Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

Bild:
<< vorherige Seite

Hier weis ich nicht mehr was ich von Ihrem Briefe zu beantworten
habe. Ihr Urtheil über die Gräfin ist vortreflich und -- komisch, da
Sie es ihrem ältern Bekanten schicken; ich las eine kurze Topographie
meines Zimmers, die mir der V[erfasser] sandte, damit ich mich zu-
rechtfände darin. --5

Meine Arbeit und Lust ist jezt der 3te zu Ostern kommende Titan,
der vol ent- und verwickelnder Geschichte ist und dessen Anhang ein
Anhängselgen wird und kaum. -- J. P. hat keine frohe Ehe, sondern
die froheste; alle seine Träume reichen nun durchs helle Tagslicht, und
der Idealismus des Herzens ist ein Realismus geworden. Ich kenne10
nichts bessers als das beste Weib zu haben; sogar die Poesie zieht
Zinsen davon. -- Unendlich viel schreiben Sie mir, Lieber! Lesen Sie
Schleiermachers Reden über die Religion und Marias Satiren.
Adio, Carissimo!

183. An Henriette Herz in Berlin.15
[Kopie]

Emanuel, mein Glaubensgenosse in höherm Sin als die R[eichs]-
Geseze es nehmen, [wil nach Berlin, der hohen Schule seiner Reli-[115]
gionsgenossen, reisen.] Schleiermacher macht Predigten, die so gut
sind, daß blos seine Reden noch 10 mal besser sind.20

184. An Renate Otto in Hof.

Liebe Renate! -- Nach diesem schon vor 5 Tagen geschriebenen
Anfang fahr' ich heute fort. Ein äffendes Schiksal, das mit den Men-
schen und Freuden zu karten scheint, gab gerade in der frohesten Um-25
gebung meiner nie krank gewesenen Frau hysterische Krämpfe und
einen irrenden Arzt. Da ich endlich klüger wurde als dieser: so wird
der schwarze Berg immer niedriger, den mir der Teufel auf den
schönsten Weg geworfen. Schon meiner sich nach Hof sehnenden C.
wegen hätt' ich dahin den Rük- und Umweg genommen; aber nun30
hab' ich wenig Hofnung zu dieser Freude. Ich hätte Sie so gerne
gesehen und -- gezeigt.

Ich wäre ganz im Himmel bei meinem Emanuel, wenn der hyste-
rische Teufel nicht mit darin tobte. Ich lieb' ihn nun zweimal, nämlich

Hier weis ich nicht mehr was ich von Ihrem Briefe zu beantworten
habe. Ihr Urtheil über die Gräfin iſt vortreflich und — komiſch, da
Sie es ihrem ältern Bekanten ſchicken; ich las eine kurze Topographie
meines Zimmers, die mir der V[erfaſſer] ſandte, damit ich mich zu-
rechtfände darin. —5

Meine Arbeit und Luſt iſt jezt der 3te zu Oſtern kommende Titan,
der vol ent- und verwickelnder Geſchichte iſt und deſſen Anhang ein
Anhängſelgen wird und kaum. — J. P. hat keine frohe Ehe, ſondern
die froheſte; alle ſeine Träume reichen nun durchs helle Tagslicht, und
der Idealiſmus des Herzens iſt ein Realiſmus geworden. Ich kenne10
nichts beſſers als das beſte Weib zu haben; ſogar die Poeſie zieht
Zinſen davon. — Unendlich viel ſchreiben Sie mir, Lieber! Leſen Sie
Schleiermachers Reden über die Religion und Marias Satiren.
Adio, Carissimo!

