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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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dem elysisch blühenden, wo ich wieder an deine Seele komme -- wo
der Frühling um uns glänzt und das Auge trunken überschwilt.

[22]23. An Renate Otto.

Entzükt blikt' ich den geliebten Wiederschein unsers vorigen5
Frühlingroths, geliebte Renate, an. Alle Sonnen, die um mich auf-
gehen, werfen Stralen auf Ihre Gestalt, und Wärme in mein Herz.
Du Gestalt aus meiner vorigen einsamern Zeit, wie könt' ich dich
vergessen? Lagst du nicht so nahe an meiner Seele? Hatten wir nicht
einen freudentrunknen Frühling, der in keinem Kalender und in wenigen10
Herzen steht? O wenn ich wieder zurükkomme, so sol dieser Frühling
wiederkehren -- wie werden wir uns lieben! Kurz, aber unendlich, und
in Augenblicken vol Ewigkeit! --

Die historischen Kleinigkeiten meines Lebens lassen Sie sich von
Otto erzählen, weil ich sie nie mehr als einmal erzähle. Ich bin un-15
erwartet glüklich und werd' es immer mehr.

In Ihrem Briefe ist das ganze Herz, was ich so achte und liebe -- ach
es verliert viel Blut und hat zu viele Wunden, aber es wird davon
nicht kleiner. Sei ferner so fest, die Vorsehung hat noch keinen Ge-
duldigen
verlassen, noch keinen. --20

Oertels Frau finden Ahlefeld, er und ich Ihnen in der Liebe und im
Frohsin ähnlich, obgleich Ihre Gestalt schöner ist. Oe. schrieb mir es
schon nach Hof, daß sie Ihnen so schön gliche!

Lebe wohl, du meine Unvergesliche, grüsse meinen Freund Christoph
herzlich und drücke meine Paulline für mich an dich! Lebe wohl und25
schreibe, sobald du kanst!

Richter
24. An Christian Otto.

Dieses Blat, lieber Christian, sol nichts enthalten als was meinen30
Biographien zu oft fehlt, Geschichte: sie wächst mir sonst über den
Kopf oder kömt mir aus demselben.

Platner kam mir ohne die Heiligenglorie, die der Jüngling ihm
gegeben, vor. Er ist lustig, äusserst eitel, erbosset gegen die Kantianer

dem elyſiſch blühenden, wo ich wieder an deine Seele komme — wo
der Frühling um uns glänzt und das Auge trunken überſchwilt.

[22]23. An Renate Otto.

Entzükt blikt’ ich den geliebten Wiederſchein unſers vorigen5
Frühlingroths, geliebte Renate, an. Alle Sonnen, die um mich auf-
gehen, werfen Stralen auf Ihre Geſtalt, und Wärme in mein Herz.
Du Geſtalt aus meiner vorigen einſamern Zeit, wie könt’ ich dich
vergeſſen? Lagſt du nicht ſo nahe an meiner Seele? Hatten wir nicht
einen freudentrunknen Frühling, der in keinem Kalender und in wenigen10
Herzen ſteht? O wenn ich wieder zurükkomme, ſo ſol dieſer Frühling
wiederkehren — wie werden wir uns lieben! Kurz, aber unendlich, und
in Augenblicken vol Ewigkeit! —

Die hiſtoriſchen Kleinigkeiten meines Lebens laſſen Sie ſich von
Otto erzählen, weil ich ſie nie mehr als einmal erzähle. Ich bin un-15
erwartet glüklich und werd’ es immer mehr.

In Ihrem Briefe iſt das ganze Herz, was ich ſo achte und liebe — ach
es verliert viel Blut und hat zu viele Wunden, aber es wird davon
nicht kleiner. Sei ferner ſo feſt, die Vorſehung hat noch keinen Ge-
duldigen
verlaſſen, noch keinen. —20

Oertels Frau finden Ahlefeld, er und ich Ihnen in der Liebe und im
Frohſin ähnlich, obgleich Ihre Geſtalt ſchöner iſt. Oe. ſchrieb mir es
ſchon nach Hof, daß ſie Ihnen ſo ſchön gliche!

Lebe wohl, du meine Unvergesliche, grüſſe meinen Freund Chriſtoph
herzlich und drücke meine Paulline für mich an dich! Lebe wohl und25
ſchreibe, ſobald du kanſt!

Richter
24. An Chriſtian Otto.

Dieſes Blat, lieber Chriſtian, ſol nichts enthalten als was meinen30
Biographien zu oft fehlt, Geſchichte: ſie wächſt mir ſonſt über den
Kopf oder kömt mir aus demſelben.

Platner kam mir ohne die Heiligenglorie, die der Jüngling ihm
gegeben, vor. Er iſt luſtig, äuſſerſt eitel, erboſſet gegen die Kantianer

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[20/0026] dem elyſiſch blühenden, wo ich wieder an deine Seele komme — wo der Frühling um uns glänzt und das Auge trunken überſchwilt. 23. An Renate Otto. Leipzig d. 5 Dec. 97. Entzükt blikt’ ich den geliebten Wiederſchein unſers vorigen 5 Frühlingroths, geliebte Renate, an. Alle Sonnen, die um mich auf- gehen, werfen Stralen auf Ihre Geſtalt, und Wärme in mein Herz. Du Geſtalt aus meiner vorigen einſamern Zeit, wie könt’ ich dich vergeſſen? Lagſt du nicht ſo nahe an meiner Seele? Hatten wir nicht einen freudentrunknen Frühling, der in keinem Kalender und in wenigen 10 Herzen ſteht? O wenn ich wieder zurükkomme, ſo ſol dieſer Frühling wiederkehren — wie werden wir uns lieben! Kurz, aber unendlich, und in Augenblicken vol Ewigkeit! — Die hiſtoriſchen Kleinigkeiten meines Lebens laſſen Sie ſich von Otto erzählen, weil ich ſie nie mehr als einmal erzähle. Ich bin un- 15 erwartet glüklich und werd’ es immer mehr. In Ihrem Briefe iſt das ganze Herz, was ich ſo achte und liebe — ach es verliert viel Blut und hat zu viele Wunden, aber es wird davon nicht kleiner. Sei ferner ſo feſt, die Vorſehung hat noch keinen Ge- duldigen verlaſſen, noch keinen. — 20 Oertels Frau finden Ahlefeld, er und ich Ihnen in der Liebe und im Frohſin ähnlich, obgleich Ihre Geſtalt ſchöner iſt. Oe. ſchrieb mir es ſchon nach Hof, daß ſie Ihnen ſo ſchön gliche! Lebe wohl, du meine Unvergesliche, grüſſe meinen Freund Chriſtoph herzlich und drücke meine Paulline für mich an dich! Lebe wohl und 25 ſchreibe, ſobald du kanſt! Richter 24. An Chriſtian Otto. Leipzig d. 5. Dec. 97. Dieſes Blat, lieber Chriſtian, ſol nichts enthalten als was meinen 30 Biographien zu oft fehlt, Geſchichte: ſie wächſt mir ſonſt über den Kopf oder kömt mir aus demſelben. Platner kam mir ohne die Heiligenglorie, die der Jüngling ihm gegeben, vor. Er iſt luſtig, äuſſerſt eitel, erboſſet gegen die Kantianer

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/26>, abgerufen am 29.03.2024.