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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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damit du nicht dabei leidest. Dürft' ich ihn nicht um ein Gespräch
mit dir ersuchen? Du wirst ihm gefallen und er dir. -- Schonen must
du nun den Lügner C[hristoph] auf F[riederikens] Kosten nicht,
es mus alles gesagt werden; aber du begiengest -- aus Knebel's
Furcht der Gefühle, der anscheinend-schlimme Briefe Monate lange5
verschlossen lässet -- den Fehler, daß du lieber übersahest, um nicht
zu sehen und zu fühlen. Die Friederike ist durch einen warmen Bericht
gewis zuerst zu retten. --

Meine Briefe gieb blos irgend einem herfahrenden Passagier
mit. --10

[94] Wie glüklich ich bin, soltest du freilich lieber sehen als lesen. Meine
C. -- die Aller Liebe gewint, der Männer durch ihre Schönheit, der
Weiber durch eine bezaubernde und wahre Güte -- zwingt mich
durch Glük zur Zufriedenheit, wir haben den Ort zum Freunde. Ihre
fast zu grosse Gleichgültigkeit gegen das Auswärtsleben, ihr Ver-15
senken ins stille Arbeiten, ihre himlische feste jungfräuliche Liebe, ihr
unbedingtes Hingeben in meinen Willen, das macht unsere Liebe
jezt jünger als anfangs da sie blos jung war; *) und ich fühle, daß
die Ehe etwas Heiliges und Himlisches ist. Auch fallen die Fehler wie
Haare aus meinem Felle -- blos weil man nicht widerhaarig sie20
auszupft -- und sonst übrigens (da ich in manchen Lustpartien ein
Halbgott bin, was ich nie mir je geträumt und was freilich jezt ein
Licht und Stern unter dem Scheffel bleibt) ists überhaupt eine wahre
Lust, wenn man mich zu einer Zeit blühen sieht -- neben der Blüte --,
wo 1000000000000 andere abblühen. Darüber mündlich und sicht-25
lich!

Ich könte jezt sogar in Bayreuth wohnen, da ich keine Geselschaft
wünsche als die etwas bessers ist als eine. -- Über das Kanonikat
hat mir Alvensleben, der sich des Scheins vom Erfolge seiner Ver-
wendung schämte, alles über jenen und diese gesagt; "es sei nur30
Sprache beim König und ich brauchte mich nicht einmal um die
kleinste Kleinigkeit zu sorgen" -- An neuen Büchern fehlts hier, und
an Einem (wer verlangt 2?) Menschen von höherem Geist, aber gut-
herzig ist alles und Bücher sind mein Geniecorps und bureau d'esprit

*) Ihre Schönheit wird mir immer schöner und ich athme nichts lieber als35
ihren Athem; daß du dich in sie verliebst oder Emanuel, ist nur gar zu gewis.

damit du nicht dabei leideſt. Dürft’ ich ihn nicht um ein Geſpräch
mit dir erſuchen? Du wirſt ihm gefallen und er dir. — Schonen muſt
du nun den Lügner C[hristoph] auf F[riederikens] Koſten nicht,
es mus alles geſagt werden; aber du begiengeſt — aus Knebel’s
Furcht der Gefühle, der anſcheinend-ſchlimme Briefe Monate lange5
verſchloſſen läſſet — den Fehler, daß du lieber überſaheſt, um nicht
zu ſehen und zu fühlen. Die Friederike iſt durch einen warmen Bericht
gewis zuerſt zu retten. —

Meine Briefe gieb blos irgend einem herfahrenden Paſſagier
mit. —10

[94] Wie glüklich ich bin, ſolteſt du freilich lieber ſehen als leſen. Meine
C. — die Aller Liebe gewint, der Männer durch ihre Schönheit, der
Weiber durch eine bezaubernde und wahre Güte — zwingt mich
durch Glük zur Zufriedenheit, wir haben den Ort zum Freunde. Ihre
faſt zu groſſe Gleichgültigkeit gegen das Auswärtsleben, ihr Ver-15
ſenken ins ſtille Arbeiten, ihre himliſche feſte jungfräuliche Liebe, ihr
unbedingtes Hingeben in meinen Willen, das macht unſere Liebe
jezt jünger als anfangs da ſie blos jung war; *) und ich fühle, daß
die Ehe etwas Heiliges und Himliſches iſt. Auch fallen die Fehler wie
Haare aus meinem Felle — blos weil man nicht widerhaarig ſie20
auszupft — und ſonſt übrigens (da ich in manchen Luſtpartien ein
Halbgott bin, was ich nie mir je geträumt und was freilich jezt ein
Licht und Stern unter dem Scheffel bleibt) iſts überhaupt eine wahre
Luſt, wenn man mich zu einer Zeit blühen ſieht — neben der Blüte —,
wo 1000000000000 andere abblühen. Darüber mündlich und ſicht-25
lich!

