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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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Einhängen einer chronologischen Skala" hast du mir etwas sehr Nüz-
liches gesagt. Ich wolte gerade einige Manipel in Form eines datierten
Tagebuches geben. Es ist bei einem Verfasser natürlich: er sieht, da er
keinen Totaleindruk bekömt, die klaffenden Lücken der Zeit in seiner
Geschichte, besonders einer häuslichen. Um nun die Einheit der Zeit zu5
beobachten, merkt er geschikt das Vorübergehen dieser Zeit an und
sagt "es passierte nichts darin" anstat daß er nur Zusammenhang und
Kette in die leidenschaftlichen Begebenheiten -- die einzige poetische
[116]Einheit der Zeit -- bringen solte. Das Vermeiden dieser Lücken ver-
bärge die chronologischen. Denn am Ende macht man den Leser nur10
fragsüchtiger: geh ich von Woche zu Woche: so wird er von Tag zu
Tag gehen wollen; und thu' ichs auch: so wird er wissen wollen, was
der Held im Bette vornahm.

-- Leb recht wol, Guter, und habe noch einmal Dank für alles.

Richter15
177. An Christian Otto.

Ich habe dein Mspt. noch einmal durchzugehen: und schicke dir also
doch meines.

178. An Christian Otto.20

Auf der 5 Seite des neuen ersten Zusazes mus der Periode "Aber da"
der Deutlichkeit und Sprache wegen in den nächsten verschmolzen
werden.

= Da nun aber dieses nicht ist: so würde man wenn man den25
Grundsaz des Verf. annähme, die Folge annehmen müssen, daß -- be-
zogen werden könte.

+ bedeutet Undeutlichkeit.

Im III. verwandelst du zu oft die Verba in Substantiva, welches nur
eine anscheinende Kürze giebt, weil nachher ein neues Verbum nöthig30
ist z. B. Dadurch wird die Ersteigung der Höhe bewirkt, stat die Höhe
erstiegen. -- Verwandle lieber die passiven nur durch die Präposizionen
"durch" "mit" dastehenden Substantiva in aktive Nominativa. Z. B.
Stat: die Natur hat durch die Berge die Sitten der Völker getrent,
nim: die Berge trennen die Sitten -- z. B. st[at]: wenn durch die Er-35

Einhängen einer chronologiſchen Skala“ haſt du mir etwas ſehr Nüz-
liches geſagt. Ich wolte gerade einige Manipel in Form eines datierten
Tagebuches geben. Es iſt bei einem Verfaſſer natürlich: er ſieht, da er
keinen Totaleindruk bekömt, die klaffenden Lücken der Zeit in ſeiner
Geſchichte, beſonders einer häuslichen. Um nun die Einheit der Zeit zu5
beobachten, merkt er geſchikt das Vorübergehen dieſer Zeit an und
ſagt „es paſſierte nichts darin“ anſtat daß er nur Zuſammenhang und
Kette in die leidenſchaftlichen Begebenheiten — die einzige poetiſche
[116]Einheit der Zeit — bringen ſolte. Das Vermeiden dieſer Lücken ver-
bärge die chronologiſchen. Denn am Ende macht man den Leſer nur10
fragſüchtiger: geh ich von Woche zu Woche: ſo wird er von Tag zu
Tag gehen wollen; und thu’ ichs auch: ſo wird er wiſſen wollen, was
der Held im Bette vornahm.

— Leb recht wol, Guter, und habe noch einmal Dank für alles.

Richter15
177. An Chriſtian Otto.

Ich habe dein Mſpt. noch einmal durchzugehen: und ſchicke dir alſo
doch meines.

178. An Chriſtian Otto.20

Auf der 5 Seite des neuen erſten Zuſazes mus der Periode „Aber da“
der Deutlichkeit und Sprache wegen in den nächſten verſchmolzen
werden.

= Da nun aber dieſes nicht iſt: ſo würde man wenn man den25
Grundſaz des Verf. annähme, die Folge annehmen müſſen, daß — be-
zogen werden könte.

+ bedeutet Undeutlichkeit.

Im III. verwandelſt du zu oft die Verba in Subſtantiva, welches nur
eine anſcheinende Kürze giebt, weil nachher ein neues Verbum nöthig30
iſt z. B. Dadurch wird die Erſteigung der Höhe bewirkt, ſtat die Höhe
erſtiegen. — Verwandle lieber die paſſiven nur durch die Präpoſizionen
„durch“ „mit“ daſtehenden Subſtantiva in aktive Nominativa. Z. B.
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[120/0131] Einhängen einer chronologiſchen Skala“ haſt du mir etwas ſehr Nüz- liches geſagt. Ich wolte gerade einige Manipel in Form eines datierten Tagebuches geben. Es iſt bei einem Verfaſſer natürlich: er ſieht, da er keinen Totaleindruk bekömt, die klaffenden Lücken der Zeit in ſeiner Geſchichte, beſonders einer häuslichen. Um nun die Einheit der Zeit zu 5 beobachten, merkt er geſchikt das Vorübergehen dieſer Zeit an und ſagt „es paſſierte nichts darin“ anſtat daß er nur Zuſammenhang und Kette in die leidenſchaftlichen Begebenheiten — die einzige poetiſche Einheit der Zeit — bringen ſolte. Das Vermeiden dieſer Lücken ver- bärge die chronologiſchen. Denn am Ende macht man den Leſer nur 10 fragſüchtiger: geh ich von Woche zu Woche: ſo wird er von Tag zu Tag gehen wollen; und thu’ ichs auch: ſo wird er wiſſen wollen, was der Held im Bette vornahm. [116] — Leb recht wol, Guter, und habe noch einmal Dank für alles. Richter 15 177. An Chriſtian Otto. [Hof, 10. Okt. 1795] Ich habe dein Mſpt. noch einmal durchzugehen: und ſchicke dir alſo doch meines. 178. An Chriſtian Otto. 20 [Hof, Mitte Okt. 1795] Auf der 5 Seite des neuen erſten Zuſazes mus der Periode „Aber da“ der Deutlichkeit und Sprache wegen in den nächſten verſchmolzen werden. [FORMEL] = Da nun aber dieſes nicht iſt: ſo würde man wenn man den 25 Grundſaz des Verf. annähme, die Folge annehmen müſſen, daß — be- zogen werden könte. + bedeutet Undeutlichkeit. Im III. verwandelſt du zu oft die Verba in Subſtantiva, welches nur eine anſcheinende Kürze giebt, weil nachher ein neues Verbum nöthig 30 iſt z. B. Dadurch wird die Erſteigung der Höhe bewirkt, ſtat die Höhe erſtiegen. — Verwandle lieber die paſſiven nur durch die Präpoſizionen „durch“ „mit“ daſtehenden Subſtantiva in aktive Nominativa. Z. B. Stat: die Natur hat durch die Berge die Sitten der Völker getrent, nim: die Berge trennen die Sitten — z. B. [FORMEL] ſt[at]: wenn durch die Er- 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/131>, abgerufen am 28.03.2024.