Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

Bild:
<< vorherige Seite

Schleiern umwickelt, daß der beste Schleier ist, keinen vorzuhängen und
daß verstelte leichter zu errathen sind als offenherzige. Wie schön,
mein Theuerer, ist unser dreifacher Freundschaftsbund, der eng ist, ob
gleich das Band durch drei Städte laufen mus! -- Ich bin unordent-
lich und eilig; ich wolte dir noch von vielem sagen, von ihrem Berenizens5
Haar, von ihrem biedern wohlwollenden Gatten -- aber in mir
klinget jezt ein trauriger Ton aus ihrem Munde nach und macht mich
traurig. Nie müsse diese schöne Stimme, der die Klage so schön steht,
eine führen, und ihr Auge möge nie die Thräne sondern blos der
Schleier verdunkeln! Und du, mein Freund, thue das Schönste, was10
du auf der Erde thun kanst, und nim von einem Herzen, das so viele
Qualen schon gedrücket haben, die schwerste weg, die Sorge um dich
und mache sie glüklich, indem du es wirst.

Dein Freund
Richter
15
[190]313. An Emanuel.

Mein Lieber,

Gehöret das nicht unter die kleinen Träume unsers grossen Traums,
daß ich gestern Vormittags nach Bayreuth gekommen und heute noch20
nicht bei Ihnen gewesen bin -- und leider auch nicht sein werde? --
Ich habe Elrodt belogen, ich habe mich belogen, blos um einer Frau
das Wort zu halten. Mit einem Wort die Frau v. Kropf hat mich nach
Bayreuth hergeschrieben, fuhr mir Donnerstags, wo ich kommen
wolte, bis Bernek entgegen, machte mich gestern 2 Stunden in ihrem25
Wagen und [von] 3 Uhr bis 11 Abends in ihrer Stube fest und legt
mich heute wieder vom 12 Uhr Essen an bis ich weis nicht wie lange,
an ihre Perlenschnur. Morgen geht sie nach Kulmbach -- und dan
heb' ich meine Flügel in die Höhe. Nicht einmal Vormittag kan ich
Sie sehen, da [ich] seit einer Stunde bis zum Anziehen Briefe schmieren30
mus. Mein guter Emanuel, entschuldigen Sie diese Anomalie mit
der Nachsicht der Freundschaft und thun Sie es auch bei meinem
Freund Schäfer -- Ich weis aber, Sie werden beide etwas [anders]
thun als mich entschuldigen -- mich auslachen, wie wol ich bin

Ihr Freund35
Richter.

Schleiern umwickelt, daß der beſte Schleier iſt, keinen vorzuhängen und
daß verſtelte leichter zu errathen ſind als offenherzige. Wie ſchön,
mein Theuerer, iſt unſer dreifacher Freundſchaftsbund, der eng iſt, ob
gleich das Band durch drei Städte laufen mus! — Ich bin unordent-
lich und eilig; ich wolte dir noch von vielem ſagen, von ihrem Berenizens5
Haar, von ihrem biedern wohlwollenden Gatten — aber in mir
klinget jezt ein trauriger Ton aus ihrem Munde nach und macht mich
traurig. Nie müſſe dieſe ſchöne Stimme, der die Klage ſo ſchön ſteht,
eine führen, und ihr Auge möge nie die Thräne ſondern blos der
Schleier verdunkeln! Und du, mein Freund, thue das Schönſte, was10
du auf der Erde thun kanſt, und nim von einem Herzen, das ſo viele
Qualen ſchon gedrücket haben, die ſchwerſte weg, die Sorge um dich
und mache ſie glüklich, indem du es wirſt.

Dein Freund
Richter
15
[190]313. An Emanuel.

