Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite
411. An Buchhändler Matzdorff in Berlin.
[Nicht abgeschickt]

Unter allen närrischen Geschöpfen, die ein Autor malt, ist er selber
das tolste: man muß einer sein (oder von einem einen Brief be-
[387]kommen), um sich von der Neugierde einen Begrif zu machen, mit5
der er auf das typographische Schiksal seiner Leibesfrucht, auf die
Lettern, die Kupferstiche und den ganzen Gipsabdruk derselben auf-
passet. Hat er vollends den Inhalt ein wenig vergessen und wil ihn
wieder lesen: so ists kaum auszuhalten.

Ich bitte Sie, mich auch für so närrisch zu halten, und mir einige10
Nachrichten von den fatis meines Abkömlings zu geben. Ich solte Sie
zwar in dem Strudel von Mesgeschäften, durch den Sie jezt durch-
zurudern haben, nicht mit dieser Bitte plagen; aber eben in diesem
Wirbel ist so eine kleine Angelegenheit wie die meinige am leichtesten
zu vergessen. --15

Alles was Freundschaft und Dankbarkeit in eine jämmerliche
epistolarische Empfehlung drängen können, übergeben Sie in meinem
Namen dem H. Hofrath Moriz. -- Auch Ihrem vortreflichen la
Fontaine möcht' ich mich hier empfehlen, der weniger als der franzö-
sische Fabulist auf die Namensvetterschaft sich ein[zu]bilden hat. --20
Ich habe die Ehre zu sein mit besondrer Hochachtung

Ew. HochEdelgeboren
gehors. Diener
Fried. Richter
[Adr.] An die vornehme Mazdorfische Buchhandlung in Berlin.25
Frei.
412. An Amöne Herold.
Für meine Freundin
Amoene

am Ende des Jahrs 1792.
30

Es giebt keinen schönern Gedanken als den der Griechen -- hinter
denen wir in der Schönheit der Ideen und der Körper bleiben --,
daß jeden Menschen ein Genius umgebe, der ihn mit seinen unsicht-
baren Flügeln kühlet, hebt und bedekt. Wenigstens möglich ists, daß

411. An Buchhändler Matzdorff in Berlin.
[Nicht abgeſchickt]

Unter allen närriſchen Geſchöpfen, die ein Autor malt, iſt er ſelber
das tolſte: man muß einer ſein (oder von einem einen Brief be-
[387]kommen), um ſich von der Neugierde einen Begrif zu machen, mit5
der er auf das typographiſche Schikſal ſeiner Leibesfrucht, auf die
Lettern, die Kupferſtiche und den ganzen Gipsabdruk derſelben auf-
paſſet. Hat er vollends den Inhalt ein wenig vergeſſen und wil ihn
wieder leſen: ſo iſts kaum auszuhalten.

Ich bitte Sie, mich auch für ſo närriſch zu halten, und mir einige10
Nachrichten von den fatis meines Abkömlings zu geben. Ich ſolte Sie
zwar in dem Strudel von Mesgeſchäften, durch den Sie jezt durch-
zurudern haben, nicht mit dieſer Bitte plagen; aber eben in dieſem
Wirbel iſt ſo eine kleine Angelegenheit wie die meinige am leichteſten
zu vergeſſen. —15

Alles was Freundſchaft und Dankbarkeit in eine jämmerliche
epiſtolariſche Empfehlung drängen können, übergeben Sie in meinem
Namen dem H. Hofrath Moriz. — Auch Ihrem vortreflichen la
Fontaine möcht’ ich mich hier empfehlen, der weniger als der franzö-
ſiſche Fabuliſt auf die Namensvetterſchaft ſich ein[zu]bilden hat. —20
Ich habe die Ehre zu ſein mit beſondrer Hochachtung

Ew. HochEdelgeboren
gehorſ. Diener
Fried. Richter
[Adr.] An die vornehme Mazdorfische Buchhandlung in Berlin.25
Frei.
412. An Amöne Herold.
Für meine Freundin
Amoene

