Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn demungeachtet nicht geleugnet werden kann, daß
der Preuße im Allgemeinen Vertrauen zu seiner Justiz
hege, so ist dasselbe wohl mehr auf Glauben als auf
Ueberzeugung, mehr auf Personen als Verhältnisse ge-
gründet. --

So viel von Preußens-Rechtspflege. Ueber die
Administration des Staats ruht gleichfalls ein dem
Volke undurchsichtbarer Schleier des tiefsten Geheimnis-
ses; jede derartige Veröffentlichung, ja jede Mittheilung
wird als eine strafbare Amtsuntreue angesehn und so dem
Volke mit der Einsicht zugleich jede Controlle über den
Stand seiner eigenen Angelegenheiten unmöglich gemacht.
Selbst die Verausgabung der erhobenen Steuern geschieht
ohne Rechnungsablage. Zwar bestimmt eine Cab. Ord.
vom 17 Janu. 1820, daß "der Haupt-Finanzetat von
drei zu drei Jahren zur öffentlichen Kenntniß kommen
soll," allein seit 1820 bis jetzt, also in 20 Jahren ist
dies nur dreimal (1821, 1829 und 1832) geschehen,
und auch da nur in solcher Unvollständigkeit und Ober-
flächlichkeit, *) daß wohl schwerlich daraus, wie es in
jenem Edict heißt, "jeder Bürger sich vollständig überzeu-
gen könne, daß nichts mehr als das strengst Nothwen-

*) Siehe Hansemann Preußen und Frankreich. Leipzig, II.
Auflage. -- Das den französischen Kammern jährlich vorgelegte
Budget füllt einen starken Octavband; das preußische kaum
eine Octavseite.

Wenn demungeachtet nicht geleugnet werden kann, daß
der Preuße im Allgemeinen Vertrauen zu ſeiner Juſtiz
hege, ſo iſt daſſelbe wohl mehr auf Glauben als auf
Ueberzeugung, mehr auf Perſonen als Verhaͤltniſſe ge-
gruͤndet. —

So viel von Preußens-Rechtspflege. Ueber die
Adminiſtration des Staats ruht gleichfalls ein dem
Volke undurchſichtbarer Schleier des tiefſten Geheimniſ-
ſes; jede derartige Veroͤffentlichung, ja jede Mittheilung
wird als eine ſtrafbare Amtsuntreue angeſehn und ſo dem
Volke mit der Einſicht zugleich jede Controlle uͤber den
Stand ſeiner eigenen Angelegenheiten unmoͤglich gemacht.
Selbſt die Verausgabung der erhobenen Steuern geſchieht
ohne Rechnungsablage. Zwar beſtimmt eine Cab. Ord.
vom 17 Janu. 1820, daß „der Haupt-Finanzetat von
drei zu drei Jahren zur oͤffentlichen Kenntniß kommen
ſoll,“ allein ſeit 1820 bis jetzt, alſo in 20 Jahren iſt
dies nur dreimal (1821, 1829 und 1832) geſchehen,
und auch da nur in ſolcher Unvollſtaͤndigkeit und Ober-
flaͤchlichkeit, *) daß wohl ſchwerlich daraus, wie es in
jenem Edict heißt, „jeder Buͤrger ſich vollſtaͤndig uͤberzeu-
gen koͤnne, daß nichts mehr als das ſtrengſt Nothwen-

