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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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kränklichen Kopf gedrükt; jezt rechn' ich nicht mehr auf dein Kommen,
[43]ausgenommen an Tagen wo du es nicht versprochen. Donnerstags
sehen wir uns bei L., aber schwerlich seh ich dich morgen. Der gestrige
Tag bestand aus Himmel[n]! Mögen sie [nie] aus dem schönen Herzen
weichen, das mir meinen giebt.5

Adieu, edle Seele!
70. An Karoline Mayer.

Meine Herliche, wenn es so ist, so kan mein Herz nicht anders als
daß es dich heute wenigstens von 6 bis 71/2 Uhr sieht. Bleibe! Ich10
sehne mich zu sehr, zumal da mir der morgende Abend gestohlen ist. --
Bleibe! Adieu, Geliebte! Zwei Briefträgerinnen sehen diesem zu.

71. An Karoline Mayer.

Mein gutes Herz! Gestern wurd' ich von Md. Bernhard, deren15
Verwandte angekommen, auf der Geisterinsel (im Theater) aus-
geschift, wo die Töne mich immer zu deiner Seele wieder führten.
Ich war ordentlich froh, da es 8 Uhr war, weil ich dan das Ende
deines Wartens gewis wuste. Eben jezt kam die russische Gesandtin
mit 2 andern Damen zu mir und drang mir ein Logenbillet für die20
heutige "Maria Stuart" auf.*) Ich kont' es ihrer Liebe um so weniger
abschlagen, da ich ohnehin nach der Janitscharenmusik weniger frage.
Entschuldige mich bei unserem philosophischen Vater, der für sein
Geschenk 100 Hände findet und dem ich für sein wiederholtes bei der
Reichard[schen] Oper desto inniger danken werde. Ich hoffe, der Vater25
vergiebt, was der Geheime Rath strafen müste. -- Und du, liebe
Seele? -- Werd' ich nicht von ihr zum Souper geladen (wie gar nicht
wahrscheinlich ist) so komm' ich noch spät zu dir, zu der sich schon seit
gestern meine ganze Seele sehnte. Sei froh, mein Herz und Alles!

N. S. Das Buch ist für den Vater.30

*) da sie bei ihren Visitten-Martern sonst blos eine Loge zur Visittenstube für
mich machen kan.

kränklichen Kopf gedrükt; jezt rechn’ ich nicht mehr auf dein Kommen,
[43]ausgenommen an Tagen wo du es nicht verſprochen. Donnerſtags
ſehen wir uns bei L., aber ſchwerlich ſeh ich dich morgen. Der geſtrige
Tag beſtand aus Himmel[n]! Mögen ſie [nie] aus dem ſchönen Herzen
weichen, das mir meinen giebt.5

Adieu, edle Seele!
70. An Karoline Mayer.

Meine Herliche, wenn es ſo iſt, ſo kan mein Herz nicht anders als
daß es dich heute wenigſtens von 6 bis 7½ Uhr ſieht. Bleibe! Ich10
ſehne mich zu ſehr, zumal da mir der morgende Abend geſtohlen iſt. —
Bleibe! Adieu, Geliebte! Zwei Briefträgerinnen ſehen dieſem zu.

71. An Karoline Mayer.

Mein gutes Herz! Geſtern wurd’ ich von Md. Bernhard, deren15
Verwandte angekommen, auf der Geiſterinſel (im Theater) aus-
geſchift, wo die Töne mich immer zu deiner Seele wieder führten.
Ich war ordentlich froh, da es 8 Uhr war, weil ich dan das Ende
deines Wartens gewis wuſte. Eben jezt kam die ruſſiſche Geſandtin
mit 2 andern Damen zu mir und drang mir ein Logenbillet für die20
heutige „Maria Stuart“ auf.*) Ich kont’ es ihrer Liebe um ſo weniger
abſchlagen, da ich ohnehin nach der Janitſcharenmuſik weniger frage.
Entſchuldige mich bei unſerem philoſophiſchen Vater, der für ſein
Geſchenk 100 Hände findet und dem ich für ſein wiederholtes bei der
Reichard[ſchen] Oper deſto inniger danken werde. Ich hoffe, der Vater25
vergiebt, was der Geheime Rath ſtrafen müſte. — Und du, liebe
Seele? — Werd’ ich nicht von ihr zum Souper geladen (wie gar nicht
wahrſcheinlich iſt) ſo komm’ ich noch ſpät zu dir, zu der ſich ſchon ſeit
geſtern meine ganze Seele ſehnte. Sei froh, mein Herz und Alles!

N. S. Das Buch iſt für den Vater.30

*) da ſie bei ihren Viſitten-Martern ſonſt blos eine Loge zur Viſittenſtube für
mich machen kan.
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[38/0044] kränklichen Kopf gedrükt; jezt rechn’ ich nicht mehr auf dein Kommen, ausgenommen an Tagen wo du es nicht verſprochen. Donnerſtags ſehen wir uns bei L., aber ſchwerlich ſeh ich dich morgen. Der geſtrige Tag beſtand aus Himmel[n]! Mögen ſie [nie] aus dem ſchönen Herzen weichen, das mir meinen giebt. 5 [43]Adieu, edle Seele! 70. An Karoline Mayer. [Berlin, 14. Jan. 1801?] Meine Herliche, wenn es ſo iſt, ſo kan mein Herz nicht anders als daß es dich heute wenigſtens von 6 bis 7½ Uhr ſieht. Bleibe! Ich 10 ſehne mich zu ſehr, zumal da mir der morgende Abend geſtohlen iſt. — Bleibe! Adieu, Geliebte! Zwei Briefträgerinnen ſehen dieſem zu. 71. An Karoline Mayer. [Berlin, 16. Jan. 1801] Mein gutes Herz! Geſtern wurd’ ich von Md. Bernhard, deren 15 Verwandte angekommen, auf der Geiſterinſel (im Theater) aus- geſchift, wo die Töne mich immer zu deiner Seele wieder führten. Ich war ordentlich froh, da es 8 Uhr war, weil ich dan das Ende deines Wartens gewis wuſte. Eben jezt kam die ruſſiſche Geſandtin mit 2 andern Damen zu mir und drang mir ein Logenbillet für die 20 heutige „Maria Stuart“ auf. *) Ich kont’ es ihrer Liebe um ſo weniger abſchlagen, da ich ohnehin nach der Janitſcharenmuſik weniger frage. Entſchuldige mich bei unſerem philoſophiſchen Vater, der für ſein Geſchenk 100 Hände findet und dem ich für ſein wiederholtes bei der Reichard[ſchen] Oper deſto inniger danken werde. Ich hoffe, der Vater 25 vergiebt, was der Geheime Rath ſtrafen müſte. — Und du, liebe Seele? — Werd’ ich nicht von ihr zum Souper geladen (wie gar nicht wahrſcheinlich iſt) ſo komm’ ich noch ſpät zu dir, zu der ſich ſchon ſeit geſtern meine ganze Seele ſehnte. Sei froh, mein Herz und Alles! N. S. Das Buch iſt für den Vater. 30 *) da ſie bei ihren Viſitten-Martern ſonſt blos eine Loge zur Viſittenſtube für mich machen kan.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/44>, abgerufen am 19.04.2024.