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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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er müste denn des Teufels lebendig sein. -- Meinem O[tto] geben
Sie den Brief erst am Geburtstage früh mit dem Buch; und sich
selber einen -- Kus von mir, wenn nicht das unter allen Dingen das
einzige wäre, was ein Mensch nicht sich selber geben kan. Hiezu ist
immer ein repräsent[atives] System und Parliamentsglied nöthig,5
z. B. die Fortschreiberin dieses, welche so anfängt:

R.
217. An Auguste und Friedrich Schlichtegroll.
[Kopie]

Je älter und fester man wird, desto weniger spricht sich das Herz10
durch den brieflichen Hauch aus, der zur Schneeflocke wird unterwegs.
Man wil den geliebten Menschen an der Hand, nicht an den Schreibe-
fingern haben. -- weil die Ehe den Werth der Wärme moralischer
wiegt, indes sie die Seele vor neuen Freundschaften verspert. --
ein Folio- und Bilder-Young -- Sara sol sich vorher in mich ver-15
lieben, damit ich, wenn ich komme, die Liebe gleich fertig finde und nur
zuzulangen brauche -- Er. Ein Münzkabinet ist eine Medaille für
Sie -- Für meinen Parnas bin ich ein arbeitsamer Blumist und
Gärtner. Ich bin der Alte für Alte.

218. An Sophie und Joh. Dan. Sander in Berlin.20
[Kopie]

[138] Liebe Frau Gevatterin! Aber dieser altvät[erische] Titel ist eine zu
tiefe Nachthaube für Ihr jugendliches [?] Gesicht. -- Titel besser als
der flache Legazions Schnörkel -- Wie froh werd' ich die mir noch
gestaltlose Pathe an meine Lippen drücken, wenn ich vorher bei der25
Mutter angefangen. -- daß ich eine ewige Braut zur Frau habe.
Das Glük lächle Ihnen wie Sie und sein Auge lege die Binde vor
Ihrem ab. -- In grossen Städten ist alles stärker als die Memorien.

219. An Herzog Georg von Meiningen.
[Kopie]30

Am heutigen frohen Tage, wo Sie eben so viel Freude austheilen
als empfangen und wo die Glükwünsche zwischen Ihnen und dem
Lande wechselseitig sind, werden Sie mir es vergönnen, daß der

er müſte denn des Teufels lebendig ſein. — Meinem O[tto] geben
Sie den Brief erſt am Geburtstage früh mit dem Buch; und ſich
ſelber einen — Kus von mir, wenn nicht das unter allen Dingen das
einzige wäre, was ein Menſch nicht ſich ſelber geben kan. Hiezu iſt
immer ein repräſent[atives] Syſtem und Parliamentsglied nöthig,5
z. B. die Fortſchreiberin dieſes, welche ſo anfängt:

R.
217. An Auguſte und Friedrich Schlichtegroll.
[Kopie]

Je älter und feſter man wird, deſto weniger ſpricht ſich das Herz10
durch den brieflichen Hauch aus, der zur Schneeflocke wird unterwegs.
Man wil den geliebten Menſchen an der Hand, nicht an den Schreibe-
fingern haben. — weil die Ehe den Werth der Wärme moraliſcher
wiegt, indes ſie die Seele vor neuen Freundſchaften verſpert. —
ein Folio- und Bilder-Young — Sara ſol ſich vorher in mich ver-15
lieben, damit ich, wenn ich komme, die Liebe gleich fertig finde und nur
zuzulangen brauche — Er. Ein Münzkabinet iſt eine Medaille für
Sie — Für meinen Parnas bin ich ein arbeitſamer Blumiſt und
Gärtner. Ich bin der Alte für Alte.

218. An Sophie und Joh. Dan. Sander in Berlin.20
[Kopie]

[138] Liebe Frau Gevatterin! Aber dieſer altvät[eriſche] Titel iſt eine zu
tiefe Nachthaube für Ihr jugendliches [?] Geſicht. — Titel beſſer als
der flache Legazions Schnörkel — Wie froh werd’ ich die mir noch
geſtaltloſe Pathe an meine Lippen drücken, wenn ich vorher bei der25
Mutter angefangen. — daß ich eine ewige Braut zur Frau habe.
Das Glük lächle Ihnen wie Sie und ſein Auge lege die Binde vor
Ihrem ab. — In groſſen Städten iſt alles ſtärker als die Memorien.

219. An Herzog Georg von Meiningen.
[Kopie]30

Am heutigen frohen Tage, wo Sie eben ſo viel Freude austheilen
als empfangen und wo die Glükwünſche zwiſchen Ihnen und dem
Lande wechſelſeitig ſind, werden Sie mir es vergönnen, daß der

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[122/0128] er müſte denn des Teufels lebendig ſein. — Meinem O[tto] geben Sie den Brief erſt am Geburtstage früh mit dem Buch; und ſich ſelber einen — Kus von mir, wenn nicht das unter allen Dingen das einzige wäre, was ein Menſch nicht ſich ſelber geben kan. Hiezu iſt immer ein repräſent[atives] Syſtem und Parliamentsglied nöthig, 5 z. B. die Fortſchreiberin dieſes, welche ſo anfängt: R. 217. An Auguſte und Friedrich Schlichtegroll. [Meiningen, 6. Dez. 1801] Je älter und feſter man wird, deſto weniger ſpricht ſich das Herz 10 durch den brieflichen Hauch aus, der zur Schneeflocke wird unterwegs. Man wil den geliebten Menſchen an der Hand, nicht an den Schreibe- fingern haben. — weil die Ehe den Werth der Wärme moraliſcher wiegt, indes ſie die Seele vor neuen Freundſchaften verſpert. — ein Folio- und Bilder-Young — Sara ſol ſich vorher in mich ver- 15 lieben, damit ich, wenn ich komme, die Liebe gleich fertig finde und nur zuzulangen brauche — Er. Ein Münzkabinet iſt eine Medaille für Sie — Für meinen Parnas bin ich ein arbeitſamer Blumiſt und Gärtner. Ich bin der Alte für Alte. 218. An Sophie und Joh. Dan. Sander in Berlin. 20 [Meiningen, 16. Dez. (?) 1801] Liebe Frau Gevatterin! Aber dieſer altvät[eriſche] Titel iſt eine zu tiefe Nachthaube für Ihr jugendliches [?] Geſicht. — Titel beſſer als der flache Legazions Schnörkel — Wie froh werd’ ich die mir noch geſtaltloſe Pathe an meine Lippen drücken, wenn ich vorher bei der 25 Mutter angefangen. — daß ich eine ewige Braut zur Frau habe. Das Glük lächle Ihnen wie Sie und ſein Auge lege die Binde vor Ihrem ab. — In groſſen Städten iſt alles ſtärker als die Memorien. [138] 219. An Herzog Georg von Meiningen. [Meiningen, 17. Dez. 1801] 30 Am heutigen frohen Tage, wo Sie eben ſo viel Freude austheilen als empfangen und wo die Glükwünſche zwiſchen Ihnen und dem Lande wechſelſeitig ſind, werden Sie mir es vergönnen, daß der

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/128>, abgerufen am 28.03.2024.