Mein Lieber,

Gehöret das nicht unter die kleinen Träume unſers groſſen Traums,
daß ich geſtern Vormittags nach Bayreuth gekommen und heute noch20
nicht bei Ihnen geweſen bin — und leider auch nicht ſein werde? —
Ich habe Elrodt belogen, ich habe mich belogen, blos um einer Frau
das Wort zu halten. Mit einem Wort die Frau v. Kropf hat mich nach
Bayreuth hergeſchrieben, fuhr mir Donnerſtags, wo ich kommen
wolte, bis Bernek entgegen, machte mich geſtern 2 Stunden in ihrem25
Wagen und [von] 3 Uhr bis 11 Abends in ihrer Stube feſt und legt
mich heute wieder vom 12 Uhr Eſſen an bis ich weis nicht wie lange,
an ihre Perlenſchnur. Morgen geht ſie nach Kulmbach — und dan
heb’ ich meine Flügel in die Höhe. Nicht einmal Vormittag kan ich
Sie ſehen, da [ich] ſeit einer Stunde bis zum Anziehen Briefe ſchmieren30
mus. Mein guter Emanuel, entſchuldigen Sie dieſe Anomalie mit
der Nachſicht der Freundſchaft und thun Sie es auch bei meinem
Freund Schäfer — Ich weis aber, Sie werden beide etwas [anders]
thun als mich entſchuldigen — mich auslachen, wie wol ich bin

