Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

Bild:
<< vorherige Seite

Natur ist, unser Gefühl für sie gegeben und verewigt. Über alles rein
und hoch und schön ist der Todtengesang, der sich selber in Sphären-
musik sezt. Auch meine Frau wurde innig von dieser Wahr- und
Schönheit bewegt.

5

Gestern fand ich bei dem Herzog in der Zeitung die Standes-
erhöhung des über den Stand Erhabnen, der den bösen römischen
Kaisern gleicht, die keine Götter achteten und zulezt Götter wurden.
Aber ich errieth den kameralistischen Anlas, den Sie mir -- heute
durch Knebel schrieben. Meinen Glükwunsch dem Churfürsten und10
mein Zähnknirschen der juristischen Harpye, die Ihren Tisch besudeln
wil! -- Goerz und der Churfürst mögen Sie von dem überzeugen,
was ich Sie so oft versicherte, daß nämlich ganz Deutschland ein
wenig anders urtheile und handle als zuweilen Ihre unnachbarliche[128]
Nachbarschaft. Und Ihr Mutterherz nehme daran wahr, daß es15
ausser dem Vaterherzen in der obern Stube noch ein zweites in der
obersten Stube -- jenseits der Höhe -- gebe, worauf man bauen
kan. --

Von meinem Ehe-Empyräum und Glanz schweig' ich ausgenom-
men gegen meine Frau; wir kennen nur 1 Eden-Augenblik, das ist20
der unsers Findens und Habens und dieser ist noch nicht aus. Un-
gebeten geh' ich jezt schwer vom Lesetisch weg. Die Ehe lehrt Einsam-
keit. Ich verlange nichts als Bücher, Berge und Bier; das hab' ich;
doch sehn' ich mich -- und dadurch könt' Ihr Wunsch wahr werden*)
-- zuweilen nach einem andern und höhern Geist als den gedrukten. --25
Wenn ich jemand zum Essen bei mir bitte -- was unendlich selten
geschieht -- so bitt' ich mich auch mit, und erstaune dan über die
Ordnung am Tisch und glaube, auswärts zu speisen. -- Was macht
Büri und die Berlepsch? -- Dem D. Maier (der so malt wie der
Prof. Maier) meinen Grus und Fluch, daß er mir die in seinen30
Büchern bestehende Bezahlung meines Titans noch nicht geschikt.
Darf ich Sie um das ernste Mahnen dieses bösen Schuldners bitten?
-- Jakobi ist in Aachen und (im Winter) in Paris. -- Friede sei und
bleibe jezt mit dem Frieden! -- Ich schreibe und lese hier viel und bin

*) zumal da ich neulich ausgerechnet, daß ich anstat an einen Ort hinzureisen35
und dan wieder zurük, mit derselben Summe 2 Wagen -- mehr brauch' ich nicht --
bezahlen kan und nur bleiben darf.
8 Jean Paul Briefe. IV.

Natur iſt, unſer Gefühl für ſie gegeben und verewigt. Über alles rein
und hoch und ſchön iſt der Todtengeſang, der ſich ſelber in Sphären-
muſik ſezt. Auch meine Frau wurde innig von dieſer Wahr- und
Schönheit bewegt.

5

Geſtern fand ich bei dem Herzog in der Zeitung die Standes-
erhöhung des über den Stand Erhabnen, der den böſen römiſchen
Kaiſern gleicht, die keine Götter achteten und zulezt Götter wurden.
Aber ich errieth den kameraliſtiſchen Anlas, den Sie mir — heute
durch Knebel ſchrieben. Meinen Glükwunſch dem Churfürſten und10
mein Zähnknirſchen der juriſtiſchen Harpye, die Ihren Tiſch beſudeln
wil! — Goerz und der Churfürſt mögen Sie von dem überzeugen,
was ich Sie ſo oft verſicherte, daß nämlich ganz Deutſchland ein
wenig anders urtheile und handle als zuweilen Ihre unnachbarliche[128]
Nachbarſchaft. Und Ihr Mutterherz nehme daran wahr, daß es15
auſſer dem Vaterherzen in der obern Stube noch ein zweites in der
oberſten Stube — jenſeits der Höhe — gebe, worauf man bauen
kan. —

