Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich habe dir 1000 Dinge zu melden und wolte dir den Brief erst mit
der nächsten Post schicken: es laufe aber das Exordium voraus. Lebt
alle recht froh zu Weihnachten!

N. S. Der eine Bogen des J. gehört an Wernlein, der andre an5
den weissen D. Joerdens.

N. S. sei so gut, frankiere den 1 Brief.

28. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
II. Blat.

Das vorige und die Briefe lagen schon vor 10 Tagen bereit und10
dein Bote versäumte das Abholen. Mitten im Wirbel und in der
Charybdis neuer Menschen oder eben darum sehn' ich mich ausser-
ordentlich über die Häuser hinaus zu dir. -- Die Berlepsch ist da. --
Gleich der "Reiheschank" (wo ein Haus ums andre das Bierzeichen
aushängt) hab' ich unter den Feiertagen einen Reihefras und soupiere15
mich von einem Tischtuch zum andern. -- Mahlman ist da: er ist viel
[29]weniger als sein Brief; mir scheint er weniger herschsüchtig und mehr
gefalsüchtig, ein empfindsamer Libertin in Gefühlen, und nicht für
höhere Zwecke des Ehrgeizes, der Alten und des Idealischen gemacht,
kurz ein veredelter Leipziger. Melzer hat ohne Vergleich mehr kräftige20
Mänlichkeit, Ausbildung, Scharfblik und Denkkraft: und ist ein ver-
edelter Berliner. Beide aber haben gewis irgend einmal andre Kräfte
verschwendet als geistige. Es ist fatal, daß jeder Teufel gerade mit mir
zu dir wil: und ich möchte doch allein kommen. --

Um 11 Uhr: das hatt' ich geschrieben, du Unsichtbarer, Unhörbarer25
und Stummer, als mir deine gute Sophie ihr liebliches Blat schikte
und mich in meiner Abwesenheit zu ihrem Gaste machte. Ich danke dir,
du danke ihr in meinem Namen und jezt wil ichs selber thun und
schreiben. Lebe recht wohl Guter!

29. An Buchhändler Heinsius in Gera.30

Lieber H. Heinsius! Ich danke Ihnen für Ihren lezten wohl-
wollenden Brief. Obgleich der zweite Titel den ersten, der meines


Ich habe dir 1000 Dinge zu melden und wolte dir den Brief erſt mit
der nächſten Poſt ſchicken: es laufe aber das Exordium voraus. Lebt
alle recht froh zu Weihnachten!

N. S. Der eine Bogen des J. gehört an Wernlein, der andre an5
den weiſſen D. Joerdens.

N. S. ſei ſo gut, frankiere den 1 Brief.

28. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
II. Blat.

Das vorige und die Briefe lagen ſchon vor 10 Tagen bereit und10
dein Bote verſäumte das Abholen. Mitten im Wirbel und in der
Charybdis neuer Menſchen oder eben darum ſehn’ ich mich auſſer-
ordentlich über die Häuſer hinaus zu dir. — Die Berlepsch iſt da. —
Gleich der „Reiheſchank“ (wo ein Haus ums andre das Bierzeichen
aushängt) hab’ ich unter den Feiertagen einen Reihefras und ſoupiere15
mich von einem Tiſchtuch zum andern. — Mahlman iſt da: er iſt viel
[29]weniger als ſein Brief; mir ſcheint er weniger herſchſüchtig und mehr
gefalſüchtig, ein empfindſamer Libertin in Gefühlen, und nicht für
höhere Zwecke des Ehrgeizes, der Alten und des Idealiſchen gemacht,
kurz ein veredelter Leipziger. Melzer hat ohne Vergleich mehr kräftige20
Mänlichkeit, Ausbildung, Scharfblik und Denkkraft: und iſt ein ver-
edelter Berliner. Beide aber haben gewis irgend einmal andre Kräfte
verſchwendet als geiſtige. Es iſt fatal, daß jeder Teufel gerade mit mir
zu dir wil: und ich möchte doch allein kommen. —

Um 11 Uhr: das hatt’ ich geſchrieben, du Unſichtbarer, Unhörbarer25
und Stummer, als mir deine gute Sophie ihr liebliches Blat ſchikte
und mich in meiner Abweſenheit zu ihrem Gaſte machte. Ich danke dir,
du danke ihr in meinem Namen und jezt wil ichs ſelber thun und
ſchreiben. Lebe recht wohl Guter!

