Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

Bild:
<< vorherige Seite
275. An Christian Otto.

Ich danke dir für die Marschroute: mögest du und das Schiksal
mich nicht in diesen 1 Apr. schicken. Das mit den 2 Mägden hätt' ich
ohnedas gesagt. Ich frage noch heute und steck' einen pr. Thaler ein,5
der noch immer als mein Repräsentant beim Hanikel [?] zur Miethe
sizt. Kluge Leute legen ein breites Papier vor sich zum Billet und
schneiden dan den folgenden leeren Raum ungesehen ab.

N. S. Gestern schlief ich nach dem Wein, und schrieb nach dem
Schlaf bis 83/4 Uhr und schlief bis heute.10

276. An Emanuel.[168]

Mein Emanuel,

Ich kan Ihnen kein Stilschweigen vorwerfen, weil ich sonst erst
meines retten müste. Mir ist als säh' ich Ihr Angesicht erst durch15
30 Schleier von Monaten oder Meilen. Ich sehne mich recht nach
einer Zeile von Ihnen. Ich habe beinahe jezt nichts in der Hand als die
Feder: in 4 Wochen bekommen Sie wieder ein Buch betitelt: "Jean
Paul'
s biographische Belustigungen unter der Gehirnschaale einer
Riesin." -- Nach der Volendung der Blumenstücke und der Be-20
lustigungen sol mein Seelenschabbes kommen und ich wil weniger und
blos an meinem Haupt-Werke: der Titan, auf das ich meine halbe
Seele aufspare, arbeiten. Aber ich kan mich kaum zwingen, 1 Tag
Ferien zu halten: es überfält mich eine drängende Bruthize und ich mus
wieder über meine Eier.25

Die Bayreuther Hosen lehrten mich zum erstenmale, daß es --
schlechte giebt: nämlich alle meine vorigen taugten nichts, aber ich
wust' es nicht bis ich die besten anzog. Der Schneider sol seinen
Triumphbogen gar ausbauen, nämlich die Weste und das Kleid noch:
ich bitte Sie -- indem ich Ihnen recht sehr für die vergangne und30
künftige Mühe danke -- mir einige Muster von feinen Tüchern
(rothe und schwarze nicht) und von seidnen Westen Zeugen zur Wahl
zu senden.

Otto schikt Ihnen in einigen Tagen einen Brief. Bitten Sie doch
H. Ellrodt, daß er mich nur mit fünf Zeilen überführt, daß er noch35
-- ist. Ihr lieben Bayreuther vergesset mich ja ganz! Ihre Briefe

275. An Chriſtian Otto.

Ich danke dir für die Marſchroute: mögeſt du und das Schikſal
mich nicht in dieſen 1 Apr. ſchicken. Das mit den 2 Mägden hätt’ ich
ohnedas geſagt. Ich frage noch heute und ſteck’ einen pr. Thaler ein,5
der noch immer als mein Repräſentant beim Hanikel [?] zur Miethe
ſizt. Kluge Leute legen ein breites Papier vor ſich zum Billet und
ſchneiden dan den folgenden leeren Raum ungeſehen ab.

N. S. Geſtern ſchlief ich nach dem Wein, und ſchrieb nach dem
Schlaf bis 8¾ Uhr und ſchlief bis heute.10

276. An Emanuel.[168]

Mein Emanuel,

Ich kan Ihnen kein Stilſchweigen vorwerfen, weil ich ſonſt erſt
meines retten müſte. Mir iſt als ſäh’ ich Ihr Angeſicht erſt durch15
30 Schleier von Monaten oder Meilen. Ich ſehne mich recht nach
einer Zeile von Ihnen. Ich habe beinahe jezt nichts in der Hand als die
Feder: in 4 Wochen bekommen Sie wieder ein Buch betitelt: „Jean
Paul’
s biographiſche Beluſtigungen unter der Gehirnſchaale einer
Rieſin.“ — Nach der Volendung der Blumenſtücke und der Be-20
luſtigungen ſol mein Seelenſchabbes kommen und ich wil weniger und
blos an meinem Haupt-Werke: der Titan, auf das ich meine halbe
Seele aufſpare, arbeiten. Aber ich kan mich kaum zwingen, 1 Tag
Ferien zu halten: es überfält mich eine drängende Bruthize und ich mus
wieder über meine Eier.25

