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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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[103]für Mükken, wenigstens nicht in Beziehung auf mich ansehen. Auch
hies ich sie nur Frösche in Rüksicht auf Nachtigallen, aber nicht [in]
Rüksicht auf mich, der ich nicht einmal zu einem Hänfling d. h. zu
einem Echo der Philomelen tauge. Ich bin mit dem Stolze dieser
Personen über das Dasein ihrer Verdienste einig; aber ich bin nur5
nicht mit ihrem Hochmut über die Anzal derselben einig; ihr Stolz
mus Recht haben: denn sonst würden Sie ihre Geselschaft ganz ver-
meiden; allein ihr Hochmut kan doch nicht Recht haben: denn sonst
würden Sie sie nicht Mükken schelten.

Sie vergleichen Sich mit dem Kato; in der Grösse des Ernstes, aber10
nicht in der Anwendung desselben mögen Sie ihm änlichen. Denn
eben dieser Man war so wenig der Resonanzboden fremder Mäuler,
daß er nach dem Essen (wie Plutarch berichtet) one Unterkleid und bar-
fus auf dem Markt spazieren gieng -- und noch überdies als Konsul.

Hier folgen Ihre Bücher, von dem gewönlichen Dank und der15
gewönlichen Bitte begleitet. Die Briefe der Ninon sind (nach dem
Augenschein und der Geschichte, davon der erste ein testis ocularis und
die andre eine testis auricularis ist) apokryphisch und gehören einer
andern Mutter. Die Ninon verheuratete sich weder mit einer subluna-
rischen Mansperson noch mit dem supralunarischen Phöbus; sondern20
lies sich von beiden blos augenblikliche Genüsse ihrer Reize abstelen
und gebar daher weder Bücher noch Söne und Töchter, sondern nur
wizige Einfälle und Bastarte. -- Eben so ist La Bruy[e]re nicht der
Vater, sondern höchstens der Grosvater des dritten Teils seiner
Karaktere, der an Wiz, Satire und Menschenkentnis blos der Stief-25
bruder der andern ist. -- Man traktirt gewönlich Leute, von denen man
auf eine lange Zeit Abschied nimt; da ich in meinem künftigen Briefe
auch Abschied nemen und in vierzehn Tagen Hof auf lange verlassen
werde, so hoff' ich von Ihnen, daß Sie meinen Geist noch einmal mit
Ihren Büchern traktiren. Der Küchenzettel der geistigen Speisen wäre30
folgender:

etliche neue Bände der Chronologen, deren Verfasser die Britten so
ser hasset wie Sie, der mir aber demungeachtet so ser gefält wie
Sie --

Merkwürdigkeiten der Kalmükken --35
Sulzer's Theorie der schönen Künste etc. erster Teil.
Schrökh's Kirchengeschichte, zweiter oder dritter Teil.

[103]für Mükken, wenigſtens nicht in Beziehung auf mich anſehen. Auch
hies ich ſie nur Fröſche in Rükſicht auf Nachtigallen, aber nicht [in]
Rükſicht auf mich, der ich nicht einmal zu einem Hänfling d. h. zu
einem Echo der Philomelen tauge. Ich bin mit dem Stolze dieſer
Perſonen über das Daſein ihrer Verdienſte einig; aber ich bin nur5
nicht mit ihrem Hochmut über die Anzal derſelben einig; ihr Stolz
mus Recht haben: denn ſonſt würden Sie ihre Geſelſchaft ganz ver-
meiden; allein ihr Hochmut kan doch nicht Recht haben: denn ſonſt
würden Sie ſie nicht Mükken ſchelten.

Sie vergleichen Sich mit dem Kato; in der Gröſſe des Ernſtes, aber10
nicht in der Anwendung deſſelben mögen Sie ihm änlichen. Denn
eben dieſer Man war ſo wenig der Reſonanzboden fremder Mäuler,
daß er nach dem Eſſen (wie Plutarch berichtet) one Unterkleid und bar-
fus auf dem Markt ſpazieren gieng — und noch überdies als Konſul.

