Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

Bild:
<< vorherige Seite

[30]diesmal gab es mir eine immerblühende an das Herz. Die beiliegende
[Karte] sagt den Rest. -- Alle meine Prüfungen und Irthümer waren
nur die oft gebogne Allee zu dieser Seele, die alle meine Wünsche und
Träume erfült.

Vom Vater sol ich Sie herzlich grüssen.5

Hätte Berlin Berge und bitteres Bier -- lauter B's --: so trät'
ich nicht aus den magischen Kreisen, die mir nicht einmal ausser sich,
wie sonst die in der Christnacht, Teufel zeigen. Sogar in die gelehrten
Kränzgen bin ich jezt eingeflochten als ein Dorn und Stiel. Aber ich
fliege im Frühling auf mit meiner Braut -- sagen Sie mir, Vater, die10
beste Stadt! --

Unsere geliebte Königin -- mit deren herlichem Bruder ich wöchent-
lich zusammenkomme bei der Fr. v. Berg, Ihrer Freundin -- sandte
mir durch ihn als Heirathsgeschenk ein silbernes Thee- und Kaffee-
Service, so schön wie die Hand, die es gab.15

Die Corday, guter Vater, kont' ich Ihnen nicht schicken, da ich
das einzige Exemplar, das ich bekommen, der Herzogin v. Weimar
lassen muste.

Mit Rührung und Verehrung treff' ich und Ihre Freunde und
Freundinnen zusammen und wir haben alle für Gleim nur ein einziges20
Herz.

Leben Sie wohl, geliebter Vater! Die rollende Erde trage Sie
wiegend und ohne Erdstösse um die Sonne! --

Jean Paul Fr. Richter
43. An Herder.25
[Nicht abgeschickt]

Eben hab' ich, verehrtester Freund, Ihren Torso wieder gelesen,
der seinen Namen nur im schönern Sin verdient und dem ein Alter
von 32 Jahren nicht einen Zug der Jugend und Neuheit ausge-
strichen; -- und darum mus ich erfreuet an Sie schreiben, weil Sie30
geschrieben. Endlich bin ich hier auch in die Stiefbrüder-Gemeine
der Gelehrten eingegangen -- aber doch fast lieber wieder heraus.
Der mündliche Ton ist gerade so human als der schriftliche gewöhnlich
inhuman ist. Aber der genialische Sin ist ihnen noch nicht operiert. --

Hiatus valde flebilis in Mpto.35

[30]diesmal gab es mir eine immerblühende an das Herz. Die beiliegende
[Karte] ſagt den Reſt. — Alle meine Prüfungen und Irthümer waren
nur die oft gebogne Allee zu dieſer Seele, die alle meine Wünſche und
Träume erfült.

Vom Vater ſol ich Sie herzlich grüſſen.5

Hätte Berlin Berge und bitteres Bier — lauter B’s —: ſo trät’
ich nicht aus den magiſchen Kreiſen, die mir nicht einmal auſſer ſich,
wie ſonſt die in der Chriſtnacht, Teufel zeigen. Sogar in die gelehrten
Kränzgen bin ich jezt eingeflochten als ein Dorn und Stiel. Aber ich
fliege im Frühling auf mit meiner Braut — ſagen Sie mir, Vater, die10
beſte Stadt! —

Unſere geliebte Königin — mit deren herlichem Bruder ich wöchent-
lich zuſammenkomme bei der Fr. v. Berg, Ihrer Freundin — ſandte
mir durch ihn als Heirathsgeſchenk ein ſilbernes Thee- und Kaffee-
Service, ſo ſchön wie die Hand, die es gab.15

Die Corday, guter Vater, kont’ ich Ihnen nicht ſchicken, da ich
das einzige Exemplar, das ich bekommen, der Herzogin v. Weimar
laſſen muſte.

