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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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148. An Emanuel.

Geliebtester Freund! Ich bin Ihnen nun mit meinem ganzen
Herzens-Zuwachse so nahe, daß es nur auf Sie ankomt, sogar die
blosse Nähe wegzunehmen. Meine Frau sehnt sich so sehr nach Ihnen5
als Sie sich künftig nach ihr, wenn Sie dagewesen. Ein Paar Zeilen
meiner Geschichte holen Sie bei Otto ab. Ich bin seelig, das ist die
Hauptsumma.

Mein Bruder Samuel wil in Bayreuth Assistent bei der Polizei
geworden sein; ist das wahr und er im Bessern, so wil ich der10
seinige durch die Bitte werden, daß Sie als der meinige ihm 1 Viertel-
jahr lang wöchentlich 16 gr. geben. Mehr kan ich nicht; und weniger
dürft' ich sogar.

Blos die Hofnung Ihrer Zu- und Ankunft nimt mir jedes Wort
aus der Feder, zu dem mich ohnehin die Arbeitszeit, auf deren Kosten15
ich bisher gelebt, kaum kommen lässet.

Ihr schweigendes Herz bleibe meinem stummen. Nie wankt meine[91]
Achtung und heisse Liebe. Es gehe Ihnen wohl, Vortreflicher, und
mög' ich Sie bald am Herzen haben!

R.20
149. An Christian Otto.

Der Eheman an einen.

Ich habe dir wenig zu sagen, wenn du nicht neben mir sizest. An
Zeit ist nicht zu denken. Ich kan nicht sagen, daß ich eben zufrieden25
bin, indes bin ich wenigstens seelig. Die Ehe hat mich so recht tief
ins häusliche feste stille runde Leben hineingesezt. Gearbeitet und
gelesen sol jezt werden. Das Verlieben kan ausgesezt werden. --
Herder und sie wurden die amorosi meiner Frau; die Herzogin
Mutter, bei der sie as, sagte zu meiner Beruhigung, ich sei ihrer gar30
nicht werth, Wieland schreibt, ich sei ein Günstling des Schiksals; --
hier am Hofe gefiel sie allen sehr, sogar der weibliche Adel liebte sie
obwohl die einzige Bürgerliche recht sehr. Ich habe mit ihr weiter
nichts in der Ehe gefunden als was ich vorher vermuthete, daß man
sich darin noch 100 etc. mal inniger und neuer liebt als vorher. --35
Sie weis für Emanuel ein herliches Judenmädgen in Berlin; er

148. An Emanuel.

Geliebteſter Freund! Ich bin Ihnen nun mit meinem ganzen
Herzens-Zuwachſe ſo nahe, daß es nur auf Sie ankomt, ſogar die
bloſſe Nähe wegzunehmen. Meine Frau ſehnt ſich ſo ſehr nach Ihnen5
als Sie ſich künftig nach ihr, wenn Sie dageweſen. Ein Paar Zeilen
meiner Geſchichte holen Sie bei Otto ab. Ich bin ſeelig, das iſt die
Hauptſumma.

Mein Bruder Samuel wil in Bayreuth Aſſiſtent bei der Polizei
geworden ſein; iſt das wahr und er im Beſſern, ſo wil ich der10
ſeinige durch die Bitte werden, daß Sie als der meinige ihm 1 Viertel-
jahr lang wöchentlich 16 gr. geben. Mehr kan ich nicht; und weniger
dürft’ ich ſogar.

Blos die Hofnung Ihrer Zu- und Ankunft nimt mir jedes Wort
aus der Feder, zu dem mich ohnehin die Arbeitszeit, auf deren Koſten15
ich bisher gelebt, kaum kommen läſſet.

Ihr ſchweigendes Herz bleibe meinem ſtummen. Nie wankt meine[91]
Achtung und heiſſe Liebe. Es gehe Ihnen wohl, Vortreflicher, und
mög’ ich Sie bald am Herzen haben!

R.20
149. An Chriſtian Otto.

Der Eheman an einen.