Von meinem Ehe-Empyräum und Glanz ſchweig’ ich ausgenom-
men gegen meine Frau; wir kennen nur 1 Eden-Augenblik, das iſt20
der unſers Findens und Habens und dieſer iſt noch nicht aus. Un-
gebeten geh’ ich jezt ſchwer vom Leſetiſch weg. Die Ehe lehrt Einſam-
keit. Ich verlange nichts als Bücher, Berge und Bier; das hab’ ich;
doch ſehn’ ich mich — und dadurch könt’ Ihr Wunſch wahr werden*)
— zuweilen nach einem andern und höhern Geiſt als den gedrukten. —25
Wenn ich jemand zum Eſſen bei mir bitte — was unendlich ſelten
geſchieht — ſo bitt’ ich mich auch mit, und erſtaune dan über die
Ordnung am Tiſch und glaube, auswärts zu ſpeiſen. — Was macht
Büri und die Berlepsch? — Dem D. Maier (der ſo malt wie der
Prof. Maier) meinen Grus und Fluch, daß er mir die in ſeinen30
Büchern beſtehende Bezahlung meines Titans noch nicht geſchikt.
Darf ich Sie um das ernſte Mahnen dieſes böſen Schuldners bitten?
— Jakobi iſt in Aachen und (im Winter) in Paris. — Friede ſei und
bleibe jezt mit dem Frieden! — Ich ſchreibe und leſe hier viel und bin