Mit Rührung und Verehrung treff’ ich und Ihre Freunde und
Freundinnen zuſammen und wir haben alle für Gleim nur ein einziges20
Herz.

Leben Sie wohl, geliebter Vater! Die rollende Erde trage Sie
wiegend und ohne Erdſtöſſe um die Sonne! —

Jean Paul Fr. Richter
43. An Herder.25
[Nicht abgeſchickt]

Eben hab’ ich, verehrteſter Freund, Ihren Torſo wieder geleſen,
der ſeinen Namen nur im ſchönern Sin verdient und dem ein Alter
von 32 Jahren nicht einen Zug der Jugend und Neuheit ausge-
ſtrichen; — und darum mus ich erfreuet an Sie ſchreiben, weil Sie30
geſchrieben. Endlich bin ich hier auch in die Stiefbrüder-Gemeine
der Gelehrten eingegangen — aber doch faſt lieber wieder heraus.
Der mündliche Ton iſt gerade ſo human als der ſchriftliche gewöhnlich
inhuman iſt. Aber der genialiſche Sin iſt ihnen noch nicht operiert. —

Hiatus valde flebilis in Mpto.35

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="26"/><note place="left"><ref target="1922_Bd4_30">[30]</ref></note>diesmal gab es mir eine immerblühende an das Herz. Die beiliegende<lb/>
[Karte] &#x017F;agt den Re&#x017F;t. &#x2014; Alle meine Prüfungen und Irthümer waren<lb/>
nur die oft gebogne Allee zu die&#x017F;er Seele, die alle meine Wün&#x017F;che und<lb/>
Träume erfült.</p><lb/>
        <p>Vom Vater &#x017F;ol ich Sie herzlich grü&#x017F;&#x017F;en.<lb n="5"/>
</p>
        <p>Hätte Berlin Berge und bitteres Bier &#x2014; lauter B&#x2019;s &#x2014;: &#x017F;o trät&#x2019;<lb/>
ich nicht aus den magi&#x017F;chen Krei&#x017F;en, die mir nicht einmal au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich,<lb/>
wie &#x017F;on&#x017F;t die in der Chri&#x017F;tnacht, Teufel zeigen. Sogar in die gelehrten<lb/>
Kränzgen bin ich jezt eingeflochten als ein Dorn und Stiel. Aber ich<lb/>
fliege im Frühling auf mit meiner Braut &#x2014; &#x017F;agen Sie mir, Vater, die<lb n="10"/>
be&#x017F;te Stadt! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;ere geliebte Königin &#x2014; mit deren herlichem Bruder ich wöchent-<lb/>
lich zu&#x017F;ammenkomme bei der Fr. <hi rendition="#aq">v. Berg,</hi> Ihrer Freundin &#x2014; &#x017F;andte<lb/>
mir durch ihn als Heirathsge&#x017F;chenk ein &#x017F;ilbernes Thee- und Kaffee-<lb/>
Service, &#x017F;o &#x017F;chön wie die Hand, die es gab.<lb n="15"/>
</p>
        <p>Die <hi rendition="#aq">Corday,</hi> guter Vater, kont&#x2019; ich Ihnen nicht &#x017F;chicken, da ich<lb/>
das einzige Exemplar, das ich bekommen, der Herzogin <hi rendition="#aq">v. Weimar</hi><lb/>
la&#x017F;&#x017F;en mu&#x017F;te.</p><lb/>
        <p>Mit Rührung und Verehrung treff&#x2019; ich und Ihre Freunde und<lb/>
Freundinnen zu&#x017F;ammen und wir haben alle für <hi rendition="#aq">Gleim</hi> nur ein einziges<lb n="20"/>
Herz.</p><lb/>
        <p>Leben Sie wohl, geliebter Vater! Die rollende Erde trage Sie<lb/>
wiegend und ohne Erd&#x017F;&#x017F;&#x017F;e um die Sonne! &#x2014;</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Jean Paul Fr. Richter</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>43. An <hi rendition="#g">Herder.</hi><lb n="25"/>