Hier folgen Ihre Bücher, von dem gewönlichen Dank und der15
gewönlichen Bitte begleitet. Die Briefe der Ninon ſind (nach dem
Augenſchein und der Geſchichte, davon der erſte ein testis ocularis und
die andre eine testis auricularis iſt) apokryphiſch und gehören einer
andern Mutter. Die Ninon verheuratete ſich weder mit einer ſubluna-
riſchen Mansperſon noch mit dem ſupralunariſchen Phöbus; ſondern20
lies ſich von beiden blos augenblikliche Genüſſe ihrer Reize abſtelen
und gebar daher weder Bücher noch Söne und Töchter, ſondern nur
wizige Einfälle und Baſtarte. — Eben ſo iſt La Bruy[e]re nicht der
Vater, ſondern höchſtens der Grosvater des dritten Teils ſeiner
Karaktere, der an Wiz, Satire und Menſchenkentnis blos der Stief-25
bruder der andern iſt. — Man traktirt gewönlich Leute, von denen man
auf eine lange Zeit Abſchied nimt; da ich in meinem künftigen Briefe
auch Abſchied nemen und in vierzehn Tagen Hof auf lange verlaſſen
werde, ſo hoff’ ich von Ihnen, daß Sie meinen Geiſt noch einmal mit
Ihren Büchern traktiren. Der Küchenzettel der geiſtigen Speiſen wäre30
folgender:

etliche neue Bände der Chronologen, deren Verfaſſer die Britten ſo
ſer haſſet wie Sie, der mir aber demungeachtet ſo ſer gefält wie
Sie —

Merkwürdigkeiten der Kalmükken —35
Sulzer’s Theorie der ſchönen Künſte ꝛc. erſter Teil.
Schrökh’s Kirchengeſchichte, zweiter oder dritter Teil.
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[96/0119] für Mükken, wenigſtens nicht in Beziehung auf mich anſehen. Auch hies ich ſie nur Fröſche in Rükſicht auf Nachtigallen, aber nicht [in] Rükſicht auf mich, der ich nicht einmal zu einem Hänfling d. h. zu einem Echo der Philomelen tauge. Ich bin mit dem Stolze dieſer Perſonen über das Daſein ihrer Verdienſte einig; aber ich bin nur 5 nicht mit ihrem Hochmut über die Anzal derſelben einig; ihr Stolz mus Recht haben: denn ſonſt würden Sie ihre Geſelſchaft ganz ver- meiden; allein ihr Hochmut kan doch nicht Recht haben: denn ſonſt würden Sie ſie nicht Mükken ſchelten. [103] Sie vergleichen Sich mit dem Kato; in der Gröſſe des Ernſtes, aber 10 nicht in der Anwendung deſſelben mögen Sie ihm änlichen. Denn eben dieſer Man war ſo wenig der Reſonanzboden fremder Mäuler, daß er nach dem Eſſen (wie Plutarch berichtet) one Unterkleid und bar- fus auf dem Markt ſpazieren gieng — und noch überdies als Konſul. Hier folgen Ihre Bücher, von dem gewönlichen Dank und der 15 gewönlichen Bitte begleitet. Die Briefe der Ninon ſind (nach dem Augenſchein und der Geſchichte, davon der erſte ein testis ocularis und die andre eine testis auricularis iſt) apokryphiſch und gehören einer andern Mutter. Die Ninon verheuratete ſich weder mit einer ſubluna- riſchen Mansperſon noch mit dem ſupralunariſchen Phöbus; ſondern 20 lies ſich von beiden blos augenblikliche Genüſſe ihrer Reize abſtelen und gebar daher weder Bücher noch Söne und Töchter, ſondern nur wizige Einfälle und Baſtarte. — Eben ſo iſt La Bruy[e]re nicht der Vater, ſondern höchſtens der Grosvater des dritten Teils ſeiner Karaktere, der an Wiz, Satire und Menſchenkentnis blos der Stief- 25 bruder der andern iſt. — Man traktirt gewönlich Leute, von denen man auf eine lange Zeit Abſchied nimt; da ich in meinem künftigen Briefe auch Abſchied nemen und in vierzehn Tagen Hof auf lange verlaſſen werde, ſo hoff’ ich von Ihnen, daß Sie meinen Geiſt noch einmal mit Ihren Büchern traktiren. Der Küchenzettel der geiſtigen Speiſen wäre 30 folgender: etliche neue Bände der Chronologen, deren Verfaſſer die Britten ſo ſer haſſet wie Sie, der mir aber demungeachtet ſo ſer gefält wie Sie — Merkwürdigkeiten der Kalmükken — 35 Sulzer’s Theorie der ſchönen Künſte ꝛc. erſter Teil. Schrökh’s Kirchengeſchichte, zweiter oder dritter Teil.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/119>, abgerufen am 29.03.2024.