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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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Die Alchymie oder wie ihre Liebhaber sie nennen die höhere
Chemie -- sowie es eine niedrige Jagd giebt, so könte man diese die
hohe Jagd nach Metallen nennen -- macht immer mehrere Proselyten
und ieder chemische Ofen wird zulezt ein Altar, worauf man ihr
ewiges Feuer opfert. Ich kenne selbst drei Männer, die an sie glauben5
troz ihren guten Köpfen und ihren noch bessern Herzen: weil das
alchymistische Feuer auch leuchtet (auf Erfindungen leitet) so
schliessen sie sofort, also kocht es auch Gold..... Dauert diese Ver-
mehrung der höhern Chemisten noch lange fort: so mus der niedere
Adel der Chemisten zu wünschen anfangen, daß iene nicht blos Gold10
machen, sondern auch Gold trinken und stat einer Lebens- eine
Todtentinktur erfinden möchten, welche ihrem Anwachs vortheil-
hafte Schranken sezte.

Wenn ich dich wieder sehe, werd' ich dir viel erzählen: du aber wirst
mir noch mehr erzählen, weil du dich durch Schreiben nicht erschöpfest.15
z. B. vom hiesigen Billard, wo lauter Leute sizen, aus deren Munde
nicht viel mehr komt als -- Tabaksrauch und deren Gegenwart du
nicht sowol hörest als riechst. --

Sei so gut und gebe den Brief an Archenholz auf die Post und
frankire ihn: glaube aber nicht, daß ich nicht heimlich die Porto's20
nachrechne, die du für meine Briefe giebst: ich kan das nicht wol unter-
lassen, weil ich zu sehr besorgen mus, du möchtest in der Rechnung, die
[151]du mir über deine Auslagen machst, mich doch -- betrügen; ich bin
hierin durch traurige Erfahrungen längst gewiziget und klüger
gemacht worden, wo du mir stat 3. Groschen nur 2 Groschen anrechne-25
test und dich lieber selbst um Einen Groschen betrogest, um nur auch
mich zu betrügen das Vergnügen zu haben.

Lebe wol mein Freund! Wenn ich alzeit so gegen dich wäre, wie ich
mir vorseze zu sein, wenn ich nicht bei dir bin: so hätte ich gar niemals
gesündiget wider den Namen30

[Spaltenumbruch] Hof den 21 Jenner 1785. [Spaltenumbruch] Deines Freunds J. P. F. R.

N. S. Die Weinertin hat an mich geschrieben: aber ich kan ihr
unmöglich helfen. Sage ihr doch -- wie oft wird sie dich überlaufen --
daß sie ihre Briefe dir zustellet: sonst gelangen sie nicht an mich und
werden wie der vorige vorher von andern erbrochen. Wenigstens mus35
sie daraufsezen: in der Klostergasse. -- Die zwei Manuskripte für den
Pf[arrer] von Rehau, um die ich dich neulich bat etc.

Die Alchymie oder wie ihre Liebhaber ſie nennen die höhere
Chemie — ſowie es eine niedrige Jagd giebt, ſo könte man dieſe die
hohe Jagd nach Metallen nennen — macht immer mehrere Proſelyten
und ieder chemiſche Ofen wird zulezt ein Altar, worauf man ihr
ewiges Feuer opfert. Ich kenne ſelbſt drei Männer, die an ſie glauben5
troz ihren guten Köpfen und ihren noch beſſern Herzen: weil das
alchymiſtiſche Feuer auch leuchtet (auf Erfindungen leitet) ſo
ſchlieſſen ſie ſofort, alſo kocht es auch Gold..... Dauert dieſe Ver-
mehrung der höhern Chemiſten noch lange fort: ſo mus der niedere
Adel der Chemiſten zu wünſchen anfangen, daß iene nicht blos Gold10
machen, ſondern auch Gold trinken und ſtat einer Lebens- eine
Todtentinktur erfinden möchten, welche ihrem Anwachs vortheil-
hafte Schranken ſezte.

Wenn ich dich wieder ſehe, werd’ ich dir viel erzählen: du aber wirſt
mir noch mehr erzählen, weil du dich durch Schreiben nicht erſchöpfeſt.15
z. B. vom hieſigen Billard, wo lauter Leute ſizen, aus deren Munde
nicht viel mehr komt als — Tabaksrauch und deren Gegenwart du
nicht ſowol höreſt als riechſt.