am Ende des Jahrs 1792.
30

Es giebt keinen ſchönern Gedanken als den der Griechen — hinter
denen wir in der Schönheit der Ideen und der Körper bleiben —,
daß jeden Menſchen ein Genius umgebe, der ihn mit ſeinen unſicht-
baren Flügeln kühlet, hebt und bedekt. Wenigſtens möglich iſts, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0395" n="368"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>411. An <hi rendition="#g">Buchhändler Matzdorff in Berlin.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Nicht abge&#x017F;chickt<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof im Voigtland d. 18 Oct.</hi> 1792.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Unter allen närri&#x017F;chen Ge&#x017F;chöpfen, die ein Autor malt, i&#x017F;t er &#x017F;elber<lb/>
das tol&#x017F;te: man muß einer &#x017F;ein (oder von einem einen Brief be-<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd#_387">[387]</ref></note>kommen), um &#x017F;ich von der Neugierde einen Begrif zu machen, mit<lb n="5"/>
der er auf das typographi&#x017F;che Schik&#x017F;al &#x017F;einer Leibesfrucht, auf die<lb/>
Lettern, die Kupfer&#x017F;tiche und den ganzen Gipsabdruk der&#x017F;elben auf-<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;et. Hat er vollends den Inhalt ein wenig verge&#x017F;&#x017F;en und wil ihn<lb/>
wieder le&#x017F;en: &#x017F;o i&#x017F;ts kaum auszuhalten.</p><lb/>
        <p>Ich bitte Sie, mich auch für &#x017F;o närri&#x017F;ch zu halten, und mir einige<lb n="10"/>
Nachrichten von den <hi rendition="#aq">fatis</hi> meines Abkömlings zu geben. Ich &#x017F;olte Sie<lb/>
zwar in dem Strudel von Mesge&#x017F;chäften, durch den Sie jezt durch-<lb/>
zurudern haben, nicht mit die&#x017F;er Bitte plagen; aber eben in die&#x017F;em<lb/>
Wirbel i&#x017F;t &#x017F;o eine kleine Angelegenheit wie die meinige am leichte&#x017F;ten<lb/>
zu verge&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb n="15"/>
</p>
        <p>Alles was Freund&#x017F;chaft und Dankbarkeit in eine jämmerliche<lb/>
epi&#x017F;tolari&#x017F;che Empfehlung drängen können, übergeben Sie in meinem<lb/>
Namen dem H. Hofrath <hi rendition="#aq">Moriz.</hi> &#x2014; Auch Ihrem vortreflichen la<lb/>
Fontaine möcht&#x2019; ich mich hier empfehlen, der weniger als der franzö-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;che Fabuli&#x017F;t auf die Namensvetter&#x017F;chaft &#x017F;ich ein<metamark>[</metamark>zu<metamark>]</metamark>bilden hat. &#x2014;<lb n="20"/>
Ich habe die Ehre zu &#x017F;ein mit be&#x017F;ondrer Hochachtung</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Ew. HochEdelgeboren<lb/>
gehor&#x017F;. Diener<lb/>
Fried. Richter</hi> </salute><lb/>
          <address>
            <addrLine><metamark>[</metamark>Adr.<metamark>]</metamark> An die vornehme <hi rendition="#aq">Mazdorfische</hi> Buchhandlung in <hi rendition="#aq">Berlin.</hi><lb n="25"/> <hi rendition="#g">Frei.</hi></addrLine>
          </address>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>412. An <hi rendition="#g">Amöne Herold.</hi></head><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">Für meine Freundin<lb/><hi rendition="#g">Amoene</hi></hi> </hi><lb/>
            <date> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">am Ende des Jahrs</hi> 1792.</hi> </date>
          </salute>
        </opener>
        <lb n="30"/>
        <p>Es giebt keinen &#x017F;chönern Gedanken als den der Griechen &#x2014; hinter<lb/>
denen wir in der Schönheit der Ideen und der Körper bleiben &#x2014;,<lb/>
daß jeden Men&#x017F;chen ein Genius umgebe, der ihn mit &#x017F;einen un&#x017F;icht-<lb/>
baren Flügeln kühlet, hebt und bedekt. Wenig&#x017F;tens möglich i&#x017F;ts, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0395] 411. An Buchhändler Matzdorff in Berlin. Hof im Voigtland d. 18 Oct. 1792. Unter allen närriſchen Geſchöpfen, die ein Autor malt, iſt er ſelber das tolſte: man muß einer ſein (oder von einem einen Brief be- kommen), um ſich von der Neugierde einen Begrif zu machen, mit 5 der er auf das typographiſche Schikſal ſeiner Leibesfrucht, auf die Lettern, die Kupferſtiche und den ganzen Gipsabdruk derſelben auf- paſſet. Hat er vollends den Inhalt ein wenig vergeſſen und wil ihn wieder leſen: ſo iſts kaum auszuhalten. [387] Ich bitte Sie, mich auch für ſo närriſch zu halten, und mir einige 10 Nachrichten von den fatis meines Abkömlings zu geben. Ich ſolte Sie zwar in dem Strudel von Mesgeſchäften, durch den Sie jezt durch- zurudern haben, nicht mit dieſer Bitte plagen; aber eben in dieſem Wirbel iſt ſo eine kleine Angelegenheit wie die meinige am leichteſten zu vergeſſen. — 15 Alles was Freundſchaft und Dankbarkeit in eine jämmerliche epiſtolariſche Empfehlung drängen können, übergeben Sie in meinem Namen dem H. Hofrath Moriz. — Auch Ihrem vortreflichen la Fontaine möcht’ ich mich hier empfehlen, der weniger als der franzö- ſiſche Fabuliſt auf die Namensvetterſchaft ſich ein[zu]bilden hat. — 20 Ich habe die Ehre zu ſein mit beſondrer Hochachtung Ew. HochEdelgeboren gehorſ. Diener Fried. Richter [Adr.] An die vornehme Mazdorfische Buchhandlung in Berlin. 25 Frei. 412. An Amöne Herold. Für meine Freundin Amoene am Ende des Jahrs 1792. 30 Es giebt keinen ſchönern Gedanken als den der Griechen — hinter denen wir in der Schönheit der Ideen und der Körper bleiben —, daß jeden Menſchen ein Genius umgebe, der ihn mit ſeinen unſicht- baren Flügeln kühlet, hebt und bedekt. Wenigſtens möglich iſts, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/395
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/395>, abgerufen am 25.04.2024.