends. Ich5
war nur an 2 öffentlichen grünen Plätzen; der eine in der Stadt,
der Schloßzwinger, ist ein Natur-Thron und Olymp für das Auge.
Besuche (aber von Gelehrten) bekomm' ich genug, mache aber
keine. -- 2 Loth Butter kosten 6 Pf., das Pfund holländischer Käse
20 kr.; für 2 Schnupftücher, 1 Halsbinde, 1 Weste verlangte die10
Wäscherin 5 kr. -- Meine 2 möblierten Stübchen mit Aufwartung
4 fl. monatlich; das beste Bette, das gestern wieder neu überzogen
wurde. -- Liebe! die 2 Kinder läßest du bei einer warmen Luft,
die ja wie die Zimmerluft ist, und gerade in der Mittagzeit, auf
ihre Kosten der Ausbildung zu Hause. (Die Regel der Luftscheu15
gilt nur für Herbst- und Winterluft.) Gott hat uns beide durch
die spätere Krankheit der Mädchen vor mancher trüben Minute
bewahrt. Aber ich frage dich bei deinem Gewissen -- denke doch
ernster und länger darüber und lies überhaupt auch meine vorigen
Briefe (so wie die nach Altenburg) mit mehr Eindringen in die20
Meinung --, wenn der Mann und wenn die Frau entgegen[ge]-
setzte Dinge verlangen, wenn bei Gleichheit der elterlichen Liebe,
und bei der größern medizinischen Kenntnis auf der Mannes
Seite, und bei dem ihm von allen Völkern zu[ge]standnen Vor-
rechte
gleich wol die Frau fodert, er soll ihr gehorchen: was25
soll er thun? Gegen sein Gewissen zulassen? Oder soll er, wenn
Gründe nicht helfen, mit Macht durchsetzen? Dann heißt er ein
Tyrann (obwol nicht bei Männern und nicht bei allen Frauen). --
Eine scharfe Klippe, an der die wärmste Liebe sich wenigstens tief
zerschneidet. -- Du hast mir viel aus meinem Briefe nicht beant-30
wortet, z. B. was ich der Magd mitzubringen. Gib deinen letzten
Brief nicht dem Fuhrmann, sondern Freitag-Vormittags auf die
Post, so hab' ich ihn Sonnabends zeitig genug. -- Mehl etc. etc. will
ich kaufen; schicke mir aber die 3 Säcke dazu; daher der Fuhrmann
hier recht bald eintreffen muß. -- Die Ausgabe ganzer Laubtl. zu35
2 fl. 40 kr. verlangt' ich, weil 2 halbe doch nur 2 fl. 34 kr. oder
gar 30 kr. geben. -- Am Ende hat dir das Kleid oder sein Preis

künftigen Sonntag um 8 Uhr an. — Dein Pflaſter gebrauch’ ich,
Liebe, es ging vorher gut und geht noch beſſer. Nürnberg mit ſeinen
200 Gaſſen hat nur kaufmänniſche, nicht ſehr gaſtfreie Häuſer. Ich
as bei einem einzigen Kreisrathe D. van Hofen abends; ſonſt,
Merkel ausgenommen und den Obriſten Rahndal, nirgends. Ich5
war nur an 2 öffentlichen grünen Plätzen; der eine in der Stadt,
der Schloßzwinger, iſt ein Natur-Thron und Olymp für das Auge.
Beſuche (aber von Gelehrten) bekomm’ ich genug, mache aber
keine. — 2 Loth Butter koſten 6 Pf., das Pfund holländiſcher Käſe
20 kr.; für 2 Schnupftücher, 1 Halsbinde, 1 Weſte verlangte die10
Wäſcherin 5 kr. — Meine 2 möblierten Stübchen mit Aufwartung
4 fl. monatlich; das beſte Bette, das geſtern wieder neu überzogen
wurde. — Liebe! die 2 Kinder läßeſt du bei einer warmen Luft,
die ja wie die Zimmerluft iſt, und gerade in der Mittagzeit, auf
ihre Koſten der Ausbildung zu Hauſe. (Die Regel der Luftſcheu15
gilt nur für Herbſt- und Winterluft.) Gott hat uns beide durch
die ſpätere Krankheit der Mädchen vor mancher trüben Minute
bewahrt. Aber ich frage dich bei deinem Gewiſſen — denke doch
ernſter und länger darüber und lies überhaupt auch meine vorigen
Briefe (ſo wie die nach Altenburg) mit mehr Eindringen in die20
Meinung —, wenn der Mann und wenn die Frau entgegen[ge]-
ſetzte Dinge verlangen, wenn bei Gleichheit der elterlichen Liebe,
und bei der größern mediziniſchen Kenntnis auf der Mannes
Seite, und bei dem ihm von allen Völkern zu[ge]ſtandnen Vor-
rechte
gleich wol die Frau fodert, er ſoll ihr gehorchen: was25
ſoll er thun? Gegen ſein Gewiſſen zulaſſen? Oder ſoll er, wenn
Gründe nicht helfen, mit Macht durchſetzen? Dann heißt er ein
Tyrann (obwol nicht bei Männern und nicht bei allen Frauen). —
Eine ſcharfe Klippe, an der die wärmſte Liebe ſich wenigſtens tief
zerſchneidet. — Du haſt mir viel aus meinem Briefe nicht beant-30
wortet, z. B. was ich der Magd mitzubringen. Gib deinen letzten
Brief nicht dem Fuhrmann, ſondern Freitag-Vormittags auf die
Poſt, ſo hab’ ich ihn Sonnabends zeitig genug. — Mehl ꝛc. ꝛc. will
ich kaufen; ſchicke mir aber die 3 Säcke dazu; daher der Fuhrmann
hier recht bald eintreffen muß. — Die Ausgabe ganzer Laubtl. zu35
2 fl. 40 kr. verlangt’ ich, weil 2 halbe doch nur 2 fl. 34 kr. oder
gar 30 kr. geben. — Am Ende hat dir das Kleid oder ſein Preis

