Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

verstande als eine unnützere Last betrachtet wird, als die
Provinzial-Stände. Gern wird man uns der Mühe über-
heben, aus den bisherigen Landtagsabschieden den Nach-
weis zu führen, daß unter allen dort erledigten Gegen-
ständen sich auch nicht ein einziger von allgemeinem Interesse
befindet, daß kein nur einigermaßen erheblicher Mißbrauch
abgestellt, keiner Beamten-Willkühr entgegengetreten, daß
die ganze Wirksamkeit zahlreicher Sessionen sich auf Er-
richtung von Zucht- und Correctionshäusern, von Taub-
stummen-, Irren- und Feuerversicherungs-Anstalten, auf
Gesetze über neue Straßen, Wagengeleise, Hundesteuer u.
dgl. m. beschränkt habe: -- Gegenstände, die, großen-
theils von der Regierung selbst proponirt, auch eben so
gut mit Zuziehung einiger Sachverständigen durch die ge-
wöhnlichen Provinzialbehörden hätten vermittelt werden
können.

Nicht für die würdigen Mitglieder der Stände-Ver-
sammlung soll dies ein Vorwurf sein. Dürfen sie doch
gesetzlich nur über die Propositionen des Ministeriums
und über rein locale Angelegenheiten berathen, wird ihnen
doch selbst jede Bitte oder Beschwerde, die sich nicht auf
das Sonderinteresse der Provinz bezieht, jede Mitthei-
lung an die andern Provinzial-Landtage streng untersagt,
ist doch endlich, um auch die bloße Aeußerung über Staats-
wesen und Gesetzgebung im Allgemeinen unmöglich zu ma-
chen, der vom Ministerium ernannte Landtagsmarschall
nach Willkühr jede derartige Berathung zurückzuweisen
ermächtigt.

verſtande als eine unnuͤtzere Laſt betrachtet wird, als die
Provinzial-Staͤnde. Gern wird man uns der Muͤhe uͤber-
heben, aus den bisherigen Landtagsabſchieden den Nach-
weis zu fuͤhren, daß unter allen dort erledigten Gegen-
ſtaͤnden ſich auch nicht ein einziger von allgemeinem Intereſſe
befindet, daß kein nur einigermaßen erheblicher Mißbrauch
abgeſtellt, keiner Beamten-Willkuͤhr entgegengetreten, daß
die ganze Wirkſamkeit zahlreicher Seſſionen ſich auf Er-
richtung von Zucht- und Correctionshaͤuſern, von Taub-
ſtummen-, Irren- und Feuerverſicherungs-Anſtalten, auf
Geſetze uͤber neue Straßen, Wagengeleiſe, Hundeſteuer u.
dgl. m. beſchraͤnkt habe: — Gegenſtaͤnde, die, großen-
theils von der Regierung ſelbſt proponirt, auch eben ſo
gut mit Zuziehung einiger Sachverſtaͤndigen durch die ge-
woͤhnlichen Provinzialbehoͤrden haͤtten vermittelt werden
koͤnnen.

