Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite
[13]14. An Karoline Herold.
[Kopie]

-- daß Sie ein Herz mehr an Ihrem bekommen. -- Ach frage nur die, die
keine Eltern mehr haben, wie gern man ihnen vergäbe und wie man
sie liebte, wenn sie nicht unter uns lägen. Ach alles giebt die Zukunft5
zurük, aber nicht das elterliche Herz, das so ewig warm für uns gesorget
hat. Im Auge des verwaiseten Kindes steht eine ewige Thräne und
die Erde troknet sie nicht ab.

15. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
10

Auf deinen doppelt- (ästhetisch und moralisch) schönen Brief bring'
ich dir am ersten hellen kalten Tage die mündliche Antwort. Dein
Bote kam früher als ich dachte. Hier ist der Fund der Eile. -- Ich
werde immer froher hier und doch bedarf ich Belgershain immer
mehr. -- Ich komme nachmittags und gehe vormittags. -- LebeT[!]15
seelig! --

R.

Noch immer find ich hier alles klein, sogar die Fehler; und im Innern
so wenig Erhabenes als in der äussern Ebene, den artistischen Berg
über dem Stadtgraben ausgenommen. -- Ach! ich habe den Don
Juan
gehört -- und danke dir für deinen lobenden Klavierauszug20
davon wie Mozart für die Partitur.

16. An Christian Otto.

Lieber Otto! Dein Brief gab mir zwar stosweise kleine Schauer,
aber es ist gut, daß du mir das ganze Gewebe deiner Irthümer zum25
Zerreissen vorgelegt: mögest du dir künftig keine Fäden mehr weben,
die in dich einschneiden. Wie hast du mich misverstanden, obwohl
immer aus Liebe! Mir thut nichts in deinem Briefe weh als dein
Schmerz.

Ich wil jezt jeden Einwand gegen mich in deinem Brief durchgehen30
zum Zugeben oder zum Widerlegen: dieses Mittel giebt doch der an-
dringenden Fülle meines Innern einen geraden Weg.

[14]"R. schien mir angegriffen von Ruhm nicht ganz Er selbst geblieben
"zu sein etc." Ich dachte oft, manche werden das voraussezen und es

[13]14. An Karoline Herold.
[Kopie]

— daß Sie ein Herz mehr an Ihrem bekommen. — Ach frage nur die, die
keine Eltern mehr haben, wie gern man ihnen vergäbe und wie man
ſie liebte, wenn ſie nicht unter uns lägen. Ach alles giebt die Zukunft5
zurük, aber nicht das elterliche Herz, das ſo ewig warm für uns geſorget
hat. Im Auge des verwaiſeten Kindes ſteht eine ewige Thräne und
die Erde troknet ſie nicht ab.

15. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
10

Auf deinen doppelt- (äſthetiſch und moraliſch) ſchönen Brief bring’
ich dir am erſten hellen kalten Tage die mündliche Antwort. Dein
Bote kam früher als ich dachte. Hier iſt der Fund der Eile. — Ich
werde immer froher hier und doch bedarf ich Belgershain immer
mehr. — Ich komme nachmittags und gehe vormittags. — LebeT[!]15
ſeelig! —

R.

Noch immer find ich hier alles klein, ſogar die Fehler; und im Innern
ſo wenig Erhabenes als in der äuſſern Ebene, den artiſtiſchen Berg
über dem Stadtgraben ausgenommen. — Ach! ich habe den Don
Juan
gehört — und danke dir für deinen lobenden Klavierauszug20
davon wie Mozart für die Partitur.

16. An Chriſtian Otto.

Lieber Otto! Dein Brief gab mir zwar ſtosweiſe kleine Schauer,
aber es iſt gut, daß du mir das ganze Gewebe deiner Irthümer zum25
Zerreiſſen vorgelegt: mögeſt du dir künftig keine Fäden mehr weben,
die in dich einſchneiden. Wie haſt du mich misverſtanden, obwohl
immer aus Liebe! Mir thut nichts in deinem Briefe weh als dein
Schmerz.

Ich wil jezt jeden Einwand gegen mich in deinem Brief durchgehen30
zum Zugeben oder zum Widerlegen: dieſes Mittel giebt doch der an-
dringenden Fülle meines Innern einen geraden Weg.

