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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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möchten sich unter der Karavane der Papiere verlieren, die ringsum
auf ihn zuschiessen -- nicht weil ich besorge, sie würden nicht abgedrukt
sondern weil ich besorge, sie würden mir in diesem Falle nicht zurük-
geschikt. Vielleicht gewinn' ich auch wenn Sie mich ihm präsentiren
das was eine unangenehme Neuigkeit gewint, wenn man sie dem5
Könige durch einen Günstling oder eine Geliebte überbringen lässet.
Möchten Sie die Aufsäze werth finden, von Ihnen gelesen zu werden!
Möchten Sie durch den ernsthaften mich werth finden, die Ihrigen
gelesen zu haben!

Da ich ökonomisch zu reden nichts habe: so mus ich für diese unter10
hypochondrischem Herzklopfen und verschwindendem Athem geborne
Produkte wol etwas haben wollen.

Langeweile machen ist etwas so schlimmes, daß Muhammed und
sein Soufleur es in ihrer Bibel verboten und sagten, man solle nicht
zu lang beim Propheten sizen bleiben -- oder bei irgend einem andern,15
[262]der noch mehr ist, füg' ich dazu. Daher bin ich in Hofnung einer ver-
gebenden und vielleicht frühen Antwort und mit dankbarer und
schweigender Hochachtung

Ew. Magnifizenz
gehorsamster Diener20
J. P. F. Richter
233. An Herder.

p. p.
Höchstzuverehrender Herr Generalsuperintendent,
25

Unter allen den Briefen die Sie heute aufbrechen, bringt meiner
das Unerheblichste vor, nämlich die Anfrage, ob Sie vor 2 Monaten
2 Aufsäze, einen satirischen über die Aufklärung und einen ernsthaften
über den Tod erhalten haben -- und die Bitte, mir einen zweiten
Fehler zu vergeben, den der erste nicht mehr vermeidlich lies. Unter30
die Folgen des Nachtisches am Baume des Erkentnisses gehört auch
die mit, daß ein Autor, der ein Paar dieser Baumblätter mit Karak-
teren der Blatminirer auf die Post gegeben, so lange elend schläft bis
er weis, wo sie angelandet sind.

Ich kan meine unberufene Vermehrung oder Unterbrechung Ihrer35
Geschäfte mit nichts entschuldigen als mit dem Vertrauen auf ver-

möchten ſich unter der Karavane der Papiere verlieren, die ringsum
auf ihn zuſchieſſen — nicht weil ich beſorge, ſie würden nicht abgedrukt
ſondern weil ich beſorge, ſie würden mir in dieſem Falle nicht zurük-
geſchikt. Vielleicht gewinn’ ich auch wenn Sie mich ihm präſentiren
das was eine unangenehme Neuigkeit gewint, wenn man ſie dem5
Könige durch einen Günſtling oder eine Geliebte überbringen läſſet.
Möchten Sie die Aufſäze werth finden, von Ihnen geleſen zu werden!
Möchten Sie durch den ernſthaften mich werth finden, die Ihrigen
geleſen zu haben!

Da ich ökonomiſch zu reden nichts habe: ſo mus ich für dieſe unter10
hypochondriſchem Herzklopfen und verſchwindendem Athem geborne
Produkte wol etwas haben wollen.

Langeweile machen iſt etwas ſo ſchlimmes, daß Muhammed und
ſein Soufleur es in ihrer Bibel verboten und ſagten, man ſolle nicht
zu lang beim Propheten ſizen bleiben — oder bei irgend einem andern,15
[262]der noch mehr iſt, füg’ ich dazu. Daher bin ich in Hofnung einer ver-
gebenden und vielleicht frühen Antwort und mit dankbarer und
ſchweigender Hochachtung

Ew. Magnifizenz
gehorſamſter Diener20
J. P. F. Richter
233. An Herder.

p. p.
Höchſtzuverehrender Herr Generalſuperintendent,
25

Unter allen den Briefen die Sie heute aufbrechen, bringt meiner
das Unerheblichſte vor, nämlich die Anfrage, ob Sie vor 2 Monaten
2 Aufſäze, einen ſatiriſchen über die Aufklärung und einen ernſthaften
über den Tod erhalten haben — und die Bitte, mir einen zweiten
Fehler zu vergeben, den der erſte nicht mehr vermeidlich lies. Unter30
die Folgen des Nachtiſches am Baume des Erkentniſſes gehört auch
die mit, daß ein Autor, der ein Paar dieſer Baumblätter mit Karak-
teren der Blatminirer auf die Poſt gegeben, ſo lange elend ſchläft bis
er weis, wo ſie angelandet ſind.

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[248/0273] möchten ſich unter der Karavane der Papiere verlieren, die ringsum auf ihn zuſchieſſen — nicht weil ich beſorge, ſie würden nicht abgedrukt ſondern weil ich beſorge, ſie würden mir in dieſem Falle nicht zurük- geſchikt. Vielleicht gewinn’ ich auch wenn Sie mich ihm präſentiren das was eine unangenehme Neuigkeit gewint, wenn man ſie dem 5 Könige durch einen Günſtling oder eine Geliebte überbringen läſſet. Möchten Sie die Aufſäze werth finden, von Ihnen geleſen zu werden! Möchten Sie durch den ernſthaften mich werth finden, die Ihrigen geleſen zu haben! Da ich ökonomiſch zu reden nichts habe: ſo mus ich für dieſe unter 10 hypochondriſchem Herzklopfen und verſchwindendem Athem geborne Produkte wol etwas haben wollen. Langeweile machen iſt etwas ſo ſchlimmes, daß Muhammed und ſein Soufleur es in ihrer Bibel verboten und ſagten, man ſolle nicht zu lang beim Propheten ſizen bleiben — oder bei irgend einem andern, 15 der noch mehr iſt, füg’ ich dazu. Daher bin ich in Hofnung einer ver- gebenden und vielleicht frühen Antwort und mit dankbarer und ſchweigender Hochachtung [262] Ew. Magnifizenz gehorſamſter Diener 20 J. P. F. Richter 233. An Herder. Hof den 24 Oktob. 1788. p. p. Höchſtzuverehrender Herr Generalſuperintendent, 25 Unter allen den Briefen die Sie heute aufbrechen, bringt meiner das Unerheblichſte vor, nämlich die Anfrage, ob Sie vor 2 Monaten 2 Aufſäze, einen ſatiriſchen über die Aufklärung und einen ernſthaften über den Tod erhalten haben — und die Bitte, mir einen zweiten Fehler zu vergeben, den der erſte nicht mehr vermeidlich lies. Unter 30 die Folgen des Nachtiſches am Baume des Erkentniſſes gehört auch die mit, daß ein Autor, der ein Paar dieſer Baumblätter mit Karak- teren der Blatminirer auf die Poſt gegeben, ſo lange elend ſchläft bis er weis, wo ſie angelandet ſind. Ich kan meine unberufene Vermehrung oder Unterbrechung Ihrer 35 Geſchäfte mit nichts entſchuldigen als mit dem Vertrauen auf ver-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/273>, abgerufen am 29.03.2024.