Die Bayreuther Hoſen lehrten mich zum erſtenmale, daß es —
ſchlechte giebt: nämlich alle meine vorigen taugten nichts, aber ich
wuſt’ es nicht bis ich die beſten anzog. Der Schneider ſol ſeinen
Triumphbogen gar ausbauen, nämlich die Weſte und das Kleid noch:
ich bitte Sie — indem ich Ihnen recht ſehr für die vergangne und30
künftige Mühe danke — mir einige Muſter von feinen Tüchern
(rothe und ſchwarze nicht) und von ſeidnen Weſten Zeugen zur Wahl
zu ſenden.

Otto ſchikt Ihnen in einigen Tagen einen Brief. Bitten Sie doch
H. Ellrodt, daß er mich nur mit fünf Zeilen überführt, daß er noch35
— iſt. Ihr lieben Bayreuther vergeſſet mich ja ganz! Ihre Briefe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0184" n="171"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>275. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 1. April 1796]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich danke dir für die Mar&#x017F;chroute: möge&#x017F;t du und das Schik&#x017F;al<lb/>
mich nicht in die&#x017F;en 1 Apr. &#x017F;chicken. Das mit den 2 Mägden hätt&#x2019; ich<lb/>
ohnedas ge&#x017F;agt. Ich frage noch heute und &#x017F;teck&#x2019; einen pr. Thaler ein,<lb n="5"/>
der noch immer als mein Reprä&#x017F;entant beim Hanikel [?] zur Miethe<lb/>
&#x017F;izt. Kluge Leute legen ein breites Papier vor &#x017F;ich zum Billet und<lb/>
&#x017F;chneiden dan den folgenden leeren Raum unge&#x017F;ehen ab.</p><lb/>
        <postscript>
          <p>N. S. Ge&#x017F;tern &#x017F;chlief ich nach dem Wein, und &#x017F;chrieb nach dem<lb/>
Schlaf bis 8¾ Uhr und &#x017F;chlief bis heute.<lb n="10"/>
</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>276. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi><note place="right"><ref target="1922_Bd2_168">[168]</ref></note></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof</hi> d. 2 Apr. 1796.</hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Mein Emanuel,</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Ich kan Ihnen kein Stil&#x017F;chweigen vorwerfen, weil ich &#x017F;on&#x017F;t er&#x017F;t<lb/>
meines retten mü&#x017F;te. Mir i&#x017F;t als &#x017F;äh&#x2019; ich Ihr Ange&#x017F;icht er&#x017F;t durch<lb n="15"/>
30 Schleier von Monaten oder Meilen. Ich &#x017F;ehne mich recht nach<lb/>
einer Zeile von Ihnen. Ich habe beinahe jezt nichts in der Hand als die<lb/>
Feder: in 4 Wochen bekommen Sie wieder ein Buch betitelt: &#x201E;<hi rendition="#aq">Jean<lb/>
Paul&#x2019;</hi>s biographi&#x017F;che Belu&#x017F;tigungen unter der Gehirn&#x017F;chaale einer<lb/>
Rie&#x017F;in.&#x201C; &#x2014; Nach der Volendung der Blumen&#x017F;tücke und der Be-<lb n="20"/>
lu&#x017F;tigungen &#x017F;ol mein Seelen&#x017F;chabbes kommen und ich wil weniger und<lb/>
blos an meinem Haupt-Werke: der Titan, auf das ich meine halbe<lb/>
Seele auf&#x017F;pare, arbeiten. Aber ich kan mich kaum zwingen, 1 Tag<lb/>
Ferien zu halten: es überfält mich eine drängende Bruthize und ich mus<lb/>
wieder über meine Eier.<lb n="25"/>
</p>
        <p>Die Bayreuther Ho&#x017F;en lehrten mich zum er&#x017F;tenmale, daß es &#x2014;<lb/>