29. An Buchhändler Heinſius in Gera.30

Lieber H. Heinſius! Ich danke Ihnen für Ihren lezten wohl-
wollenden Brief. Obgleich der zweite Titel den erſten, der meines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <pb facs="#f0032" n="26"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">d. 20 Dec.</hi> </hi> </dateline><lb/>
          <p>Ich habe dir 1000 Dinge zu melden und wolte dir den Brief er&#x017F;t mit<lb/>
der näch&#x017F;ten Po&#x017F;t &#x017F;chicken: es laufe aber das Exordium voraus. Lebt<lb/>
alle recht froh zu Weihnachten!</p><lb/>
          <postscript>
            <p>N. S. Der eine Bogen des J. gehört an Wernlein, der andre an<lb n="5"/>
den wei&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">D.</hi> Joerdens.</p>
          </postscript><lb/>
          <postscript>
            <p>N. S. &#x017F;ei &#x017F;o gut, frankiere den 1 Brief.</p>
          </postscript>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>28. An <hi rendition="#g">Friedrich von Oertel in Belgershain.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial"><hi rendition="#aq">II.</hi> Blat.</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Leipzig] d. 20 Dez. [1797]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Das vorige und die Briefe lagen &#x017F;chon vor 10 Tagen bereit und<lb n="10"/>
dein Bote ver&#x017F;äumte das Abholen. Mitten im Wirbel und in der<lb/>
Charybdis neuer Men&#x017F;chen oder eben darum &#x017F;ehn&#x2019; ich mich au&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
ordentlich über die Häu&#x017F;er hinaus zu dir. &#x2014; Die <hi rendition="#aq">Berlepsch</hi> i&#x017F;t da. &#x2014;<lb/>
Gleich der &#x201E;Reihe&#x017F;chank&#x201C; (wo ein Haus ums andre das Bierzeichen<lb/>
aushängt) hab&#x2019; ich unter den Feiertagen einen Reihefras und &#x017F;oupiere<lb n="15"/>
mich von einem Ti&#x017F;chtuch zum andern. &#x2014; Mahlman i&#x017F;t da: er i&#x017F;t viel<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd3_29">[29]</ref></note>weniger als &#x017F;ein Brief; mir &#x017F;cheint er weniger her&#x017F;ch&#x017F;üchtig und mehr<lb/>
gefal&#x017F;üchtig, ein empfind&#x017F;amer <hi rendition="#aq">Libertin</hi> in Gefühlen, und nicht für<lb/>
höhere Zwecke des Ehrgeizes, der Alten und des Ideali&#x017F;chen gemacht,<lb/>
kurz ein veredelter Leipziger. Melzer hat ohne Vergleich mehr kräftige<lb n="20"/>
Mänlichkeit, Ausbildung, Scharfblik und Denkkraft: und i&#x017F;t ein ver-<lb/>
edelter Berliner. Beide aber haben gewis irgend einmal andre Kräfte<lb/>
ver&#x017F;chwendet als gei&#x017F;tige. Es i&#x017F;t fatal, daß jeder Teufel gerade mit mir<lb/>
zu dir wil: und ich möchte doch allein kommen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Um 11 Uhr: das hatt&#x2019; ich ge&#x017F;chrieben, du Un&#x017F;ichtbarer, Unhörbarer<lb n="25"/>
und Stummer, als mir deine gute Sophie ihr liebliches Blat &#x017F;chikte<lb/>
und mich in meiner Abwe&#x017F;enheit zu ihrem Ga&#x017F;te machte. Ich danke dir,<lb/>
du danke ihr in meinem Namen und jezt wil ichs &#x017F;elber thun und<lb/>
&#x017F;chreiben. Lebe recht wohl Guter!</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>29. An <hi rendition="#g">Buchhändler Hein&#x017F;ius in Gera.</hi><lb n="30"/>
</head>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig d. 22 Dec.</hi> 97.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Lieber H. Hein&#x017F;ius! Ich danke Ihnen für Ihren lezten wohl-<lb/>
wollenden Brief. Obgleich der zweite Titel den er&#x017F;ten, der meines<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0032] d. 20 Dec. Ich habe dir 1000 Dinge zu melden und wolte dir den Brief erſt mit der nächſten Poſt ſchicken: es laufe aber das Exordium voraus. Lebt alle recht froh zu Weihnachten! N. S. Der eine Bogen des J. gehört an Wernlein, der andre an 5 den weiſſen D. Joerdens. N. S. ſei ſo gut, frankiere den 1 Brief. 28. An Friedrich von Oertel in Belgershain. [Leipzig] d. 20 Dez. [1797] Das vorige und die Briefe lagen ſchon vor 10 Tagen bereit und 10 dein Bote verſäumte das Abholen. Mitten im Wirbel und in der Charybdis neuer Menſchen oder eben darum ſehn’ ich mich auſſer- ordentlich über die Häuſer hinaus zu dir. — Die Berlepsch iſt da. — Gleich der „Reiheſchank“ (wo ein Haus ums andre das Bierzeichen aushängt) hab’ ich unter den Feiertagen einen Reihefras und ſoupiere 15 mich von einem Tiſchtuch zum andern. — Mahlman iſt da: er iſt viel weniger als ſein Brief; mir ſcheint er weniger herſchſüchtig und mehr gefalſüchtig, ein empfindſamer Libertin in Gefühlen, und nicht für höhere Zwecke des Ehrgeizes, der Alten und des Idealiſchen gemacht, kurz ein veredelter Leipziger. Melzer hat ohne Vergleich mehr kräftige 20 Mänlichkeit, Ausbildung, Scharfblik und Denkkraft: und iſt ein ver- edelter Berliner. Beide aber haben gewis irgend einmal andre Kräfte verſchwendet als geiſtige. Es iſt fatal, daß jeder Teufel gerade mit mir zu dir wil: und ich möchte doch allein kommen. — [29] Um 11 Uhr: das hatt’ ich geſchrieben, du Unſichtbarer, Unhörbarer 25 und Stummer, als mir deine gute Sophie ihr liebliches Blat ſchikte und mich in meiner Abweſenheit zu ihrem Gaſte machte. Ich danke dir, du danke ihr in meinem Namen und jezt wil ichs ſelber thun und ſchreiben. Lebe recht wohl Guter! 29. An Buchhändler Heinſius in Gera. 30 Leipzig d. 22 Dec. 97. Lieber H. Heinſius! Ich danke Ihnen für Ihren lezten wohl- wollenden Brief. Obgleich der zweite Titel den erſten, der meines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/32
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/32>, abgerufen am 29.03.2024.