</head>
        <note type="editorial">[Nicht abge&#x017F;chickt]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Berlin d. 5. Dec</hi> 1800.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Eben hab&#x2019; ich, verehrte&#x017F;ter Freund, Ihren Tor&#x017F;o wieder gele&#x017F;en,<lb/>
der &#x017F;einen Namen nur im &#x017F;chönern Sin verdient und dem ein Alter<lb/>
von 32 Jahren nicht einen Zug der Jugend und Neuheit ausge-<lb/>
&#x017F;trichen; &#x2014; und darum mus ich erfreuet an Sie &#x017F;chreiben, weil Sie<lb n="30"/>
ge&#x017F;chrieben. Endlich bin ich hier auch in die Stiefbrüder-Gemeine<lb/>
der Gelehrten eingegangen &#x2014; aber doch fa&#x017F;t lieber wieder heraus.<lb/>
Der mündliche Ton i&#x017F;t gerade &#x017F;o human als der &#x017F;chriftliche gewöhnlich<lb/>
inhuman i&#x017F;t. Aber der geniali&#x017F;che Sin i&#x017F;t ihnen noch nicht operiert. &#x2014;</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#aq">Hiatus valde flebilis in Mpto.</hi> <lb n="35"/>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0032] diesmal gab es mir eine immerblühende an das Herz. Die beiliegende [Karte] ſagt den Reſt. — Alle meine Prüfungen und Irthümer waren nur die oft gebogne Allee zu dieſer Seele, die alle meine Wünſche und Träume erfült. [30] Vom Vater ſol ich Sie herzlich grüſſen. 5 Hätte Berlin Berge und bitteres Bier — lauter B’s —: ſo trät’ ich nicht aus den magiſchen Kreiſen, die mir nicht einmal auſſer ſich, wie ſonſt die in der Chriſtnacht, Teufel zeigen. Sogar in die gelehrten Kränzgen bin ich jezt eingeflochten als ein Dorn und Stiel. Aber ich fliege im Frühling auf mit meiner Braut — ſagen Sie mir, Vater, die 10 beſte Stadt! — Unſere geliebte Königin — mit deren herlichem Bruder ich wöchent- lich zuſammenkomme bei der Fr. v. Berg, Ihrer Freundin — ſandte mir durch ihn als Heirathsgeſchenk ein ſilbernes Thee- und Kaffee- Service, ſo ſchön wie die Hand, die es gab. 15 Die Corday, guter Vater, kont’ ich Ihnen nicht ſchicken, da ich das einzige Exemplar, das ich bekommen, der Herzogin v. Weimar laſſen muſte. Mit Rührung und Verehrung treff’ ich und Ihre Freunde und Freundinnen zuſammen und wir haben alle für Gleim nur ein einziges 20 Herz. Leben Sie wohl, geliebter Vater! Die rollende Erde trage Sie wiegend und ohne Erdſtöſſe um die Sonne! — Jean Paul Fr. Richter 43. An Herder. 25 Berlin d. 5. Dec 1800. Eben hab’ ich, verehrteſter Freund, Ihren Torſo wieder geleſen, der ſeinen Namen nur im ſchönern Sin verdient und dem ein Alter von 32 Jahren nicht einen Zug der Jugend und Neuheit ausge- ſtrichen; — und darum mus ich erfreuet an Sie ſchreiben, weil Sie 30 geſchrieben. Endlich bin ich hier auch in die Stiefbrüder-Gemeine der Gelehrten eingegangen — aber doch faſt lieber wieder heraus. Der mündliche Ton iſt gerade ſo human als der ſchriftliche gewöhnlich inhuman iſt. Aber der genialiſche Sin iſt ihnen noch nicht operiert. — Hiatus valde flebilis in Mpto. 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/32
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/32>, abgerufen am 19.04.2024.