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Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841.

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spruch genommen werden. Große Reformen wurden da-
mals mit Bedacht erwogen und mit Schnelligkeit ausge-
führt. Durch das Gesetz vom 9. October 1807, betreffend
den erleichterten Besitz und freien Gebrauch des Grund-
eigenthums wurden nicht nur die zeitherigen Fesseln der
Erbunterthänigkeit gelöst, sondern auch eine factische
Gleichstellung aller Stände bewirkt. -- Die
Städteordnung vom 19. November 1808 hob die jeden
Gemeinsinn ertödtende Bevormundung der Communen auf
und erklärte den Bürger für selbstständig und mündig. --
Das Gesetz vom 26. December 1808 wegen verbesserter
Einrichtung der Provinzial-, Polizey- und Finanz-Be-
hörden schärfte den Verwaltungsbeamten das Bewußtsein,
daß "sie selber Bürger sind und bleiben, auch wenn ihnen
Staatsämter vertraut worden; daß auf der Wohlfahrt
ihrer Mitbürger nur die Wohlfahrt des Staats und des
Regenten beruht." Auch landständische Repräsentanten
sollten "mit voller Stimme" an den Regierungsge-
schäften Theil nehmen, "um den Geschäftsbetrieb mehr zu
beleben und durch ihre Sach- und Personen-Kenntniß zu
vereinfachen. Sie sollten sich selber von der Rechtlichkeit
und Ordnung der öffentlichen Staatsverwaltung näher über-
zeugen und diese Ueberzeugung in der Nation gleichfalls
erwecken und befestigen.". (s. Sammlung preuss. Ges. und
Verordng. v. 1806 bis 1810. Berlin 1822). Ist gleich
die hier ausgesprochene Theilnahme landständischer Reprä-
sentanten nicht in Ausführung gekommen, so lebt doch
ihre Bestimmung in dem Bewußtsein der Ostpreußen fort:

ſpruch genommen werden. Große Reformen wurden da-
mals mit Bedacht erwogen und mit Schnelligkeit ausge-
fuͤhrt. Durch das Geſetz vom 9. October 1807, betreffend
den erleichterten Beſitz und freien Gebrauch des Grund-
eigenthums wurden nicht nur die zeitherigen Feſſeln der
Erbunterthaͤnigkeit geloͤſt, ſondern auch eine factiſche
Gleichſtellung aller Staͤnde bewirkt. — Die
Staͤdteordnung vom 19. November 1808 hob die jeden
Gemeinſinn ertoͤdtende Bevormundung der Communen auf
und erklaͤrte den Buͤrger fuͤr ſelbſtſtaͤndig und muͤndig. —
Das Geſetz vom 26. December 1808 wegen verbeſſerter
Einrichtung der Provinzial-, Polizey- und Finanz-Be-
hoͤrden ſchaͤrfte den Verwaltungsbeamten das Bewußtſein,
daß „ſie ſelber Buͤrger ſind und bleiben, auch wenn ihnen
Staatsaͤmter vertraut worden; daß auf der Wohlfahrt
ihrer Mitbuͤrger nur die Wohlfahrt des Staats und des
Regenten beruht.“ Auch landſtaͤndiſche Repraͤſentanten
ſollten „mit voller Stimme“ an den Regierungsge-
ſchaͤften Theil nehmen, „um den Geſchaͤftsbetrieb mehr zu
beleben und durch ihre Sach- und Perſonen-Kenntniß zu
vereinfachen. Sie ſollten ſich ſelber von der Rechtlichkeit
und Ordnung der oͤffentlichen Staatsverwaltung naͤher uͤber-
zeugen und dieſe Ueberzeugung in der Nation gleichfalls
erwecken und befeſtigen.“. (ſ. Sammlung preuſſ. Geſ. und
Verordng. v. 1806 bis 1810. Berlin 1822). Iſt gleich
die hier ausgeſprochene Theilnahme landſtaͤndiſcher Repraͤ-
ſentanten nicht in Ausfuͤhrung gekommen, ſo lebt doch
ihre Beſtimmung in dem Bewußtſein der Oſtpreußen fort:

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[28/0034] ſpruch genommen werden. Große Reformen wurden da- mals mit Bedacht erwogen und mit Schnelligkeit ausge- fuͤhrt. Durch das Geſetz vom 9. October 1807, betreffend den erleichterten Beſitz und freien Gebrauch des Grund- eigenthums wurden nicht nur die zeitherigen Feſſeln der Erbunterthaͤnigkeit geloͤſt, ſondern auch eine factiſche Gleichſtellung aller Staͤnde bewirkt. — Die Staͤdteordnung vom 19. November 1808 hob die jeden Gemeinſinn ertoͤdtende Bevormundung der Communen auf und erklaͤrte den Buͤrger fuͤr ſelbſtſtaͤndig und muͤndig. — Das Geſetz vom 26. December 1808 wegen verbeſſerter Einrichtung der Provinzial-, Polizey- und Finanz-Be- hoͤrden ſchaͤrfte den Verwaltungsbeamten das Bewußtſein, daß „ſie ſelber Buͤrger ſind und bleiben, auch wenn ihnen Staatsaͤmter vertraut worden; daß auf der Wohlfahrt ihrer Mitbuͤrger nur die Wohlfahrt des Staats und des Regenten beruht.“ Auch landſtaͤndiſche Repraͤſentanten ſollten „mit voller Stimme“ an den Regierungsge- ſchaͤften Theil nehmen, „um den Geſchaͤftsbetrieb mehr zu beleben und durch ihre Sach- und Perſonen-Kenntniß zu vereinfachen. Sie ſollten ſich ſelber von der Rechtlichkeit und Ordnung der oͤffentlichen Staatsverwaltung naͤher uͤber- zeugen und dieſe Ueberzeugung in der Nation gleichfalls erwecken und befeſtigen.“. (ſ. Sammlung preuſſ. Geſ. und Verordng. v. 1806 bis 1810. Berlin 1822). Iſt gleich die hier ausgeſprochene Theilnahme landſtaͤndiſcher Repraͤ- ſentanten nicht in Ausfuͤhrung gekommen, ſo lebt doch ihre Beſtimmung in dem Bewußtſein der Oſtpreußen fort:

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Zitationshilfe: Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/34>, abgerufen am 29.03.2024.