Ich habe dir wenig zu ſagen, wenn du nicht neben mir ſizeſt. An
Zeit iſt nicht zu denken. Ich kan nicht ſagen, daß ich eben zufrieden25
bin, indes bin ich wenigſtens ſeelig. Die Ehe hat mich ſo recht tief
ins häusliche feſte ſtille runde Leben hineingeſezt. Gearbeitet und
geleſen ſol jezt werden. Das Verlieben kan ausgeſezt werden. —
Herder und ſie wurden die amorosi meiner Frau; die Herzogin
Mutter, bei der ſie as, ſagte zu meiner Beruhigung, ich ſei ihrer gar30
nicht werth, Wieland ſchreibt, ich ſei ein Günſtling des Schikſals; —
hier am Hofe gefiel ſie allen ſehr, ſogar der weibliche Adel liebte ſie
obwohl die einzige Bürgerliche recht ſehr. Ich habe mit ihr weiter
nichts in der Ehe gefunden als was ich vorher vermuthete, daß man
ſich darin noch 100 ꝛc. mal inniger und neuer liebt als vorher. —35
Sie weis für Emanuel ein herliches Judenmädgen in Berlin; er

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[79/0085] 148. An Emanuel. Meiningen d. 20 Jun. 1801. Geliebteſter Freund! Ich bin Ihnen nun mit meinem ganzen Herzens-Zuwachſe ſo nahe, daß es nur auf Sie ankomt, ſogar die bloſſe Nähe wegzunehmen. Meine Frau ſehnt ſich ſo ſehr nach Ihnen 5 als Sie ſich künftig nach ihr, wenn Sie dageweſen. Ein Paar Zeilen meiner Geſchichte holen Sie bei Otto ab. Ich bin ſeelig, das iſt die Hauptſumma. Mein Bruder Samuel wil in Bayreuth Aſſiſtent bei der Polizei geworden ſein; iſt das wahr und er im Beſſern, ſo wil ich der 10 ſeinige durch die Bitte werden, daß Sie als der meinige ihm 1 Viertel- jahr lang wöchentlich 16 gr. geben. Mehr kan ich nicht; und weniger dürft’ ich ſogar. Blos die Hofnung Ihrer Zu- und Ankunft nimt mir jedes Wort aus der Feder, zu dem mich ohnehin die Arbeitszeit, auf deren Koſten 15 ich bisher gelebt, kaum kommen läſſet. Ihr ſchweigendes Herz bleibe meinem ſtummen. Nie wankt meine Achtung und heiſſe Liebe. Es gehe Ihnen wohl, Vortreflicher, und mög’ ich Sie bald am Herzen haben! [91] R. 20 149. An Chriſtian Otto. [Meiningen, 21. oder 22. Juni 1801] Der Eheman an einen. Ich habe dir wenig zu ſagen, wenn du nicht neben mir ſizeſt. An Zeit iſt nicht zu denken. Ich kan nicht ſagen, daß ich eben zufrieden 25 bin, indes bin ich wenigſtens ſeelig. Die Ehe hat mich ſo recht tief ins häusliche feſte ſtille runde Leben hineingeſezt. Gearbeitet und geleſen ſol jezt werden. Das Verlieben kan ausgeſezt werden. — Herder und ſie wurden die amorosi meiner Frau; die Herzogin Mutter, bei der ſie as, ſagte zu meiner Beruhigung, ich ſei ihrer gar 30 nicht werth, Wieland ſchreibt, ich ſei ein Günſtling des Schikſals; — hier am Hofe gefiel ſie allen ſehr, ſogar der weibliche Adel liebte ſie obwohl die einzige Bürgerliche recht ſehr. Ich habe mit ihr weiter nichts in der Ehe gefunden als was ich vorher vermuthete, daß man ſich darin noch 100 ꝛc. mal inniger und neuer liebt als vorher. — 35 Sie weis für Emanuel ein herliches Judenmädgen in Berlin; er

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/85>, abgerufen am 24.04.2024.