*) Siehe Hanſemann Preußen und Frankreich. Leipzig, II.
Auflage. — Das den franzoͤſiſchen Kammern jaͤhrlich vorgelegte
Budget fuͤllt einen ſtarken Octavband; das preußiſche kaum
eine Octavſeite.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0026" n="20"/>
          <p>Wenn demungeachtet nicht geleugnet werden kann, daß<lb/>
der Preuße im Allgemeinen Vertrauen zu &#x017F;einer Ju&#x017F;tiz<lb/>
hege, &#x017F;o i&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe wohl mehr auf Glauben als auf<lb/>
Ueberzeugung, mehr auf Per&#x017F;onen als Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ge-<lb/>
gru&#x0364;ndet. &#x2014;</p><lb/>
          <p>So viel von Preußens-Rechtspflege. Ueber die<lb/><hi rendition="#g">Admini&#x017F;tration des Staats</hi> ruht gleichfalls ein dem<lb/>
Volke undurch&#x017F;ichtbarer Schleier des tief&#x017F;ten Geheimni&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es; jede derartige Vero&#x0364;ffentlichung, ja jede Mittheilung<lb/>
wird als eine &#x017F;trafbare Amtsuntreue ange&#x017F;ehn und &#x017F;o dem<lb/>
Volke mit der Ein&#x017F;icht zugleich jede Controlle u&#x0364;ber den<lb/>
Stand &#x017F;einer eigenen Angelegenheiten unmo&#x0364;glich gemacht.<lb/>
Selb&#x017F;t die Verausgabung der erhobenen Steuern ge&#x017F;chieht<lb/>
ohne Rechnungsablage. Zwar be&#x017F;timmt eine Cab. Ord.<lb/>
vom 17 Janu. 1820, daß &#x201E;der Haupt-Finanzetat von<lb/>
drei zu drei Jahren zur o&#x0364;ffentlichen Kenntniß kommen<lb/>
&#x017F;oll,&#x201C; allein &#x017F;eit 1820 bis jetzt, al&#x017F;o in 20 Jahren i&#x017F;t<lb/>
dies nur dreimal (1821, 1829 und 1832) ge&#x017F;chehen,<lb/>
und auch da nur in &#x017F;olcher Unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit und Ober-<lb/>
fla&#x0364;chlichkeit, <note place="foot" n="*)">Siehe Han&#x017F;emann Preußen und Frankreich. Leipzig, <hi rendition="#aq">II</hi>.<lb/>
Auflage. &#x2014; Das den franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Kammern ja&#x0364;hrlich vorgelegte<lb/>
Budget fu&#x0364;llt einen &#x017F;tarken Octavband; das preußi&#x017F;che kaum<lb/>
eine Octav&#x017F;eite.</note> daß wohl &#x017F;chwerlich daraus, wie es in<lb/>
jenem Edict heißt, &#x201E;jeder Bu&#x0364;rger &#x017F;ich voll&#x017F;ta&#x0364;ndig u&#x0364;berzeu-<lb/>
gen ko&#x0364;nne, daß nichts mehr als das &#x017F;treng&#x017F;t Nothwen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0026] Wenn demungeachtet nicht geleugnet werden kann, daß der Preuße im Allgemeinen Vertrauen zu ſeiner Juſtiz hege, ſo iſt daſſelbe wohl mehr auf Glauben als auf Ueberzeugung, mehr auf Perſonen als Verhaͤltniſſe ge- gruͤndet. — So viel von Preußens-Rechtspflege. Ueber die Adminiſtration des Staats ruht gleichfalls ein dem Volke undurchſichtbarer Schleier des tiefſten Geheimniſ- ſes; jede derartige Veroͤffentlichung, ja jede Mittheilung wird als eine ſtrafbare Amtsuntreue angeſehn und ſo dem Volke mit der Einſicht zugleich jede Controlle uͤber den Stand ſeiner eigenen Angelegenheiten unmoͤglich gemacht. Selbſt die Verausgabung der erhobenen Steuern geſchieht ohne Rechnungsablage. Zwar beſtimmt eine Cab. Ord. vom 17 Janu. 1820, daß „der Haupt-Finanzetat von drei zu drei Jahren zur oͤffentlichen Kenntniß kommen ſoll,“ allein ſeit 1820 bis jetzt, alſo in 20 Jahren iſt dies nur dreimal (1821, 1829 und 1832) geſchehen, und auch da nur in ſolcher Unvollſtaͤndigkeit und Ober- flaͤchlichkeit, *) daß wohl ſchwerlich daraus, wie es in jenem Edict heißt, „jeder Buͤrger ſich vollſtaͤndig uͤberzeu- gen koͤnne, daß nichts mehr als das ſtrengſt Nothwen- *) Siehe Hanſemann Preußen und Frankreich. Leipzig, II. Auflage. — Das den franzoͤſiſchen Kammern jaͤhrlich vorgelegte Budget fuͤllt einen ſtarken Octavband; das preußiſche kaum eine Octavſeite.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/26
Zitationshilfe: Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/26>, abgerufen am 25.04.2024.