*) zumal da ich neulich ausgerechnet, daß ich anſtat an einen Ort hinzureiſen35
und dan wieder zurük, mit derſelben Summe 2 Wagen — mehr brauch’ ich nicht —
bezahlen kan und nur bleiben darf.
8 Jean Paul Briefe. IV.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="113"/>
Natur i&#x017F;t, un&#x017F;er Gefühl für &#x017F;ie gegeben und verewigt. Über alles rein<lb/>
und hoch und &#x017F;chön i&#x017F;t der Todtenge&#x017F;ang, der &#x017F;ich &#x017F;elber in Sphären-<lb/>
mu&#x017F;ik &#x017F;ezt. Auch meine Frau wurde innig von die&#x017F;er Wahr- und<lb/>
Schönheit bewegt.</p>
        </div><lb/>
        <div>
          <dateline> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">d. 2. Nov.</hi> </hi> </dateline>
          <lb n="5"/>
          <p>Ge&#x017F;tern fand ich bei dem Herzog in der Zeitung die Standes-<lb/>
erhöhung des über den Stand Erhabnen, der den bö&#x017F;en römi&#x017F;chen<lb/>
Kai&#x017F;ern gleicht, die keine Götter achteten und zulezt Götter wurden.<lb/>
Aber ich errieth den kamerali&#x017F;ti&#x017F;chen Anlas, den Sie mir &#x2014; <hi rendition="#b">heute</hi><lb/>
durch <hi rendition="#aq">Knebel</hi> &#x017F;chrieben. Meinen Glükwun&#x017F;ch dem Churfür&#x017F;ten und<lb n="10"/>
mein Zähnknir&#x017F;chen der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Harpye, die Ihren Ti&#x017F;ch be&#x017F;udeln<lb/>
wil! &#x2014; Goerz und der Churfür&#x017F;t mögen Sie von dem überzeugen,<lb/>
was ich Sie &#x017F;o oft ver&#x017F;icherte, daß nämlich ganz Deut&#x017F;chland ein<lb/>
wenig anders urtheile und handle als zuweilen Ihre unnachbarliche<note place="right"><ref target="1922_Bd4_128">[128]</ref></note><lb/>
Nachbar&#x017F;chaft. Und Ihr Mutterherz nehme daran wahr, daß es<lb n="15"/>
au&#x017F;&#x017F;er dem Vaterherzen in der obern Stube noch ein zweites in der<lb/>
ober&#x017F;ten Stube &#x2014; jen&#x017F;eits der Höhe &#x2014; gebe, worauf man bauen<lb/>
kan. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Von meinem Ehe-Empyräum und Glanz &#x017F;chweig&#x2019; ich ausgenom-<lb/>
men gegen meine Frau; wir kennen nur 1 Eden-Augenblik, das i&#x017F;t<lb n="20"/>
der un&#x017F;ers Findens und Habens und die&#x017F;er i&#x017F;t noch nicht aus. Un-<lb/>
gebeten geh&#x2019; ich jezt &#x017F;chwer vom Le&#x017F;eti&#x017F;ch weg. Die Ehe lehrt Ein&#x017F;am-<lb/>
keit. Ich verlange nichts als <hi rendition="#b">B</hi>ücher, <hi rendition="#b">B</hi>erge und <hi rendition="#b">B</hi>ier; das hab&#x2019; ich;<lb/>
doch &#x017F;ehn&#x2019; ich mich &#x2014; und dadurch könt&#x2019; Ihr Wun&#x017F;ch wahr werden<note place="foot" n="*)">zumal da ich neulich ausgerechnet, daß ich an&#x017F;tat an einen Ort hinzurei&#x017F;en<lb n="35"/>
und dan wieder zurük, mit der&#x017F;elben Summe 2 Wagen &#x2014; mehr brauch&#x2019; ich nicht &#x2014;<lb/>
bezahlen kan und nur bleiben darf.</note><lb/>
&#x2014; zuweilen nach einem andern und höhern Gei&#x017F;t als den gedrukten. &#x2014;<lb n="25"/>
Wenn ich jemand zum E&#x017F;&#x017F;en bei mir bitte &#x2014; was unendlich &#x017F;elten<lb/>
ge&#x017F;chieht &#x2014; &#x017F;o bitt&#x2019; ich mich auch mit, und er&#x017F;taune dan über die<lb/>
Ordnung am Ti&#x017F;ch und glaube, auswärts zu &#x017F;pei&#x017F;en. &#x2014; Was macht<lb/><hi rendition="#aq">Büri</hi> und die <hi rendition="#aq">Berlepsch?</hi> &#x2014; Dem D. Maier (der <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> malt wie der<lb/>
Prof. Maier) meinen Grus und Fluch, daß er mir die in &#x017F;einen<lb n="30"/>
Büchern be&#x017F;tehende Bezahlung meines <hi rendition="#aq">Titans</hi> noch nicht ge&#x017F;chikt.<lb/>
Darf ich Sie um das ern&#x017F;te Mahnen die&#x017F;es bö&#x017F;en Schuldners bitten?<lb/>
&#x2014; Jakobi i&#x017F;t in Aachen und (im Winter) in Paris. &#x2014; Friede &#x017F;ei und<lb/>
bleibe jezt mit dem Frieden! &#x2014; Ich &#x017F;chreibe und le&#x017F;e hier viel und bin<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">IV.</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0119] Natur iſt, unſer Gefühl für ſie gegeben und verewigt. Über alles rein und hoch und ſchön iſt der Todtengeſang, der ſich ſelber in Sphären- muſik ſezt. Auch meine Frau wurde innig von dieſer Wahr- und Schönheit bewegt. d. 2. Nov. 5 Geſtern fand ich bei dem Herzog in der Zeitung die Standes- erhöhung des über den Stand Erhabnen, der den böſen römiſchen Kaiſern gleicht, die keine Götter achteten und zulezt Götter wurden. Aber ich errieth den kameraliſtiſchen Anlas, den Sie mir — heute durch Knebel ſchrieben. Meinen Glükwunſch dem Churfürſten und 10 mein Zähnknirſchen der juriſtiſchen Harpye, die Ihren Tiſch beſudeln wil! — Goerz und der Churfürſt mögen Sie von dem überzeugen, was ich Sie ſo oft verſicherte, daß nämlich ganz Deutſchland ein wenig anders urtheile und handle als zuweilen Ihre unnachbarliche Nachbarſchaft. Und Ihr Mutterherz nehme daran wahr, daß es 15 auſſer dem Vaterherzen in der obern Stube noch ein zweites in der oberſten Stube — jenſeits der Höhe — gebe, worauf man bauen kan. — [128] Von meinem Ehe-Empyräum und Glanz ſchweig’ ich ausgenom- men gegen meine Frau; wir kennen nur 1 Eden-Augenblik, das iſt 20 der unſers Findens und Habens und dieſer iſt noch nicht aus. Un- gebeten geh’ ich jezt ſchwer vom Leſetiſch weg. Die Ehe lehrt Einſam- keit. Ich verlange nichts als Bücher, Berge und Bier; das hab’ ich; doch ſehn’ ich mich — und dadurch könt’ Ihr Wunſch wahr werden *) — zuweilen nach einem andern und höhern Geiſt als den gedrukten. — 25 Wenn ich jemand zum Eſſen bei mir bitte — was unendlich ſelten geſchieht — ſo bitt’ ich mich auch mit, und erſtaune dan über die Ordnung am Tiſch und glaube, auswärts zu ſpeiſen. — Was macht Büri und die Berlepsch? — Dem D. Maier (der ſo malt wie der Prof. Maier) meinen Grus und Fluch, daß er mir die in ſeinen 30 Büchern beſtehende Bezahlung meines Titans noch nicht geſchikt. Darf ich Sie um das ernſte Mahnen dieſes böſen Schuldners bitten? — Jakobi iſt in Aachen und (im Winter) in Paris. — Friede ſei und bleibe jezt mit dem Frieden! — Ich ſchreibe und leſe hier viel und bin *) zumal da ich neulich ausgerechnet, daß ich anſtat an einen Ort hinzureiſen 35 und dan wieder zurük, mit derſelben Summe 2 Wagen — mehr brauch’ ich nicht — bezahlen kan und nur bleiben darf. 8 Jean Paul Briefe. IV.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/119
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/119>, abgerufen am 28.03.2024.