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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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die kürzesten sind: so nim, gütiges Schiksal, dem Herzen, das schönere
Tage giebt als erlebt, nicht alles was es verdient. -- Ein blauer
Himmel wie dieser möge ihr Blumenleben einfassen -- ihre Thränen
müssen nur aus einem heitern Himmel, wie diese Thautropfen, fallen
und ihr Glük verkündigen, anstat es zu betrauern. -- Und du Ewiger,5
der du aus der Winter-Wüste und aus dem Frühlings-Schmuz diesen
überblümten Edentag, und aus dem gequälten erdigten, taumelnden,
pochenden Menschenherzen ein stilles melodisches, reines schafst:
erhalt' ihr das leztere und der Lohn der Tugend sei die Fortdauer der
Tugend."10

Ich wünsch' Ihnen alles das, obgleich der Geburtstag des Wunsches
nicht der des Gegenstandes ist. Die Seele feiert bei jeder guten That
einen Geburtstag.

In Ihrem Briefe freuet mich Ihre Freude über einen "leiden-
schaftlosen Tag". Wir Manspersonen sind dazu gemacht, ewig zer-15
rüttet zu werden -- die Frauenzimmer sind Blumen, die in der Hize
ihre schönen Farben und Reize verlieren. --

Diese hergeflognen Zeilen wären eine zu unbedeutende Antwort[405]
auf die Ihrigen: sie sind nur ein Postskript zu meinem künftigen Briefe,
womit ich zwei vergangne -- und, wenn Sie wolten, einen künftigen --20
beantworte.

Ich habe zu einer Bitte, die ich leider schon mündlich dreimal gethan,
zum viertenmal kaum schriftlich das Herz -- nämlich zur Bitte, daß
Sie mir bis auf den Dienstag die zwei bekanten Aufsäze leihen
möchten. Sie sind zwar abgeschrieben bei mir, aber nur abgeschmiert.25
Ich wil Ihnen gerade zu gestehen warum ich darum bitte: ich wil sie
einer Freundin zeigen, die hier durch eigne und fremde Schuld im
falschen Lichte steht und die ich genug zu kennen glaube, um hier vor
Ihnen ihr Lob zu äussern -- ich meine die Renata.

Seit 11/2 Jahren ists mein Grundsaz, von jedem Mädgen -- da das30
weibliche Geschlecht entweder vom mänlichen Argwohn oder vom
weiblichen Hasse beurtheilt wird -- besser zu denken als jeder andre,
den Liebhaber ausgenommen.

Sie mögen mir indeß abschlagen was Sie wollen: so bin ich doch
mit gröster und unveränd[er]licher Hochachtung35

Ihr gehorsamer Freund und Diener
Fr. Richter
25 Jean Paul Briefe. I.

die kürzeſten ſind: ſo nim, gütiges Schikſal, dem Herzen, das ſchönere
Tage giebt als erlebt, nicht alles was es verdient. — Ein blauer
Himmel wie dieſer möge ihr Blumenleben einfaſſen — ihre Thränen
müſſen nur aus einem heitern Himmel, wie dieſe Thautropfen, fallen
und ihr Glük verkündigen, anſtat es zu betrauern. — Und du Ewiger,5
der du aus der Winter-Wüſte und aus dem Frühlings-Schmuz dieſen
überblümten Edentag, und aus dem gequälten erdigten, taumelnden,
pochenden Menſchenherzen ein ſtilles melodiſches, reines ſchafſt:
erhalt’ ihr das leztere und der Lohn der Tugend ſei die Fortdauer der
Tugend.“10

Ich wünſch’ Ihnen alles das, obgleich der Geburtstag des Wunſches
nicht der des Gegenſtandes iſt. Die Seele feiert bei jeder guten That
einen Geburtstag.

In Ihrem Briefe freuet mich Ihre Freude über einen „leiden-
ſchaftloſen Tag“. Wir Mansperſonen ſind dazu gemacht, ewig zer-15
rüttet zu werden — die Frauenzimmer ſind Blumen, die in der Hize
ihre ſchönen Farben und Reize verlieren. —

Dieſe hergeflognen Zeilen wären eine zu unbedeutende Antwort[405]
auf die Ihrigen: ſie ſind nur ein Poſtſkript zu meinem künftigen Briefe,
womit ich zwei vergangne — und, wenn Sie wolten, einen künftigen —20
beantworte.