&#x017F;chlechte giebt: nämlich alle meine vorigen taugten nichts, aber ich<lb/>
wu&#x017F;t&#x2019; es nicht bis ich die be&#x017F;ten anzog. Der Schneider &#x017F;ol &#x017F;einen<lb/>
Triumphbogen gar ausbauen, nämlich die We&#x017F;te und das Kleid noch:<lb/>
ich bitte Sie &#x2014; indem ich Ihnen recht &#x017F;ehr für die vergangne und<lb n="30"/>
künftige Mühe danke &#x2014; mir einige Mu&#x017F;ter von feinen Tüchern<lb/>
(rothe und &#x017F;chwarze nicht) und von &#x017F;eidnen We&#x017F;ten Zeugen zur Wahl<lb/>
zu &#x017F;enden.</p><lb/>
        <p>Otto &#x017F;chikt Ihnen in einigen Tagen einen Brief. Bitten Sie doch<lb/>
H. <hi rendition="#aq">Ellrodt,</hi> daß er mich nur mit fünf Zeilen überführt, daß er noch<lb n="35"/>
&#x2014; i&#x017F;t. Ihr lieben Bayreuther verge&#x017F;&#x017F;et mich ja ganz! Ihre Briefe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0184] 275. An Chriſtian Otto. [Hof, 1. April 1796] Ich danke dir für die Marſchroute: mögeſt du und das Schikſal mich nicht in dieſen 1 Apr. ſchicken. Das mit den 2 Mägden hätt’ ich ohnedas geſagt. Ich frage noch heute und ſteck’ einen pr. Thaler ein, 5 der noch immer als mein Repräſentant beim Hanikel [?] zur Miethe ſizt. Kluge Leute legen ein breites Papier vor ſich zum Billet und ſchneiden dan den folgenden leeren Raum ungeſehen ab. N. S. Geſtern ſchlief ich nach dem Wein, und ſchrieb nach dem Schlaf bis 8¾ Uhr und ſchlief bis heute. 10 276. An Emanuel. Hof d. 2 Apr. 1796. Mein Emanuel, Ich kan Ihnen kein Stilſchweigen vorwerfen, weil ich ſonſt erſt meines retten müſte. Mir iſt als ſäh’ ich Ihr Angeſicht erſt durch 15 30 Schleier von Monaten oder Meilen. Ich ſehne mich recht nach einer Zeile von Ihnen. Ich habe beinahe jezt nichts in der Hand als die Feder: in 4 Wochen bekommen Sie wieder ein Buch betitelt: „Jean Paul’s biographiſche Beluſtigungen unter der Gehirnſchaale einer Rieſin.“ — Nach der Volendung der Blumenſtücke und der Be- 20 luſtigungen ſol mein Seelenſchabbes kommen und ich wil weniger und blos an meinem Haupt-Werke: der Titan, auf das ich meine halbe Seele aufſpare, arbeiten. Aber ich kan mich kaum zwingen, 1 Tag Ferien zu halten: es überfält mich eine drängende Bruthize und ich mus wieder über meine Eier. 25 Die Bayreuther Hoſen lehrten mich zum erſtenmale, daß es — ſchlechte giebt: nämlich alle meine vorigen taugten nichts, aber ich wuſt’ es nicht bis ich die beſten anzog. Der Schneider ſol ſeinen Triumphbogen gar ausbauen, nämlich die Weſte und das Kleid noch: ich bitte Sie — indem ich Ihnen recht ſehr für die vergangne und 30 künftige Mühe danke — mir einige Muſter von feinen Tüchern (rothe und ſchwarze nicht) und von ſeidnen Weſten Zeugen zur Wahl zu ſenden. Otto ſchikt Ihnen in einigen Tagen einen Brief. Bitten Sie doch H. Ellrodt, daß er mich nur mit fünf Zeilen überführt, daß er noch 35 — iſt. Ihr lieben Bayreuther vergeſſet mich ja ganz! Ihre Briefe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/184
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/184>, abgerufen am 29.03.2024.