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[280/0294] künftigen Sonntag um 8 Uhr an. — Dein Pflaſter gebrauch’ ich, Liebe, es ging vorher gut und geht noch beſſer. Nürnberg mit ſeinen 200 Gaſſen hat nur kaufmänniſche, nicht ſehr gaſtfreie Häuſer. Ich as bei einem einzigen Kreisrathe D. van Hofen abends; ſonſt, Merkel ausgenommen und den Obriſten Rahndal, nirgends. Ich 5 war nur an 2 öffentlichen grünen Plätzen; der eine in der Stadt, der Schloßzwinger, iſt ein Natur-Thron und Olymp für das Auge. Beſuche (aber von Gelehrten) bekomm’ ich genug, mache aber keine. — 2 Loth Butter koſten 6 Pf., das Pfund holländiſcher Käſe 20 kr.; für 2 Schnupftücher, 1 Halsbinde, 1 Weſte verlangte die 10 Wäſcherin 5 kr. — Meine 2 möblierten Stübchen mit Aufwartung 4 fl. monatlich; das beſte Bette, das geſtern wieder neu überzogen wurde. — Liebe! die 2 Kinder läßeſt du bei einer warmen Luft, die ja wie die Zimmerluft iſt, und gerade in der Mittagzeit, auf ihre Koſten der Ausbildung zu Hauſe. (Die Regel der Luftſcheu 15 gilt nur für Herbſt- und Winterluft.) Gott hat uns beide durch die ſpätere Krankheit der Mädchen vor mancher trüben Minute bewahrt. Aber ich frage dich bei deinem Gewiſſen — denke doch ernſter und länger darüber und lies überhaupt auch meine vorigen Briefe (ſo wie die nach Altenburg) mit mehr Eindringen in die 20 Meinung —, wenn der Mann und wenn die Frau entgegen[ge]- ſetzte Dinge verlangen, wenn bei Gleichheit der elterlichen Liebe, und bei der größern mediziniſchen Kenntnis auf der Mannes Seite, und bei dem ihm von allen Völkern zu[ge]ſtandnen Vor- rechte gleich wol die Frau fodert, er ſoll ihr gehorchen: was 25 ſoll er thun? Gegen ſein Gewiſſen zulaſſen? Oder ſoll er, wenn Gründe nicht helfen, mit Macht durchſetzen? Dann heißt er ein Tyrann (obwol nicht bei Männern und nicht bei allen Frauen). — Eine ſcharfe Klippe, an der die wärmſte Liebe ſich wenigſtens tief zerſchneidet. — Du haſt mir viel aus meinem Briefe nicht beant- 30 wortet, z. B. was ich der Magd mitzubringen. Gib deinen letzten Brief nicht dem Fuhrmann, ſondern Freitag-Vormittags auf die Poſt, ſo hab’ ich ihn Sonnabends zeitig genug. — Mehl ꝛc. ꝛc. will ich kaufen; ſchicke mir aber die 3 Säcke dazu; daher der Fuhrmann hier recht bald eintreffen muß. — Die Ausgabe ganzer Laubtl. zu 35 2 fl. 40 kr. verlangt’ ich, weil 2 halbe doch nur 2 fl. 34 kr. oder gar 30 kr. geben. — Am Ende hat dir das Kleid oder ſein Preis

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/294>, abgerufen am 28.03.2024.