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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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71. An Buchhändler J. Fr. Hartknoch in Leipzig.
[Konzept]

Wenn Sie diesen Brief werden durchgelesen haben, wird Ihnen der
Überbringer desselben ein Pak Satiren übergeben, das ich Sie auch
durchzulesen bitte. Sie könten ihren Werth w[enigstens] zum Theil er-5
rathen, wenn Ihnen die grönl[ändischen Prozesse], die ich neulich bei
Voß in Berlin in 2 Theilen verlegen lassen, bekant geworden. Das
Buch, dessen Probe ich Ihnen hier sende, wird einen starken Oktav-
[band] geben oder besser in zwei kleine zerfallen. -- Ich hätte dieses
stat schriftlich eben so gut mündlich sagen können, aber niemand ist10
unfähiger als ich, aus dem Stegreif oder vom Blatte zu reden. Sie
können diese Unfähigkeit daraus abnehmen, weil ich einen Brief
geschrieben, ungeachtet ich doch der Überbringer desselben, der iezt mit
einem sehr einfältigen Gesichte vor Ihnen steht, selber bin. Doch werd'
ich Sie mündlich wenigstens versichern, daß ich etc.15

72. An Buchhändler Phil. Erasmus Reich in Leipzig?
Hochedelgeborner Herr,
Hochzuehrender Herr,

Vielleicht haben Sie sich schon bei dem ersten Anblik dieser Hand-
schrift entschlossen, sie nicht zu lesen; aber wenigstens darf ich Sie bitten,20
lesen Sie nur diesen Brief. Aus einem Bande satirischer Abhandlungen
schikk' ich Ihnen einige Proben vermischter Art, um von Ihnen zu er-
fahren, ob sie unter die Misgeburten oder ob sie unter die Geschöpfe
gehören, welche die Wiedergeburt von Ihrer Hand verdienen. Der
Verfasser, der nichts noch als die von Voß verlegten grönländischen25
Prozesse herausgegeben, darf soviel doch von den gegenwärtigen
Satiren sagen, daß wenigstens die Zähne, womit sie verwunden
sollen, keine eingesezten und aus fremden Zahnläden ausgebrochnen,
sondern ihre eignen sind; freilich aber ist die Politur und Schärfe der-
selben darum noch nichts weniger als erwiesen. -- Und nun solt' ich[128]30
Ihnen nichts mehr sagen wollen. Denn auch noch von dem sonderbaren
Zustande eines Menschen etwas hinzufügen, den bei ieder An-
schmiegung das Glük wieder auf die Seite stösset, der wählen mus, ob
er lieber das Echo fremder Schellen, oder das Opfer des breiten
Gewehrs, das iene gewöhnlich begleitet und rächt, sein wil -- das würde35

71. An Buchhändler J. Fr. Hartknoch in Leipzig.
[Konzept]

Wenn Sie dieſen Brief werden durchgeleſen haben, wird Ihnen der
Überbringer deſſelben ein Pak Satiren übergeben, das ich Sie auch
durchzuleſen bitte. Sie könten ihren Werth w[enigſtens] zum Theil er-5
rathen, wenn Ihnen die grönl[ändiſchen Prozeſſe], die ich neulich bei
Voß in Berlin in 2 Theilen verlegen laſſen, bekant geworden. Das
Buch, deſſen Probe ich Ihnen hier ſende, wird einen ſtarken Oktav-
[band] geben oder beſſer in zwei kleine zerfallen. — Ich hätte dieſes
ſtat ſchriftlich eben ſo gut mündlich ſagen können, aber niemand iſt10
unfähiger als ich, aus dem Stegreif oder vom Blatte zu reden. Sie
können dieſe Unfähigkeit daraus abnehmen, weil ich einen Brief
geſchrieben, ungeachtet ich doch der Überbringer deſſelben, der iezt mit
einem ſehr einfältigen Geſichte vor Ihnen ſteht, ſelber bin. Doch werd’
ich Sie mündlich wenigſtens verſichern, daß ich ꝛc.15