183. An Henriette Herz in Berlin.15
[Kopie]

Emanuel, mein Glaubensgenoſſe in höherm Sin als die R[eichs]-
Geſeze es nehmen, [wil nach Berlin, der hohen Schule ſeiner Reli-[115]
gionsgenoſſen, reiſen.] Schleiermacher macht Predigten, die ſo gut
ſind, daß blos ſeine Reden noch 10 mal beſſer ſind.20

184. An Renate Otto in Hof.

Liebe Renate! — Nach dieſem ſchon vor 5 Tagen geſchriebenen
Anfang fahr’ ich heute fort. Ein äffendes Schikſal, das mit den Men-
ſchen und Freuden zu karten ſcheint, gab gerade in der froheſten Um-25
gebung meiner nie krank geweſenen Frau hyſteriſche Krämpfe und
einen irrenden Arzt. Da ich endlich klüger wurde als dieſer: ſo wird
der ſchwarze Berg immer niedriger, den mir der Teufel auf den
ſchönſten Weg geworfen. Schon meiner ſich nach Hof ſehnenden C.
wegen hätt’ ich dahin den Rük- und Umweg genommen; aber nun30
hab’ ich wenig Hofnung zu dieſer Freude. Ich hätte Sie ſo gerne
geſehen und — gezeigt.