Ich könte jezt ſogar in Bayreuth wohnen, da ich keine Geſelſchaft
wünſche als die etwas beſſers iſt als eine. — Über das Kanonikat
hat mir Alvensleben, der ſich des Scheins vom Erfolge ſeiner Ver-
wendung ſchämte, alles über jenen und dieſe geſagt; „es ſei nur30
Sprache beim König und ich brauchte mich nicht einmal um die
kleinſte Kleinigkeit zu ſorgen“ — An neuen Büchern fehlts hier, und
an Einem (wer verlangt 2?) Menſchen von höherem Geiſt, aber gut-
herzig iſt alles und Bücher ſind mein Geniecorps und bureau d’esprit

*) Ihre Schönheit wird mir immer ſchöner und ich athme nichts lieber als35
ihren Athem; daß du dich in ſie verliebſt oder Emanuel, iſt nur gar zu gewis.
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[82/0088] damit du nicht dabei leideſt. Dürft’ ich ihn nicht um ein Geſpräch mit dir erſuchen? Du wirſt ihm gefallen und er dir. — Schonen muſt du nun den Lügner C[hristoph] auf F[riederikens] Koſten nicht, es mus alles geſagt werden; aber du begiengeſt — aus Knebel’s Furcht der Gefühle, der anſcheinend-ſchlimme Briefe Monate lange 5 verſchloſſen läſſet — den Fehler, daß du lieber überſaheſt, um nicht zu ſehen und zu fühlen. Die Friederike iſt durch einen warmen Bericht gewis zuerſt zu retten. — Meine Briefe gieb blos irgend einem herfahrenden Paſſagier mit. — 10 Wie glüklich ich bin, ſolteſt du freilich lieber ſehen als leſen. Meine C. — die Aller Liebe gewint, der Männer durch ihre Schönheit, der Weiber durch eine bezaubernde und wahre Güte — zwingt mich durch Glük zur Zufriedenheit, wir haben den Ort zum Freunde. Ihre faſt zu groſſe Gleichgültigkeit gegen das Auswärtsleben, ihr Ver- 15 ſenken ins ſtille Arbeiten, ihre himliſche feſte jungfräuliche Liebe, ihr unbedingtes Hingeben in meinen Willen, das macht unſere Liebe jezt jünger als anfangs da ſie blos jung war; *) und ich fühle, daß die Ehe etwas Heiliges und Himliſches iſt. Auch fallen die Fehler wie Haare aus meinem Felle — blos weil man nicht widerhaarig ſie 20 auszupft — und ſonſt übrigens (da ich in manchen Luſtpartien ein Halbgott bin, was ich nie mir je geträumt und was freilich jezt ein Licht und Stern unter dem Scheffel bleibt) iſts überhaupt eine wahre Luſt, wenn man mich zu einer Zeit blühen ſieht — neben der Blüte —, wo 1000000000000 andere abblühen. Darüber mündlich und ſicht- 25 lich! [94] Ich könte jezt ſogar in Bayreuth wohnen, da ich keine Geſelſchaft wünſche als die etwas beſſers iſt als eine. — Über das Kanonikat hat mir Alvensleben, der ſich des Scheins vom Erfolge ſeiner Ver- wendung ſchämte, alles über jenen und dieſe geſagt; „es ſei nur 30 Sprache beim König und ich brauchte mich nicht einmal um die kleinſte Kleinigkeit zu ſorgen“ — An neuen Büchern fehlts hier, und an Einem (wer verlangt 2?) Menſchen von höherem Geiſt, aber gut- herzig iſt alles und Bücher ſind mein Geniecorps und bureau d’esprit *) Ihre Schönheit wird mir immer ſchöner und ich athme nichts lieber als 35 ihren Athem; daß du dich in ſie verliebſt oder Emanuel, iſt nur gar zu gewis.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/88>, abgerufen am 28.03.2024.