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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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lichen Nachtigallin fast zersungen. -- Rezept zu einem schönen Abend:
R. d. h. nim einige Schok Frösche und thue sie in einen Teich und lasse
sie quaken -- thue einige 20 Personen in den Garten, streue als bunten
Streuzucker eine Handvol Johanniswürmgen -- decke es mit dem
grossen blauen Himmel zu und lasse es wol sieden und kochen und sieh5
um 12 Uhr darnach: so wirst du einen herlichen Abend haben, der
kurz vor dem Schlafengehen genommen, dich sehr stärkt und die Träume
befödert. -- Das Land mit seinen Bäumen hinter der Abendsonne
sieht wie ein Damenhut vol Blumen hinter einem Kronleuchter. --

435. An Renate Wirth.[411]10

Liebe Freundin,

Ich seze voraus, daß Sie meinen ersten Brief beantworten, und
zimmere schon den zweiten. Nur ist die Dinte so gelb wie ich -- die
Husaren-Parade trabt neben mir -- ihr montiertes Orchester trom-15
petet neben mir -- ich habe Kopfschmerzen und Zufriedenheit:
welche närrische Nachbarschaft für einen Menschen, der nach Hof
schreibt! ...




Während den Unterbrechungen meines Briefs kam Ihrer. Die20
Seufzer eines schönen Herzens sind gleichsam der Athem und der
Aether für das meinige. Ich athmete Ihre Gedanken ein -- aber es
sind ihrer so wenige und ... kurz gerade so viel Wärme die meinigen
zuviel haben, so viel ziehen Sie den Ihrigen ab. -- Ich danke Ihnen
noch für die Pünktlichkeit und für Ihre Gefälligkeit gegen meine25
närrische Bitte.

Um meinen Brief an die Ottoin nicht zu wiederhohlen und um
meinen mündlichen Erzählungen etwas übrig zu lassen, flatter' ich über
das meiste Historische hinweg.

Am Freitag giengen wir aus Baireuth, assen und sassen unterwegs30
fünf Stunden und kamen doch abends in Bayersdorf (d. h. nach einem
Weg von 14 Stunden) an; und am Sonabend nachmittags in
Neustadt -- Morgen (Mitwochs) fahren wir Nachts um 10 oder 11
oder 12 Uhr (um den Himmel so gut zu geniessen wie die Erde) nach

lichen Nachtigallin faſt zerſungen. — Rezept zu einem ſchönen Abend:
R. d. h. nim einige Schok Fröſche und thue ſie in einen Teich und laſſe
ſie quaken — thue einige 20 Perſonen in den Garten, ſtreue als bunten
Streuzucker eine Handvol Johanniswürmgen — decke es mit dem
groſſen blauen Himmel zu und laſſe es wol ſieden und kochen und ſieh5
um 12 Uhr darnach: ſo wirſt du einen herlichen Abend haben, der
kurz vor dem Schlafengehen genommen, dich ſehr ſtärkt und die Träume
befödert. — Das Land mit ſeinen Bäumen hinter der Abendſonne
ſieht wie ein Damenhut vol Blumen hinter einem Kronleuchter. —

435. An Renate Wirth.[411]10

Liebe Freundin,

Ich ſeze voraus, daß Sie meinen erſten Brief beantworten, und
zimmere ſchon den zweiten. Nur iſt die Dinte ſo gelb wie ich — die
Huſaren-Parade trabt neben mir — ihr montiertes Orcheſter trom-15
petet neben mir — ich habe Kopfſchmerzen und Zufriedenheit:
welche närriſche Nachbarſchaft für einen Menſchen, der nach Hof
ſchreibt! …




Während den Unterbrechungen meines Briefs kam Ihrer. Die20
Seufzer eines ſchönen Herzens ſind gleichſam der Athem und der
Aether für das meinige. Ich athmete Ihre Gedanken ein — aber es
ſind ihrer ſo wenige und … kurz gerade ſo viel Wärme die meinigen
zuviel haben, ſo viel ziehen Sie den Ihrigen ab. — Ich danke Ihnen
noch für die Pünktlichkeit und für Ihre Gefälligkeit gegen meine25
närriſche Bitte.

Um meinen Brief an die Ottoin nicht zu wiederhohlen und um
meinen mündlichen Erzählungen etwas übrig zu laſſen, flatter’ ich über
das meiſte Hiſtoriſche hinweg.

Am Freitag giengen wir aus Baireuth, aſſen und ſaſſen unterwegs30
fünf Stunden und kamen doch abends in Bayersdorf (d. h. nach einem
Weg von 14 Stunden) an; und am Sonabend nachmittags in
Neuſtadt — Morgen (Mitwochs) fahren wir Nachts um 10 oder 11
oder 12 Uhr (um den Himmel ſo gut zu genieſſen wie die Erde) nach

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[391/0419] lichen Nachtigallin faſt zerſungen. — Rezept zu einem ſchönen Abend: R. d. h. nim einige Schok Fröſche und thue ſie in einen Teich und laſſe ſie quaken — thue einige 20 Perſonen in den Garten, ſtreue als bunten Streuzucker eine Handvol Johanniswürmgen — decke es mit dem groſſen blauen Himmel zu und laſſe es wol ſieden und kochen und ſieh 5 um 12 Uhr darnach: ſo wirſt du einen herlichen Abend haben, der kurz vor dem Schlafengehen genommen, dich ſehr ſtärkt und die Träume befödert. — Das Land mit ſeinen Bäumen hinter der Abendſonne ſieht wie ein Damenhut vol Blumen hinter einem Kronleuchter. — 435. An Renate Wirth. 10 Neustadt a. d. Aisch d. 7 Jul. 1793 [Sonntag]. Liebe Freundin, Ich ſeze voraus, daß Sie meinen erſten Brief beantworten, und zimmere ſchon den zweiten. Nur iſt die Dinte ſo gelb wie ich — die Huſaren-Parade trabt neben mir — ihr montiertes Orcheſter trom- 15 petet neben mir — ich habe Kopfſchmerzen und Zufriedenheit: welche närriſche Nachbarſchaft für einen Menſchen, der nach Hof ſchreibt! … d. 9ten Jul. Während den Unterbrechungen meines Briefs kam Ihrer. Die 20 Seufzer eines ſchönen Herzens ſind gleichſam der Athem und der Aether für das meinige. Ich athmete Ihre Gedanken ein — aber es ſind ihrer ſo wenige und … kurz gerade ſo viel Wärme die meinigen zuviel haben, ſo viel ziehen Sie den Ihrigen ab. — Ich danke Ihnen noch für die Pünktlichkeit und für Ihre Gefälligkeit gegen meine 25 närriſche Bitte. Um meinen Brief an die Ottoin nicht zu wiederhohlen und um meinen mündlichen Erzählungen etwas übrig zu laſſen, flatter’ ich über das meiſte Hiſtoriſche hinweg. Am Freitag giengen wir aus Baireuth, aſſen und ſaſſen unterwegs 30 fünf Stunden und kamen doch abends in Bayersdorf (d. h. nach einem Weg von 14 Stunden) an; und am Sonabend nachmittags in Neuſtadt — Morgen (Mitwochs) fahren wir Nachts um 10 oder 11 oder 12 Uhr (um den Himmel ſo gut zu genieſſen wie die Erde) nach

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/419>, abgerufen am 20.04.2024.