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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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gestehest, daß du wol nicht umhin könnest, sie auch zu sehen. -- Aber
die eigentliche Ursache, warum ich dir von seinem Buche schreibe, ist,
ich wil dich etwas bitten: er wil nämlich einen gewissen alten Aufsaz
von mir ("über die vielen Religionen in der Welt") in dasselbe einrükken
(ich thue mir indessen auf das Glük dieses Aufsazes wol nicht viel zu5
gute, wenn ich wache; aber gestern wars mir doch so im Traume, als
ob ich mit der Einrükkung desselben an verschiedenen Orte[n] stark
geprahlet hätte). Dieser Aufsaz ist nun sehr verbessert unter meinen
Papieren zu finden, aus dem du ihn hervorgraben solst. Er stehet in
dem Manuskripte, worinnen das Lob der Dumheit ist und welches in10
zwo Hälften zertrennet ist: davon die eine das besagte Lob, und die
andere Rapsodien enthält, deren erste dieser Aufsaz ist. Dieses Mskpt.
ist in einem der Fächer der Kommode in meiner Kammer. Das ist
aber nur meine erste Bitte. Meine zwote ist: oben auf dem Gesimse der
Kammer stehet mein Kästgen mit Briefen; in diesem ist eine bogen-15
lange Antwort und Widerlegung des gedachten Aufsazes, deren Ver-
fasser der H. Pfarrer ist; das wil er auch haben. (Beides brauchst du
nur in deinem Wäschkästgen mitbeizulegen; solte es auch nur wegen ge-
wissen wizigen Ähnlichkeiten sein, die ich zwischen beiden nicht umsonst
wil gefunden haben.) Indessen kan ich für diese 2. Bitten wenig oder20
nichts. Nun kommen eigentlich meine. Die dritte ist: trage das Paket
an den H. v. Archenholz in die Gelehrtenbuchhandlung. Die vierte
ist: trage das andere zu Reiche. Die fünfte ist: trage den Brief zur
Weinertin. Die sechste ist: trage einen andern Brief zum Herman, dem
das Gesicht und die Stimme seines Vaters, den ich nun gesprochen,25
[145]wahrhaftig keine Schande macht. Die siebente und lezte Bitte ist:
thue einmal selber eine an mich. Im Vater Unser sind auch 7. Bitten,
wie mir iezt erst einfält, zu meinem grösten Vergnügen. Doch möchte
ich dich auch noch ersuchen, gesund zu sein.

Aus meiner künftigen Antwort auf deinen leztern Brief wil ich30
doch das ausheben, daß mir deine Bemerkung von denen, "die glauben,
"Got könne die Tugend aus blosser Liebe zur Volkommenheit lieben,
"und gleichwol läugnen, daß es die Menschen, ohne Rüksicht auf Be-
"lohnung, auch können" ausnehmend gefället etc.

Schreib' mir doch die Urtheile derer, die sich durch meine Flucht von35
mir bestohlen glauben. Dieser lere und kurze Brief -- gleichwol werd'
ich ihn mir einmal wieder zurükgeben lassen, um ihn in mein Korrespon-

geſteheſt, daß du wol nicht umhin könneſt, ſie auch zu ſehen. — Aber
die eigentliche Urſache, warum ich dir von ſeinem Buche ſchreibe, iſt,
ich wil dich etwas bitten: er wil nämlich einen gewiſſen alten Aufſaz
von mir („über die vielen Religionen in der Welt“) in daſſelbe einrükken
(ich thue mir indeſſen auf das Glük dieſes Aufſazes wol nicht viel zu5
gute, wenn ich wache; aber geſtern wars mir doch ſo im Traume, als
ob ich mit der Einrükkung deſſelben an verſchiedenen Orte[n] ſtark
geprahlet hätte). Dieſer Aufſaz iſt nun ſehr verbeſſert unter meinen
Papieren zu finden, aus dem du ihn hervorgraben ſolſt. Er ſtehet in
dem Manuſkripte, worinnen das Lob der Dumheit iſt und welches in10
zwo Hälften zertrennet iſt: davon die eine das beſagte Lob, und die
andere Rapſodien enthält, deren erſte dieſer Aufſaz iſt. Dieſes Mſkpt.
iſt in einem der Fächer der Kommode in meiner Kammer. Das iſt
aber nur meine erſte Bitte. Meine zwote iſt: oben auf dem Geſimſe der
Kammer ſtehet mein Käſtgen mit Briefen; in dieſem iſt eine bogen-15
lange Antwort und Widerlegung des gedachten Aufſazes, deren Ver-
faſſer der H. Pfarrer iſt; das wil er auch haben. (Beides brauchſt du
nur in deinem Wäſchkäſtgen mitbeizulegen; ſolte es auch nur wegen ge-
wiſſen wizigen Ähnlichkeiten ſein, die ich zwiſchen beiden nicht umſonſt
wil gefunden haben.) Indeſſen kan ich für dieſe 2. Bitten wenig oder20
nichts. Nun kommen eigentlich meine. Die dritte iſt: trage das Paket
an den H. v. Archenholz in die Gelehrtenbuchhandlung. Die vierte
iſt: trage das andere zu Reiche. Die fünfte iſt: trage den Brief zur
Weinertin. Die ſechſte iſt: trage einen andern Brief zum Herman, dem
das Geſicht und die Stimme ſeines Vaters, den ich nun geſprochen,25
[145]wahrhaftig keine Schande macht. Die ſiebente und lezte Bitte iſt:
thue einmal ſelber eine an mich. Im Vater Unſer ſind auch 7. Bitten,
wie mir iezt erſt einfält, zu meinem gröſten Vergnügen. Doch möchte
ich dich auch noch erſuchen, geſund zu ſein.

