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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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351. An Christian Otto.

Meine Herren!
5

Wenn ich uns beide so nennen kan. Es ist mir und dir, oder Ihnen
recht wol bekant was ich wil und was ich neuerlich gelesen, zwei
antisaturnopolitanische Aufsäze nämlich. Da es meine Rede-Pflicht
ist, unser neues Mitglied zu loben: so wil ichs zwar thun so gut wie
ein anderer; aber ich wil vorher nur mit 2, 3 maligem Eintunken10
bezeichnen, wo es bei ihm hapert.

[332]Ich tadle seinen eignen Tadel. Wozu so eine närrische Bescheiden-
heit, die schlim wäre, sie möchte aufrichtig oder nur höflich sein?
Wozu die Benennung "elende Schulprogramme" etc., wenn sie auch
zum Theil humoristisch ist? -- Der Verfasser gegenwärtiger Rede ist15
zwar auch bescheiden und sehr; aber er weis sich auch wieder zu loben,
wo mans erwartet.

Zweitens kan man mit einem Dintenfas niemals zufrieden sein,
aus dem so etwas schlechtes und leserliches kömt als die -- Dinte
des seinigen ist. Denn es sol sympathetische sein; sie ist aber so elend20
ausgefallen, daß ich verschiedne Worte, ohne vorhergehende Mani-
pulazion, habe lesen können.

Sonst ist nichts. Des historischen Aufsazes Einleitung von 3 Seiten
ist mit soviel Geschmak, Humor und Leichtigkeit geschrieben, daß Sie,
meine 2 Herren, wünschen werden, er gäbe ganzen Abhandlungen25
diese Melodie. Da es einen ausgeschriebnen Styl wie eine aus-
geschriebne Hand giebt: so hat der immerwährende Sekretair im
Namen der ganzen Akademie wol einiges Recht, die Aufsäze, deren
Geburt iener Styl voraussezt, haben zu wollen. Was noch nicht
geboren ist, mus der H. Verfasser nach den Gesezen unsrer Akademie zu30
zeugen eilen; er mus aber nicht passen bis die Akademie tod ist. Amen!

Die Rede genierte mich. Am meisten nüzt und gefält mir dein
Distinguieren, das der Geschichte so nöthig und ungewöhnlich ist als

*) Die Akademie, zu deren Mitglied man dich aufgenommen, besteht iezt aus
2 Man (oder Mängen), dir und mir -- ich halte die Rede und über dich wird sie35
gehalten und an uns beide.
351. An Chriſtian Otto.

Meine Herren!
5

Wenn ich uns beide ſo nennen kan. Es iſt mir und dir, oder Ihnen
recht wol bekant was ich wil und was ich neuerlich geleſen, zwei
antiſaturnopolitaniſche Aufſäze nämlich. Da es meine Rede-Pflicht
iſt, unſer neues Mitglied zu loben: ſo wil ichs zwar thun ſo gut wie
ein anderer; aber ich wil vorher nur mit 2, 3 maligem Eintunken10
bezeichnen, wo es bei ihm hapert.

[332]Ich tadle ſeinen eignen Tadel. Wozu ſo eine närriſche Beſcheiden-
heit, die ſchlim wäre, ſie möchte aufrichtig oder nur höflich ſein?
Wozu die Benennung „elende Schulprogramme“ ꝛc., wenn ſie auch
zum Theil humoriſtiſch iſt? — Der Verfaſſer gegenwärtiger Rede iſt15
zwar auch beſcheiden und ſehr; aber er weis ſich auch wieder zu loben,
wo mans erwartet.

Zweitens kan man mit einem Dintenfas niemals zufrieden ſein,
aus dem ſo etwas ſchlechtes und leſerliches kömt als die — Dinte
des ſeinigen iſt. Denn es ſol ſympathetiſche ſein; ſie iſt aber ſo elend20
ausgefallen, daß ich verſchiedne Worte, ohne vorhergehende Mani-
pulazion, habe leſen können.