Ich habe zu einer Bitte, die ich leider ſchon mündlich dreimal gethan,
zum viertenmal kaum ſchriftlich das Herz — nämlich zur Bitte, daß
Sie mir bis auf den Dienſtag die zwei bekanten Aufſäze leihen
möchten. Sie ſind zwar abgeſchrieben bei mir, aber nur abgeſchmiert.25
Ich wil Ihnen gerade zu geſtehen warum ich darum bitte: ich wil ſie
einer Freundin zeigen, die hier durch eigne und fremde Schuld im
falſchen Lichte ſteht und die ich genug zu kennen glaube, um hier vor
Ihnen ihr Lob zu äuſſern — ich meine die Renata.

Seit 1½ Jahren iſts mein Grundſaz, von jedem Mädgen — da das30
weibliche Geſchlecht entweder vom mänlichen Argwohn oder vom
weiblichen Haſſe beurtheilt wird — beſſer zu denken als jeder andre,
den Liebhaber ausgenommen.

Sie mögen mir indeß abſchlagen was Sie wollen: ſo bin ich doch
mit gröſter und unveränd[er]licher Hochachtung35

Ihr gehorſamer Freund und Diener
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[385/0413] die kürzeſten ſind: ſo nim, gütiges Schikſal, dem Herzen, das ſchönere Tage giebt als erlebt, nicht alles was es verdient. — Ein blauer Himmel wie dieſer möge ihr Blumenleben einfaſſen — ihre Thränen müſſen nur aus einem heitern Himmel, wie dieſe Thautropfen, fallen und ihr Glük verkündigen, anſtat es zu betrauern. — Und du Ewiger, 5 der du aus der Winter-Wüſte und aus dem Frühlings-Schmuz dieſen überblümten Edentag, und aus dem gequälten erdigten, taumelnden, pochenden Menſchenherzen ein ſtilles melodiſches, reines ſchafſt: erhalt’ ihr das leztere und der Lohn der Tugend ſei die Fortdauer der Tugend.“ 10 Ich wünſch’ Ihnen alles das, obgleich der Geburtstag des Wunſches nicht der des Gegenſtandes iſt. Die Seele feiert bei jeder guten That einen Geburtstag. In Ihrem Briefe freuet mich Ihre Freude über einen „leiden- ſchaftloſen Tag“. Wir Mansperſonen ſind dazu gemacht, ewig zer- 15 rüttet zu werden — die Frauenzimmer ſind Blumen, die in der Hize ihre ſchönen Farben und Reize verlieren. — Dieſe hergeflognen Zeilen wären eine zu unbedeutende Antwort auf die Ihrigen: ſie ſind nur ein Poſtſkript zu meinem künftigen Briefe, womit ich zwei vergangne — und, wenn Sie wolten, einen künftigen — 20 beantworte. [405] Ich habe zu einer Bitte, die ich leider ſchon mündlich dreimal gethan, zum viertenmal kaum ſchriftlich das Herz — nämlich zur Bitte, daß Sie mir bis auf den Dienſtag die zwei bekanten Aufſäze leihen möchten. Sie ſind zwar abgeſchrieben bei mir, aber nur abgeſchmiert. 25 Ich wil Ihnen gerade zu geſtehen warum ich darum bitte: ich wil ſie einer Freundin zeigen, die hier durch eigne und fremde Schuld im falſchen Lichte ſteht und die ich genug zu kennen glaube, um hier vor Ihnen ihr Lob zu äuſſern — ich meine die Renata. Seit 1½ Jahren iſts mein Grundſaz, von jedem Mädgen — da das 30 weibliche Geſchlecht entweder vom mänlichen Argwohn oder vom weiblichen Haſſe beurtheilt wird — beſſer zu denken als jeder andre, den Liebhaber ausgenommen. Sie mögen mir indeß abſchlagen was Sie wollen: ſo bin ich doch mit gröſter und unveränd[er]licher Hochachtung 35 Ihr gehorſamer Freund und Diener Fr. Richter 25 Jean Paul Briefe. I.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/413>, abgerufen am 29.03.2024.