Sei ſo gut und gebe den Brief an Archenholz auf die Poſt und
frankire ihn: glaube aber nicht, daß ich nicht heimlich die Porto’s20
nachrechne, die du für meine Briefe giebſt: ich kan das nicht wol unter-
laſſen, weil ich zu ſehr beſorgen mus, du möchteſt in der Rechnung, die
[151]du mir über deine Auslagen machſt, mich doch — betrügen; ich bin
hierin durch traurige Erfahrungen längſt gewiziget und klüger
gemacht worden, wo du mir ſtat 3. Groſchen nur 2 Groſchen anrechne-25
teſt und dich lieber ſelbſt um Einen Groſchen betrogeſt, um nur auch
mich zu betrügen das Vergnügen zu haben.

Lebe wol mein Freund! Wenn ich alzeit ſo gegen dich wäre, wie ich
mir vorſeze zu ſein, wenn ich nicht bei dir bin: ſo hätte ich gar niemals
geſündiget wider den Namen30

[Spaltenumbruch] Hof den 21 Jenner 1785. [Spaltenumbruch] Deines Freunds J. P. F. R.

N. S. Die Weinertin hat an mich geſchrieben: aber ich kan ihr
unmöglich helfen. Sage ihr doch — wie oft wird ſie dich überlaufen —
daß ſie ihre Briefe dir zuſtellet: ſonſt gelangen ſie nicht an mich und
werden wie der vorige vorher von andern erbrochen. Wenigſtens mus35
ſie daraufſezen: in der Kloſtergaſſe. — Die zwei Manuſkripte für den
Pf[arrer] von Rehau, um die ich dich neulich bat ꝛc.

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[142/0166] Die Alchymie oder wie ihre Liebhaber ſie nennen die höhere Chemie — ſowie es eine niedrige Jagd giebt, ſo könte man dieſe die hohe Jagd nach Metallen nennen — macht immer mehrere Proſelyten und ieder chemiſche Ofen wird zulezt ein Altar, worauf man ihr ewiges Feuer opfert. Ich kenne ſelbſt drei Männer, die an ſie glauben 5 troz ihren guten Köpfen und ihren noch beſſern Herzen: weil das alchymiſtiſche Feuer auch leuchtet (auf Erfindungen leitet) ſo ſchlieſſen ſie ſofort, alſo kocht es auch Gold..... Dauert dieſe Ver- mehrung der höhern Chemiſten noch lange fort: ſo mus der niedere Adel der Chemiſten zu wünſchen anfangen, daß iene nicht blos Gold 10 machen, ſondern auch Gold trinken und ſtat einer Lebens- eine Todtentinktur erfinden möchten, welche ihrem Anwachs vortheil- hafte Schranken ſezte. Wenn ich dich wieder ſehe, werd’ ich dir viel erzählen: du aber wirſt mir noch mehr erzählen, weil du dich durch Schreiben nicht erſchöpfeſt. 15 z. B. vom hieſigen Billard, wo lauter Leute ſizen, aus deren Munde nicht viel mehr komt als — Tabaksrauch und deren Gegenwart du nicht ſowol höreſt als riechſt. — Sei ſo gut und gebe den Brief an Archenholz auf die Poſt und frankire ihn: glaube aber nicht, daß ich nicht heimlich die Porto’s 20 nachrechne, die du für meine Briefe giebſt: ich kan das nicht wol unter- laſſen, weil ich zu ſehr beſorgen mus, du möchteſt in der Rechnung, die du mir über deine Auslagen machſt, mich doch — betrügen; ich bin hierin durch traurige Erfahrungen längſt gewiziget und klüger gemacht worden, wo du mir ſtat 3. Groſchen nur 2 Groſchen anrechne- 25 teſt und dich lieber ſelbſt um Einen Groſchen betrogeſt, um nur auch mich zu betrügen das Vergnügen zu haben. [151] Lebe wol mein Freund! Wenn ich alzeit ſo gegen dich wäre, wie ich mir vorſeze zu ſein, wenn ich nicht bei dir bin: ſo hätte ich gar niemals geſündiget wider den Namen 30 Hof den 21 Jenner 1785. Deines Freunds J. P. F. R. N. S. Die Weinertin hat an mich geſchrieben: aber ich kan ihr unmöglich helfen. Sage ihr doch — wie oft wird ſie dich überlaufen — daß ſie ihre Briefe dir zuſtellet: ſonſt gelangen ſie nicht an mich und werden wie der vorige vorher von andern erbrochen. Wenigſtens mus 35 ſie daraufſezen: in der Kloſtergaſſe. — Die zwei Manuſkripte für den Pf[arrer] von Rehau, um die ich dich neulich bat ꝛc.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/166>, abgerufen am 18.04.2024.