72. An Buchhändler Phil. Erasmus Reich in Leipzig?
Hochedelgeborner Herr,
Hochzuehrender Herr,

Vielleicht haben Sie ſich ſchon bei dem erſten Anblik dieſer Hand-
ſchrift entſchloſſen, ſie nicht zu leſen; aber wenigſtens darf ich Sie bitten,20
leſen Sie nur dieſen Brief. Aus einem Bande ſatiriſcher Abhandlungen
ſchikk’ ich Ihnen einige Proben vermiſchter Art, um von Ihnen zu er-
fahren, ob ſie unter die Misgeburten oder ob ſie unter die Geſchöpfe
gehören, welche die Wiedergeburt von Ihrer Hand verdienen. Der
Verfaſſer, der nichts noch als die von Voß verlegten grönländiſchen25
Prozeſſe herausgegeben, darf ſoviel doch von den gegenwärtigen
Satiren ſagen, daß wenigſtens die Zähne, womit ſie verwunden
ſollen, keine eingeſezten und aus fremden Zahnläden ausgebrochnen,
ſondern ihre eignen ſind; freilich aber iſt die Politur und Schärfe der-
ſelben darum noch nichts weniger als erwieſen. — Und nun ſolt’ ich[128]30
Ihnen nichts mehr ſagen wollen. Denn auch noch von dem ſonderbaren
Zuſtande eines Menſchen etwas hinzufügen, den bei ieder An-
ſchmiegung das Glük wieder auf die Seite ſtöſſet, der wählen mus, ob
er lieber das Echo fremder Schellen, oder das Opfer des breiten
Gewehrs, das iene gewöhnlich begleitet und rächt, ſein wil — das würde35

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[119/0143] 71. An Buchhändler J. Fr. Hartknoch in Leipzig. [Leipzig, 22. Mai 1784] Wenn Sie dieſen Brief werden durchgeleſen haben, wird Ihnen der Überbringer deſſelben ein Pak Satiren übergeben, das ich Sie auch durchzuleſen bitte. Sie könten ihren Werth w[enigſtens] zum Theil er- 5 rathen, wenn Ihnen die grönl[ändiſchen Prozeſſe], die ich neulich bei Voß in Berlin in 2 Theilen verlegen laſſen, bekant geworden. Das Buch, deſſen Probe ich Ihnen hier ſende, wird einen ſtarken Oktav- [band] geben oder beſſer in zwei kleine zerfallen. — Ich hätte dieſes ſtat ſchriftlich eben ſo gut mündlich ſagen können, aber niemand iſt 10 unfähiger als ich, aus dem Stegreif oder vom Blatte zu reden. Sie können dieſe Unfähigkeit daraus abnehmen, weil ich einen Brief geſchrieben, ungeachtet ich doch der Überbringer deſſelben, der iezt mit einem ſehr einfältigen Geſichte vor Ihnen ſteht, ſelber bin. Doch werd’ ich Sie mündlich wenigſtens verſichern, daß ich ꝛc. 15 72. An Buchhändler Phil. Erasmus Reich in Leipzig? Hochedelgeborner Herr, Hochzuehrender Herr, Vielleicht haben Sie ſich ſchon bei dem erſten Anblik dieſer Hand- ſchrift entſchloſſen, ſie nicht zu leſen; aber wenigſtens darf ich Sie bitten, 20 leſen Sie nur dieſen Brief. Aus einem Bande ſatiriſcher Abhandlungen ſchikk’ ich Ihnen einige Proben vermiſchter Art, um von Ihnen zu er- fahren, ob ſie unter die Misgeburten oder ob ſie unter die Geſchöpfe gehören, welche die Wiedergeburt von Ihrer Hand verdienen. Der Verfaſſer, der nichts noch als die von Voß verlegten grönländiſchen 25 Prozeſſe herausgegeben, darf ſoviel doch von den gegenwärtigen Satiren ſagen, daß wenigſtens die Zähne, womit ſie verwunden ſollen, keine eingeſezten und aus fremden Zahnläden ausgebrochnen, ſondern ihre eignen ſind; freilich aber iſt die Politur und Schärfe der- ſelben darum noch nichts weniger als erwieſen. — Und nun ſolt’ ich 30 Ihnen nichts mehr ſagen wollen. Denn auch noch von dem ſonderbaren Zuſtande eines Menſchen etwas hinzufügen, den bei ieder An- ſchmiegung das Glük wieder auf die Seite ſtöſſet, der wählen mus, ob er lieber das Echo fremder Schellen, oder das Opfer des breiten Gewehrs, das iene gewöhnlich begleitet und rächt, ſein wil — das würde 35 [128]

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/143>, abgerufen am 29.03.2024.