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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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169. An Wieland.
p. p.

Wahrscheinlich erhielten Euer Wohlgebohren vor ungefähr andert-
halb Monaten den Aufsaz "Wahnsinnige Sprünge, wodurch ich den
[221]Leser und mich einzuschläfern etc."; er wolte dadurch in den t. Merkur5
hinein und war, wie ich glaube, völlig darauf aus. Da es ihm mis-
gelungen: so bitte ich Sie um Verzeihung für diese Absicht, und um die
Zurüksendung des unbedeutenden Papiers.

Lieber Himmel! warum müssen doch folgende zwei Dinge in der
That sein? und war es denn auf gar keine Weise anders zu machen?10
Ich meine, warum mus ein Man, der keine Schmeicheleien mehr
besorgen darf, mit einem elenden Fracht- und Avisozettel behelligt
werden? Und zweitens, warum bin ich nicht unglaublich viel mehr?
Ich dürfte dan meinem Herzen Luft machen und hätte den Muth, zu
bewundern.15

[Spaltenumbruch] Hof den 15. Mai 1786. [Spaltenumbruch] J. P. F. Richter
[Adr.] An den Herrn Herausgeber des teutschen Merkurs in
Weimar. Frei.
170. An Hermann in Leipzig.
[Kopie]20

Ich wolt', ich hätte das beste Luftschif unter allen. Nicht etwan,
weil [ich] alsdan die besten Untersuchungen über die Beschaffenheit
der obern Luft anzustellen vermöchte. Auch nicht [wegen] der Aussicht
von oben herunter. Schwerlich würd' ich mich auch deswegen blos
einschiffen, um einzubrechen und dies und das zu stehlen. Und wenn es25
noch irgend einen Nuzen giebt, den das Luftschif hat: so, wolt' ich
wetten, thät' ichs seinet wegen nicht, aber ich würde mich einsezen,
um bei Ihnen angefahren zu kommen. Wir sprächen dan mit einander,
lobten Hof und Leipzig und ich sties [!] wieder ab. Dazu könt' ich dan
folgende Briefe etc. selbst herumtragen; aber so sind Sie äusserst schlim30
daran und müssen 4 Briefe auf einmal bestellen lassen. Der Himmel
aber weis, wie sehr ich wünsche, Sie wären in ganz Hof verliebt und
übermachten die Briefe aus Mistrauen in den Postmeister an mich. etc.
Es [wäre] ausserordentlich gut, wenn ich ein Arzt wäre: so könte ich
Ihre Abhandlung loben; aber da ich keiner bin, so kan sie mir blos35

169. An Wieland.
p. p.

Wahrſcheinlich erhielten Euer Wohlgebohren vor ungefähr andert-
halb Monaten den Aufſaz „Wahnſinnige Sprünge, wodurch ich den
[221]Leſer und mich einzuſchläfern ꝛc.“; er wolte dadurch in den t. Merkur5
hinein und war, wie ich glaube, völlig darauf aus. Da es ihm mis-
gelungen: ſo bitte ich Sie um Verzeihung für dieſe Abſicht, und um die
Zurükſendung des unbedeutenden Papiers.

Lieber Himmel! warum müſſen doch folgende zwei Dinge in der
That ſein? und war es denn auf gar keine Weiſe anders zu machen?10
Ich meine, warum mus ein Man, der keine Schmeicheleien mehr
beſorgen darf, mit einem elenden Fracht- und Aviſozettel behelligt
werden? Und zweitens, warum bin ich nicht unglaublich viel mehr?
Ich dürfte dan meinem Herzen Luft machen und hätte den Muth, zu
bewundern.15

[Spaltenumbruch] Hof den 15. Mai 1786. [Spaltenumbruch] J. P. F. Richter
[Adr.] An den Herrn Herausgeber des teutſchen Merkurs in
Weimar. Frei.
170. An Hermann in Leipzig.
[Kopie]20