[14]„R. ſchien mir angegriffen von Ruhm nicht ganz Er ſelbſt geblieben
„zu ſein ꝛc.“ Ich dachte oft, manche werden das vorausſezen und es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0017" n="12"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head><note place="left"><ref target="1922_Bd3_13">[13]</ref></note>14. An <hi rendition="#g">Karoline Herold.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Leipzig, 25. Nov. 1797]</hi> </dateline><lb/>
        <p>&#x2014; daß Sie ein Herz mehr an Ihrem bekommen. &#x2014; Ach frage nur die, die<lb/>
keine Eltern mehr haben, wie gern man ihnen vergäbe und wie man<lb/>
&#x017F;ie liebte, wenn &#x017F;ie nicht unter uns lägen. Ach alles giebt die Zukunft<lb n="5"/>
zurük, aber nicht das elterliche Herz, das &#x017F;o ewig warm für uns ge&#x017F;orget<lb/>
hat. Im Auge des verwai&#x017F;eten Kindes &#x017F;teht eine ewige Thräne und<lb/>
die Erde troknet &#x017F;ie nicht ab.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>15. An <hi rendition="#g">Friedrich von Oertel in Belgershain.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Leipzig, 25. (?) Nov. 1797]</hi> </dateline>
        <lb n="10"/>
        <p>Auf deinen doppelt- (ä&#x017F;theti&#x017F;ch und morali&#x017F;ch) &#x017F;chönen Brief bring&#x2019;<lb/>
ich dir am er&#x017F;ten hellen kalten Tage die mündliche Antwort. Dein<lb/>
Bote kam früher als ich dachte. Hier i&#x017F;t der Fund der Eile. &#x2014; Ich<lb/>
werde immer froher hier und doch bedarf ich Belgershain immer<lb/>
mehr. &#x2014; Ich komme nachmittags und gehe vormittags. &#x2014; LebeT[!]<lb n="15"/>
&#x017F;eelig! &#x2014;</p>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#sameLine"> <hi rendition="#right">R.</hi> </hi> </salute>
        </closer><lb/>
        <postscript>
          <p>Noch immer find ich hier alles klein, &#x017F;ogar die Fehler; und im Innern<lb/>
&#x017F;o wenig Erhabenes als in der äu&#x017F;&#x017F;ern Ebene, den arti&#x017F;ti&#x017F;chen Berg<lb/>
über dem Stadtgraben ausgenommen. &#x2014; Ach! ich habe den <hi rendition="#aq">Don<lb/>
Juan</hi> gehört &#x2014; und danke dir für deinen lobenden Klavierauszug<lb n="20"/>
davon wie Mozart für die Partitur.</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>16. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> d. 28 Nov. 97.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Lieber Otto! Dein Brief gab mir zwar &#x017F;toswei&#x017F;e kleine Schauer,<lb/>
aber es i&#x017F;t gut, daß du mir das ganze Gewebe deiner Irthümer zum<lb n="25"/>
Zerrei&#x017F;&#x017F;en vorgelegt: möge&#x017F;t du dir künftig keine Fäden mehr weben,<lb/>
die in dich ein&#x017F;chneiden. Wie ha&#x017F;t du mich misver&#x017F;tanden, obwohl<lb/>
immer aus Liebe! Mir thut nichts in deinem Briefe weh als dein<lb/>
Schmerz.</p><lb/>
        <p>Ich wil jezt <hi rendition="#g">jeden</hi> Einwand gegen mich in deinem Brief durchgehen<lb n="30"/>
zum Zugeben oder zum Widerlegen: die&#x017F;es Mittel giebt doch der an-<lb/>
dringenden Fülle meines Innern einen geraden Weg.</p><lb/>
        <p><note place="left"><ref target="1922_Bd3_14">[14]</ref></note>&#x201E;R. &#x017F;chien mir angegriffen von Ruhm nicht ganz Er &#x017F;elb&#x017F;t geblieben<lb/>
&#x201E;zu &#x017F;ein &#xA75B;c.&#x201C; Ich dachte oft, manche werden das voraus&#x017F;ezen und es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0017] 14. An Karoline Herold. [Leipzig, 25. Nov. 1797] — daß Sie ein Herz mehr an Ihrem bekommen. — Ach frage nur die, die keine Eltern mehr haben, wie gern man ihnen vergäbe und wie man ſie liebte, wenn ſie nicht unter uns lägen. Ach alles giebt die Zukunft 5 zurük, aber nicht das elterliche Herz, das ſo ewig warm für uns geſorget hat. Im Auge des verwaiſeten Kindes ſteht eine ewige Thräne und die Erde troknet ſie nicht ab. 15. An Friedrich von Oertel in Belgershain. [Leipzig, 25. (?) Nov. 1797] 10 Auf deinen doppelt- (äſthetiſch und moraliſch) ſchönen Brief bring’ ich dir am erſten hellen kalten Tage die mündliche Antwort. Dein Bote kam früher als ich dachte. Hier iſt der Fund der Eile. — Ich werde immer froher hier und doch bedarf ich Belgershain immer mehr. — Ich komme nachmittags und gehe vormittags. — LebeT[!] 15 ſeelig! — R. Noch immer find ich hier alles klein, ſogar die Fehler; und im Innern ſo wenig Erhabenes als in der äuſſern Ebene, den artiſtiſchen Berg über dem Stadtgraben ausgenommen. — Ach! ich habe den Don Juan gehört — und danke dir für deinen lobenden Klavierauszug 20 davon wie Mozart für die Partitur. 16. An Chriſtian Otto. Leipzig d. 28 Nov. 97. Lieber Otto! Dein Brief gab mir zwar ſtosweiſe kleine Schauer, aber es iſt gut, daß du mir das ganze Gewebe deiner Irthümer zum 25 Zerreiſſen vorgelegt: mögeſt du dir künftig keine Fäden mehr weben, die in dich einſchneiden. Wie haſt du mich misverſtanden, obwohl immer aus Liebe! Mir thut nichts in deinem Briefe weh als dein Schmerz. Ich wil jezt jeden Einwand gegen mich in deinem Brief durchgehen 30 zum Zugeben oder zum Widerlegen: dieſes Mittel giebt doch der an- dringenden Fülle meines Innern einen geraden Weg. „R. ſchien mir angegriffen von Ruhm nicht ganz Er ſelbſt geblieben „zu ſein ꝛc.“ Ich dachte oft, manche werden das vorausſezen und es [14]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/17
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/17>, abgerufen am 28.03.2024.