Aus meiner künftigen Antwort auf deinen leztern Brief wil ich30
doch das ausheben, daß mir deine Bemerkung von denen, „die glauben,
„Got könne die Tugend aus bloſſer Liebe zur Volkommenheit lieben,
„und gleichwol läugnen, daß es die Menſchen, ohne Rükſicht auf Be-
„lohnung, auch können“ ausnehmend gefället ꝛc.

Schreib’ mir doch die Urtheile derer, die ſich durch meine Flucht von35
mir beſtohlen glauben. Dieſer lere und kurze Brief — gleichwol werd’
ich ihn mir einmal wieder zurükgeben laſſen, um ihn in mein Korreſpon-

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[136/0160] geſteheſt, daß du wol nicht umhin könneſt, ſie auch zu ſehen. — Aber die eigentliche Urſache, warum ich dir von ſeinem Buche ſchreibe, iſt, ich wil dich etwas bitten: er wil nämlich einen gewiſſen alten Aufſaz von mir („über die vielen Religionen in der Welt“) in daſſelbe einrükken (ich thue mir indeſſen auf das Glük dieſes Aufſazes wol nicht viel zu 5 gute, wenn ich wache; aber geſtern wars mir doch ſo im Traume, als ob ich mit der Einrükkung deſſelben an verſchiedenen Orte[n] ſtark geprahlet hätte). Dieſer Aufſaz iſt nun ſehr verbeſſert unter meinen Papieren zu finden, aus dem du ihn hervorgraben ſolſt. Er ſtehet in dem Manuſkripte, worinnen das Lob der Dumheit iſt und welches in 10 zwo Hälften zertrennet iſt: davon die eine das beſagte Lob, und die andere Rapſodien enthält, deren erſte dieſer Aufſaz iſt. Dieſes Mſkpt. iſt in einem der Fächer der Kommode in meiner Kammer. Das iſt aber nur meine erſte Bitte. Meine zwote iſt: oben auf dem Geſimſe der Kammer ſtehet mein Käſtgen mit Briefen; in dieſem iſt eine bogen- 15 lange Antwort und Widerlegung des gedachten Aufſazes, deren Ver- faſſer der H. Pfarrer iſt; das wil er auch haben. (Beides brauchſt du nur in deinem Wäſchkäſtgen mitbeizulegen; ſolte es auch nur wegen ge- wiſſen wizigen Ähnlichkeiten ſein, die ich zwiſchen beiden nicht umſonſt wil gefunden haben.) Indeſſen kan ich für dieſe 2. Bitten wenig oder 20 nichts. Nun kommen eigentlich meine. Die dritte iſt: trage das Paket an den H. v. Archenholz in die Gelehrtenbuchhandlung. Die vierte iſt: trage das andere zu Reiche. Die fünfte iſt: trage den Brief zur Weinertin. Die ſechſte iſt: trage einen andern Brief zum Herman, dem das Geſicht und die Stimme ſeines Vaters, den ich nun geſprochen, 25 wahrhaftig keine Schande macht. Die ſiebente und lezte Bitte iſt: thue einmal ſelber eine an mich. Im Vater Unſer ſind auch 7. Bitten, wie mir iezt erſt einfält, zu meinem gröſten Vergnügen. Doch möchte ich dich auch noch erſuchen, geſund zu ſein. [145] Aus meiner künftigen Antwort auf deinen leztern Brief wil ich 30 doch das ausheben, daß mir deine Bemerkung von denen, „die glauben, „Got könne die Tugend aus bloſſer Liebe zur Volkommenheit lieben, „und gleichwol läugnen, daß es die Menſchen, ohne Rükſicht auf Be- „lohnung, auch können“ ausnehmend gefället ꝛc. Schreib’ mir doch die Urtheile derer, die ſich durch meine Flucht von 35 mir beſtohlen glauben. Dieſer lere und kurze Brief — gleichwol werd’ ich ihn mir einmal wieder zurükgeben laſſen, um ihn in mein Korreſpon-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/160>, abgerufen am 18.04.2024.