Ich wolt’, ich hätte das beſte Luftſchif unter allen. Nicht etwan,
weil [ich] alsdan die beſten Unterſuchungen über die Beſchaffenheit
der obern Luft anzuſtellen vermöchte. Auch nicht [wegen] der Ausſicht
von oben herunter. Schwerlich würd’ ich mich auch deswegen blos
einſchiffen, um einzubrechen und dies und das zu ſtehlen. Und wenn es25
noch irgend einen Nuzen giebt, den das Luftſchif hat: ſo, wolt’ ich
wetten, thät’ ichs ſeinet wegen nicht, aber ich würde mich einſezen,
um bei Ihnen angefahren zu kommen. Wir ſprächen dan mit einander,
lobten Hof und Leipzig und ich ſties [!] wieder ab. Dazu könt’ ich dan
folgende Briefe ꝛc. ſelbſt herumtragen; aber ſo ſind Sie äuſſerſt ſchlim30
daran und müſſen 4 Briefe auf einmal beſtellen laſſen. Der Himmel
aber weis, wie ſehr ich wünſche, Sie wären in ganz Hof verliebt und
übermachten die Briefe aus Mistrauen in den Poſtmeiſter an mich. ꝛc.
Es [wäre] auſſerordentlich gut, wenn ich ein Arzt wäre: ſo könte ich
Ihre Abhandlung loben; aber da ich keiner bin, ſo kan ſie mir blos35

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[210/0235] 169. An Wieland. p. p. Wahrſcheinlich erhielten Euer Wohlgebohren vor ungefähr andert- halb Monaten den Aufſaz „Wahnſinnige Sprünge, wodurch ich den Leſer und mich einzuſchläfern ꝛc.“; er wolte dadurch in den t. Merkur 5 hinein und war, wie ich glaube, völlig darauf aus. Da es ihm mis- gelungen: ſo bitte ich Sie um Verzeihung für dieſe Abſicht, und um die Zurükſendung des unbedeutenden Papiers. [221] Lieber Himmel! warum müſſen doch folgende zwei Dinge in der That ſein? und war es denn auf gar keine Weiſe anders zu machen? 10 Ich meine, warum mus ein Man, der keine Schmeicheleien mehr beſorgen darf, mit einem elenden Fracht- und Aviſozettel behelligt werden? Und zweitens, warum bin ich nicht unglaublich viel mehr? Ich dürfte dan meinem Herzen Luft machen und hätte den Muth, zu bewundern. 15 Hof den 15. Mai 1786. J. P. F. Richter [Adr.] An den Herrn Herausgeber des teutſchen Merkurs in Weimar. Frei. 170. An Hermann in Leipzig. [Hof, 16. Mai 1786] 20 Ich wolt’, ich hätte das beſte Luftſchif unter allen. Nicht etwan, weil [ich] alsdan die beſten Unterſuchungen über die Beſchaffenheit der obern Luft anzuſtellen vermöchte. Auch nicht [wegen] der Ausſicht von oben herunter. Schwerlich würd’ ich mich auch deswegen blos einſchiffen, um einzubrechen und dies und das zu ſtehlen. Und wenn es 25 noch irgend einen Nuzen giebt, den das Luftſchif hat: ſo, wolt’ ich wetten, thät’ ichs ſeinet wegen nicht, aber ich würde mich einſezen, um bei Ihnen angefahren zu kommen. Wir ſprächen dan mit einander, lobten Hof und Leipzig und ich ſties [!] wieder ab. Dazu könt’ ich dan folgende Briefe ꝛc. ſelbſt herumtragen; aber ſo ſind Sie äuſſerſt ſchlim 30 daran und müſſen 4 Briefe auf einmal beſtellen laſſen. Der Himmel aber weis, wie ſehr ich wünſche, Sie wären in ganz Hof verliebt und übermachten die Briefe aus Mistrauen in den Poſtmeiſter an mich. ꝛc. Es [wäre] auſſerordentlich gut, wenn ich ein Arzt wäre: ſo könte ich Ihre Abhandlung loben; aber da ich keiner bin, ſo kan ſie mir blos 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/235>, abgerufen am 28.03.2024.