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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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Unserem Freunde B[eneke] hätt' ich viel zu schreiben, schrieb'
ich nicht so eilig. Was nur Ironie war oder Hinweisung -- z. B.
die wichtige Stelle aus Montesquieu über die Römer, welche in
Griechenland Souverainitäten austheilten -- hielt er für Ernst.
Aber ich achte hoch sein deutsches Herz; und unter allen seinen An-5
merkungen über mein Buch war keine, die mich ihn nicht hätte
mehr lieben lernen. Er sei herzlich gegrüßt!

Gott weiß, wie es mit seinen Papieren gegangen. Alle, also
auch die fehlenden gab ich dem Reisenden mit. Bei mir ist wie
bei einem Kaufmanne nach Jahrzehenden jedes Blatt zu finden. Was10
verloren ist, ging unter Wegs verloren; aber ich hätte auch dieß
nicht gewagt, wenn B. mir nicht selber geschrieben hätte, daß ich
seine Aufsätze an Wagner in Meinungen senden sollte.

"Die neue Auflage der Vorschule" -- Ach die Gedanken dazu
sind alle niedergeschrieben oder die übrigen im Kopfe; aber noch15
fehlt die Zeit dazu; und der Postwagen deßfalls; denn ich habe
Bücher nachzuschlagen, die ich im bücher-armen Bayreuth nicht
finden kann. Aber bald, bald geh' ich an diese mir so liebe Arbeit,
wenigstens in Jahr und Tag.

Mein ganzes Herz grüßt Sie.20

Jean Paul Fr. Richter
273. An August Mahlmann in Leipzig.
[Kopie]

Ein Liederkomponist hat wenig dabei zu thun als den einen
Klang in einen andern zu verwandeln.25

274. An Emanuel.

Willkommen, Wiedergekommner! Hier der Wechsel, -- und
der Dank für 200 fl.! -- Seltsam ist der Mensch; schon vor Ihrer
Abreise wollt' ich Sie besuchen; aber noch immer heb' ich diese30
Minute, wie ein Winter den Frühling, mir auf, halb auch aus
Angst, Sie Nachmittags nicht allein zu finden. Gestört wurd' ich
ohnehin bisher, da nie so viel Leute bei mir waren und -- was noch
mehr ist -- aßen als bisher.

Unſerem Freunde B[eneke] hätt’ ich viel zu ſchreiben, ſchrieb’
ich nicht ſo eilig. Was nur Ironie war oder Hinweiſung — z. B.
die wichtige Stelle aus Montesquieu über die Römer, welche in
Griechenland Souverainitäten austheilten — hielt er für Ernſt.
Aber ich achte hoch ſein deutſches Herz; und unter allen ſeinen An-5
merkungen über mein Buch war keine, die mich ihn nicht hätte
mehr lieben lernen. Er ſei herzlich gegrüßt!

Gott weiß, wie es mit ſeinen Papieren gegangen. Alle, alſo
auch die fehlenden gab ich dem Reiſenden mit. Bei mir iſt wie
bei einem Kaufmanne nach Jahrzehenden jedes Blatt zu finden. Was10
verloren iſt, ging unter Wegs verloren; aber ich hätte auch dieß
nicht gewagt, wenn B. mir nicht ſelber geſchrieben hätte, daß ich
ſeine Aufſätze an Wagner in Meinungen ſenden ſollte.

„Die neue Auflage der Vorſchule“ — Ach die Gedanken dazu
ſind alle niedergeſchrieben oder die übrigen im Kopfe; aber noch15
fehlt die Zeit dazu; und der Poſtwagen deßfalls; denn ich habe
Bücher nachzuſchlagen, die ich im bücher-armen Bayreuth nicht
finden kann. Aber bald, bald geh’ ich an dieſe mir ſo liebe Arbeit,
wenigſtens in Jahr und Tag.

Mein ganzes Herz grüßt Sie.20

Jean Paul Fr. Richter
273. An Auguſt Mahlmann in Leipzig.
[Kopie]

Ein Liederkomponiſt hat wenig dabei zu thun als den einen
Klang in einen andern zu verwandeln.25

274. An Emanuel.

Willkommen, Wiedergekommner! Hier der Wechſel, — und
der Dank für 200 fl.! — Seltſam iſt der Menſch; ſchon vor Ihrer
Abreiſe wollt’ ich Sie beſuchen; aber noch immer heb’ ich dieſe30
Minute, wie ein Winter den Frühling, mir auf, halb auch aus
Angſt, Sie Nachmittags nicht allein zu finden. Geſtört wurd’ ich
ohnehin bisher, da nie ſo viel Leute bei mir waren und — was noch
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[106/0119] Unſerem Freunde B[eneke] hätt’ ich viel zu ſchreiben, ſchrieb’ ich nicht ſo eilig. Was nur Ironie war oder Hinweiſung — z. B. die wichtige Stelle aus Montesquieu über die Römer, welche in Griechenland Souverainitäten austheilten — hielt er für Ernſt. Aber ich achte hoch ſein deutſches Herz; und unter allen ſeinen An- 5 merkungen über mein Buch war keine, die mich ihn nicht hätte mehr lieben lernen. Er ſei herzlich gegrüßt! Gott weiß, wie es mit ſeinen Papieren gegangen. Alle, alſo auch die fehlenden gab ich dem Reiſenden mit. Bei mir iſt wie bei einem Kaufmanne nach Jahrzehenden jedes Blatt zu finden. Was 10 verloren iſt, ging unter Wegs verloren; aber ich hätte auch dieß nicht gewagt, wenn B. mir nicht ſelber geſchrieben hätte, daß ich ſeine Aufſätze an Wagner in Meinungen ſenden ſollte. „Die neue Auflage der Vorſchule“ — Ach die Gedanken dazu ſind alle niedergeſchrieben oder die übrigen im Kopfe; aber noch 15 fehlt die Zeit dazu; und der Poſtwagen deßfalls; denn ich habe Bücher nachzuſchlagen, die ich im bücher-armen Bayreuth nicht finden kann. Aber bald, bald geh’ ich an dieſe mir ſo liebe Arbeit, wenigſtens in Jahr und Tag. Mein ganzes Herz grüßt Sie. 20 Jean Paul Fr. Richter 273. An Auguſt Mahlmann in Leipzig. [Bayreuth, 22. Mai 1810] Ein Liederkomponiſt hat wenig dabei zu thun als den einen Klang in einen andern zu verwandeln. 25 274. An Emanuel. [Bayreuth, 1. Juni 1810] Willkommen, Wiedergekommner! Hier der Wechſel, — und der Dank für 200 fl.! — Seltſam iſt der Menſch; ſchon vor Ihrer Abreiſe wollt’ ich Sie beſuchen; aber noch immer heb’ ich dieſe 30 Minute, wie ein Winter den Frühling, mir auf, halb auch aus Angſt, Sie Nachmittags nicht allein zu finden. Geſtört wurd’ ich ohnehin bisher, da nie ſo viel Leute bei mir waren und — was noch mehr iſt — aßen als bisher.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/119>, abgerufen am 28.03.2024.