Ihr Freund35
Richter.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0205" n="192"/>
Schleiern umwickelt, daß der be&#x017F;te Schleier i&#x017F;t, keinen vorzuhängen und<lb/>
daß ver&#x017F;telte leichter zu errathen &#x017F;ind als offenherzige. Wie &#x017F;chön,<lb/>
mein Theuerer, i&#x017F;t un&#x017F;er dreifacher Freund&#x017F;chaftsbund, der eng i&#x017F;t, ob<lb/>
gleich das Band durch drei Städte laufen mus! &#x2014; Ich bin unordent-<lb/>
lich und eilig; ich wolte dir noch von vielem &#x017F;agen, von ihrem Berenizens<lb n="5"/>
Haar, von ihrem biedern wohlwollenden Gatten &#x2014; aber in mir<lb/>
klinget jezt ein trauriger Ton aus ihrem Munde nach und macht mich<lb/>
traurig. Nie mü&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;e &#x017F;chöne Stimme, der die Klage &#x017F;o &#x017F;chön &#x017F;teht,<lb/>
eine führen, und ihr Auge möge nie die Thräne &#x017F;ondern blos der<lb/>
Schleier verdunkeln! Und du, mein Freund, thue das Schön&#x017F;te, was<lb n="10"/>
du auf der Erde thun kan&#x017F;t, und nim von einem Herzen, das &#x017F;o viele<lb/>
Qualen &#x017F;chon gedrücket haben, die &#x017F;chwer&#x017F;te weg, die Sorge um dich<lb/>
und mache &#x017F;ie glüklich, indem du es wir&#x017F;t.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">Dein Freund<lb/>
Richter</hi> <lb n="15"/>
            </salute>
          </closer>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head><note place="left"><ref target="1922_Bd2_190">[190]</ref></note>313. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> d. 15 Mai 96 [Pfing&#x017F;t&#x017F;onntag].</hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Mein Lieber,</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Gehöret das nicht unter die kleinen Träume un&#x017F;ers gro&#x017F;&#x017F;en Traums,<lb/>
daß ich ge&#x017F;tern Vormittags nach Bayreuth gekommen und heute noch<lb n="20"/>
nicht bei Ihnen gewe&#x017F;en bin &#x2014; und leider auch nicht &#x017F;ein werde? &#x2014;<lb/>
Ich habe <hi rendition="#aq">Elrodt</hi> belogen, ich habe mich belogen, blos um einer Frau<lb/>
das Wort zu halten. Mit einem Wort die Frau v. Kropf hat mich nach<lb/><hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> herge&#x017F;chrieben, fuhr mir Donner&#x017F;tags, wo ich kommen<lb/>
wolte, bis Bernek entgegen, machte mich ge&#x017F;tern 2 Stunden in ihrem<lb n="25"/>
Wagen und [von] 3 Uhr bis 11 Abends in ihrer Stube fe&#x017F;t und legt<lb/>
mich heute wieder vom 12 Uhr E&#x017F;&#x017F;en an bis ich weis nicht wie lange,<lb/>
an ihre Perlen&#x017F;chnur. Morgen geht &#x017F;ie nach Kulmbach &#x2014; und dan<lb/>
heb&#x2019; ich meine Flügel in die Höhe. Nicht einmal Vormittag kan ich<lb/>
Sie &#x017F;ehen, da [ich] &#x017F;eit einer Stunde bis zum Anziehen Briefe &#x017F;chmieren<lb n="30"/>
mus. Mein guter Emanuel, ent&#x017F;chuldigen Sie die&#x017F;e Anomalie mit<lb/>
der Nach&#x017F;icht der Freund&#x017F;chaft und thun Sie es auch bei meinem<lb/>
Freund Schäfer &#x2014; Ich weis aber, Sie werden beide etwas [anders]<lb/>
thun als mich ent&#x017F;chuldigen &#x2014; mich auslachen, wie wol ich bin</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Ihr Freund<lb n="35"/>
Richter.</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0205] Schleiern umwickelt, daß der beſte Schleier iſt, keinen vorzuhängen und daß verſtelte leichter zu errathen ſind als offenherzige. Wie ſchön, mein Theuerer, iſt unſer dreifacher Freundſchaftsbund, der eng iſt, ob gleich das Band durch drei Städte laufen mus! — Ich bin unordent- lich und eilig; ich wolte dir noch von vielem ſagen, von ihrem Berenizens 5 Haar, von ihrem biedern wohlwollenden Gatten — aber in mir klinget jezt ein trauriger Ton aus ihrem Munde nach und macht mich traurig. Nie müſſe dieſe ſchöne Stimme, der die Klage ſo ſchön ſteht, eine führen, und ihr Auge möge nie die Thräne ſondern blos der Schleier verdunkeln! Und du, mein Freund, thue das Schönſte, was 10 du auf der Erde thun kanſt, und nim von einem Herzen, das ſo viele Qualen ſchon gedrücket haben, die ſchwerſte weg, die Sorge um dich und mache ſie glüklich, indem du es wirſt. Dein Freund Richter 15 313. An Emanuel. Bayreuth d. 15 Mai 96 [Pfingſtſonntag]. Mein Lieber, Gehöret das nicht unter die kleinen Träume unſers groſſen Traums, daß ich geſtern Vormittags nach Bayreuth gekommen und heute noch 20 nicht bei Ihnen geweſen bin — und leider auch nicht ſein werde? — Ich habe Elrodt belogen, ich habe mich belogen, blos um einer Frau das Wort zu halten. Mit einem Wort die Frau v. Kropf hat mich nach Bayreuth hergeſchrieben, fuhr mir Donnerſtags, wo ich kommen wolte, bis Bernek entgegen, machte mich geſtern 2 Stunden in ihrem 25 Wagen und [von] 3 Uhr bis 11 Abends in ihrer Stube feſt und legt mich heute wieder vom 12 Uhr Eſſen an bis ich weis nicht wie lange, an ihre Perlenſchnur. Morgen geht ſie nach Kulmbach — und dan heb’ ich meine Flügel in die Höhe. Nicht einmal Vormittag kan ich Sie ſehen, da [ich] ſeit einer Stunde bis zum Anziehen Briefe ſchmieren 30 mus. Mein guter Emanuel, entſchuldigen Sie dieſe Anomalie mit der Nachſicht der Freundſchaft und thun Sie es auch bei meinem Freund Schäfer — Ich weis aber, Sie werden beide etwas [anders] thun als mich entſchuldigen — mich auslachen, wie wol ich bin Ihr Freund 35 Richter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/205
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/205>, abgerufen am 19.04.2024.