Sonſt iſt nichts. Des hiſtoriſchen Aufſazes Einleitung von 3 Seiten
iſt mit ſoviel Geſchmak, Humor und Leichtigkeit geſchrieben, daß Sie,
meine 2 Herren, wünſchen werden, er gäbe ganzen Abhandlungen25
dieſe Melodie. Da es einen ausgeſchriebnen Styl wie eine aus-
geſchriebne Hand giebt: ſo hat der immerwährende Sekretair im
Namen der ganzen Akademie wol einiges Recht, die Aufſäze, deren
Geburt iener Styl vorausſezt, haben zu wollen. Was noch nicht
geboren iſt, mus der H. Verfaſſer nach den Geſezen unſrer Akademie zu30
zeugen eilen; er mus aber nicht paſſen bis die Akademie tod iſt. Amen!

Die Rede genierte mich. Am meiſten nüzt und gefält mir dein
Diſtinguieren, das der Geſchichte ſo nöthig und ungewöhnlich iſt als

*) Die Akademie, zu deren Mitglied man dich aufgenommen, beſteht iezt aus
2 Man (oder Mängen), dir und mir — ich halte die Rede und über dich wird ſie35
gehalten und an uns beide.
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[314/0340] 351. An Chriſtian Otto. [Schwarzenbach, 24. Dez. 1790] Meine akademiſche Rede bei der Aufnahme eines neuen Mitgliedes in die Akademie der Antiſaturnopolitaner. *) Meine Herren! 5 Wenn ich uns beide ſo nennen kan. Es iſt mir und dir, oder Ihnen recht wol bekant was ich wil und was ich neuerlich geleſen, zwei antiſaturnopolitaniſche Aufſäze nämlich. Da es meine Rede-Pflicht iſt, unſer neues Mitglied zu loben: ſo wil ichs zwar thun ſo gut wie ein anderer; aber ich wil vorher nur mit 2, 3 maligem Eintunken 10 bezeichnen, wo es bei ihm hapert. Ich tadle ſeinen eignen Tadel. Wozu ſo eine närriſche Beſcheiden- heit, die ſchlim wäre, ſie möchte aufrichtig oder nur höflich ſein? Wozu die Benennung „elende Schulprogramme“ ꝛc., wenn ſie auch zum Theil humoriſtiſch iſt? — Der Verfaſſer gegenwärtiger Rede iſt 15 zwar auch beſcheiden und ſehr; aber er weis ſich auch wieder zu loben, wo mans erwartet. [332] Zweitens kan man mit einem Dintenfas niemals zufrieden ſein, aus dem ſo etwas ſchlechtes und leſerliches kömt als die — Dinte des ſeinigen iſt. Denn es ſol ſympathetiſche ſein; ſie iſt aber ſo elend 20 ausgefallen, daß ich verſchiedne Worte, ohne vorhergehende Mani- pulazion, habe leſen können. Sonſt iſt nichts. Des hiſtoriſchen Aufſazes Einleitung von 3 Seiten iſt mit ſoviel Geſchmak, Humor und Leichtigkeit geſchrieben, daß Sie, meine 2 Herren, wünſchen werden, er gäbe ganzen Abhandlungen 25 dieſe Melodie. Da es einen ausgeſchriebnen Styl wie eine aus- geſchriebne Hand giebt: ſo hat der immerwährende Sekretair im Namen der ganzen Akademie wol einiges Recht, die Aufſäze, deren Geburt iener Styl vorausſezt, haben zu wollen. Was noch nicht geboren iſt, mus der H. Verfaſſer nach den Geſezen unſrer Akademie zu 30 zeugen eilen; er mus aber nicht paſſen bis die Akademie tod iſt. Amen! Die Rede genierte mich. Am meiſten nüzt und gefält mir dein Diſtinguieren, das der Geſchichte ſo nöthig und ungewöhnlich iſt als *) Die Akademie, zu deren Mitglied man dich aufgenommen, beſteht iezt aus 2 Man (oder Mängen), dir und mir — ich halte die Rede und über dich wird ſie 35 gehalten und an uns beide.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/340>, abgerufen am 29.03.2024.