Ich wäre ganz im Himmel bei meinem Emanuel, wenn der hyſte-
riſche Teufel nicht mit darin tobte. Ich lieb’ ihn nun zweimal, nämlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <pb facs="#f0107" n="101"/>
        <p><hi rendition="#g">Hier</hi> weis ich nicht mehr was ich von Ihrem Briefe zu beantworten<lb/>
habe. Ihr Urtheil über die Gräfin i&#x017F;t vortreflich und &#x2014; komi&#x017F;ch, da<lb/>
Sie es ihrem ältern Bekanten &#x017F;chicken; ich las eine kurze Topographie<lb/>
meines Zimmers, die mir der V[erfa&#x017F;&#x017F;er] &#x017F;andte, damit ich mich zu-<lb/>
rechtfände darin. &#x2014;<lb n="5"/>
</p>
        <p>Meine Arbeit und Lu&#x017F;t i&#x017F;t jezt der 3<hi rendition="#sup">te</hi> zu O&#x017F;tern kommende Titan,<lb/>
der vol ent- und verwickelnder Ge&#x017F;chichte i&#x017F;t und de&#x017F;&#x017F;en Anhang ein<lb/>
Anhäng&#x017F;elgen wird und kaum. &#x2014; <hi rendition="#aq">J. P.</hi> hat keine frohe Ehe, &#x017F;ondern<lb/>
die frohe&#x017F;te; alle &#x017F;eine Träume reichen nun durchs helle Tagslicht, und<lb/>
der Ideali&#x017F;mus des Herzens i&#x017F;t ein Reali&#x017F;mus geworden. Ich kenne<lb n="10"/>
nichts be&#x017F;&#x017F;ers als das be&#x017F;te Weib zu haben; &#x017F;ogar die Poe&#x017F;ie zieht<lb/>
Zin&#x017F;en davon. &#x2014; Unendlich viel &#x017F;chreiben Sie mir, Lieber! Le&#x017F;en Sie<lb/>
Schleiermachers Reden über die Religion und Marias Satiren.<lb/><hi rendition="#aq">Adio, Carissimo!</hi></p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>183. An <hi rendition="#g">Henriette Herz in Berlin.</hi><lb n="15"/>
</head>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 1. (?) Sept. 1801]</hi> </dateline><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Emanuel,</hi> mein Glaubensgeno&#x017F;&#x017F;e in höherm Sin als die R[eichs]-<lb/>
Ge&#x017F;eze es nehmen, [wil nach Berlin, der hohen Schule &#x017F;einer Reli-<note place="right"><ref target="1922_Bd4_115">[115]</ref></note><lb/>
gionsgeno&#x017F;&#x017F;en, rei&#x017F;en.] <hi rendition="#aq">Schleiermacher</hi> macht Predigten, die &#x017F;o gut<lb/>
&#x017F;ind, daß blos &#x017F;eine Reden noch 10 mal be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ind.<lb n="20"/>
</p>
      </div>
      <div type="letter" n="1">
        <head>184. An <hi rendition="#g">Renate Otto in Hof.</hi></head><lb/>
        <byline> <hi rendition="#left"><hi rendition="#aq">R.</hi> an <hi rendition="#aq">R.</hi></hi> </byline>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> Freitags [28.] Aug. 1801.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Liebe Renate! &#x2014; Nach die&#x017F;em &#x017F;chon vor 5 Tagen ge&#x017F;chriebenen<lb/>
Anfang fahr&#x2019; ich heute fort. Ein äffendes Schik&#x017F;al, das mit den Men-<lb/>
&#x017F;chen und Freuden zu karten &#x017F;cheint, gab gerade in der frohe&#x017F;ten Um-<lb n="25"/>
gebung meiner <hi rendition="#g">nie</hi> krank gewe&#x017F;enen Frau hy&#x017F;teri&#x017F;che Krämpfe und<lb/>
einen irrenden Arzt. Da ich endlich klüger wurde als die&#x017F;er: &#x017F;o wird<lb/>
der &#x017F;chwarze Berg immer niedriger, den mir der Teufel auf den<lb/>
&#x017F;chön&#x017F;ten Weg geworfen. Schon meiner &#x017F;ich nach <hi rendition="#aq">Hof</hi> &#x017F;ehnenden <hi rendition="#aq">C.</hi><lb/>
wegen hätt&#x2019; ich dahin den Rük- und Umweg genommen; aber nun<lb n="30"/>
hab&#x2019; ich wenig Hofnung zu die&#x017F;er Freude. Ich hätte Sie &#x017F;o gerne<lb/>
ge&#x017F;ehen und &#x2014; gezeigt.</p><lb/>
        <p>Ich wäre ganz im Himmel bei meinem <hi rendition="#aq">Emanuel,</hi> wenn der hy&#x017F;te-<lb/>
ri&#x017F;che Teufel nicht mit darin tobte. Ich lieb&#x2019; ihn nun zweimal, nämlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0107] Hier weis ich nicht mehr was ich von Ihrem Briefe zu beantworten habe. Ihr Urtheil über die Gräfin iſt vortreflich und — komiſch, da Sie es ihrem ältern Bekanten ſchicken; ich las eine kurze Topographie meines Zimmers, die mir der V[erfaſſer] ſandte, damit ich mich zu- rechtfände darin. — 5 Meine Arbeit und Luſt iſt jezt der 3te zu Oſtern kommende Titan, der vol ent- und verwickelnder Geſchichte iſt und deſſen Anhang ein Anhängſelgen wird und kaum. — J. P. hat keine frohe Ehe, ſondern die froheſte; alle ſeine Träume reichen nun durchs helle Tagslicht, und der Idealiſmus des Herzens iſt ein Realiſmus geworden. Ich kenne 10 nichts beſſers als das beſte Weib zu haben; ſogar die Poeſie zieht Zinſen davon. — Unendlich viel ſchreiben Sie mir, Lieber! Leſen Sie Schleiermachers Reden über die Religion und Marias Satiren. Adio, Carissimo! 183. An Henriette Herz in Berlin. 15 [Bayreuth, 1. (?) Sept. 1801] Emanuel, mein Glaubensgenoſſe in höherm Sin als die R[eichs]- Geſeze es nehmen, [wil nach Berlin, der hohen Schule ſeiner Reli- gionsgenoſſen, reiſen.] Schleiermacher macht Predigten, die ſo gut ſind, daß blos ſeine Reden noch 10 mal beſſer ſind. 20 [115]184. An Renate Otto in Hof. R. an R.Bayreuth Freitags [28.] Aug. 1801. Liebe Renate! — Nach dieſem ſchon vor 5 Tagen geſchriebenen Anfang fahr’ ich heute fort. Ein äffendes Schikſal, das mit den Men- ſchen und Freuden zu karten ſcheint, gab gerade in der froheſten Um- 25 gebung meiner nie krank geweſenen Frau hyſteriſche Krämpfe und einen irrenden Arzt. Da ich endlich klüger wurde als dieſer: ſo wird der ſchwarze Berg immer niedriger, den mir der Teufel auf den ſchönſten Weg geworfen. Schon meiner ſich nach Hof ſehnenden C. wegen hätt’ ich dahin den Rük- und Umweg genommen; aber nun 30 hab’ ich wenig Hofnung zu dieſer Freude. Ich hätte Sie ſo gerne geſehen und — gezeigt. Ich wäre ganz im Himmel bei meinem Emanuel, wenn der hyſte- riſche Teufel nicht mit darin tobte. Ich lieb’ ihn nun zweimal, nämlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/107
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/107>, abgerufen am 24.04.2024.