Nicht fuͤr die wuͤrdigen Mitglieder der Staͤnde-Ver-
ſammlung ſoll dies ein Vorwurf ſein. Duͤrfen ſie doch
geſetzlich nur uͤber die Propoſitionen des Miniſteriums
und uͤber rein locale Angelegenheiten berathen, wird ihnen
doch ſelbſt jede Bitte oder Beſchwerde, die ſich nicht auf
das Sonderintereſſe der Provinz bezieht, jede Mitthei-
lung an die andern Provinzial-Landtage ſtreng unterſagt,
iſt doch endlich, um auch die bloße Aeußerung uͤber Staats-
weſen und Geſetzgebung im Allgemeinen unmoͤglich zu ma-
chen, der vom Miniſterium ernannte Landtagsmarſchall
nach Willkuͤhr jede derartige Berathung zuruͤckzuweiſen
ermaͤchtigt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0021" n="15"/>
ver&#x017F;tande als eine unnu&#x0364;tzere La&#x017F;t betrachtet wird, als die<lb/>
Provinzial-Sta&#x0364;nde. Gern wird man uns der Mu&#x0364;he u&#x0364;ber-<lb/>
heben, aus den bisherigen Landtagsab&#x017F;chieden den Nach-<lb/>
weis zu fu&#x0364;hren, daß unter allen dort erledigten Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;ich auch nicht ein einziger von allgemeinem Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
befindet, daß kein nur einigermaßen erheblicher Mißbrauch<lb/>
abge&#x017F;tellt, keiner Beamten-Willku&#x0364;hr entgegengetreten, daß<lb/>
die ganze Wirk&#x017F;amkeit zahlreicher Se&#x017F;&#x017F;ionen &#x017F;ich auf Er-<lb/>
richtung von Zucht- und Correctionsha&#x0364;u&#x017F;ern, von Taub-<lb/>
&#x017F;tummen-, Irren- und Feuerver&#x017F;icherungs-An&#x017F;talten, auf<lb/>
Ge&#x017F;etze u&#x0364;ber neue Straßen, Wagengelei&#x017F;e, Hunde&#x017F;teuer u.<lb/>
dgl. m. be&#x017F;chra&#x0364;nkt habe: &#x2014; Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, die, großen-<lb/>
theils von der Regierung &#x017F;elb&#x017F;t proponirt, auch eben &#x017F;o<lb/>
gut mit Zuziehung einiger Sachver&#x017F;ta&#x0364;ndigen durch die ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlichen Provinzialbeho&#x0364;rden ha&#x0364;tten vermittelt werden<lb/>
ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Nicht fu&#x0364;r die wu&#x0364;rdigen Mitglieder der Sta&#x0364;nde-Ver-<lb/>
&#x017F;ammlung &#x017F;oll dies ein Vorwurf &#x017F;ein. Du&#x0364;rfen &#x017F;ie doch<lb/>
ge&#x017F;etzlich <hi rendition="#g">nur</hi> u&#x0364;ber die Propo&#x017F;itionen des Mini&#x017F;teriums<lb/>
und u&#x0364;ber rein locale Angelegenheiten berathen, wird ihnen<lb/>
doch &#x017F;elb&#x017F;t jede Bitte oder Be&#x017F;chwerde, die &#x017F;ich nicht auf<lb/>
das Sonderintere&#x017F;&#x017F;e der <hi rendition="#g">Provinz</hi> bezieht, jede Mitthei-<lb/>
lung an die andern Provinzial-Landtage &#x017F;treng unter&#x017F;agt,<lb/>
i&#x017F;t doch endlich, um auch die bloße Aeußerung u&#x0364;ber Staats-<lb/>
we&#x017F;en und Ge&#x017F;etzgebung im Allgemeinen unmo&#x0364;glich zu ma-<lb/>
chen, der vom Mini&#x017F;terium ernannte Landtagsmar&#x017F;chall<lb/>
nach Willku&#x0364;hr jede derartige Berathung zuru&#x0364;ckzuwei&#x017F;en<lb/>
erma&#x0364;chtigt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0021] verſtande als eine unnuͤtzere Laſt betrachtet wird, als die Provinzial-Staͤnde. Gern wird man uns der Muͤhe uͤber- heben, aus den bisherigen Landtagsabſchieden den Nach- weis zu fuͤhren, daß unter allen dort erledigten Gegen- ſtaͤnden ſich auch nicht ein einziger von allgemeinem Intereſſe befindet, daß kein nur einigermaßen erheblicher Mißbrauch abgeſtellt, keiner Beamten-Willkuͤhr entgegengetreten, daß die ganze Wirkſamkeit zahlreicher Seſſionen ſich auf Er- richtung von Zucht- und Correctionshaͤuſern, von Taub- ſtummen-, Irren- und Feuerverſicherungs-Anſtalten, auf Geſetze uͤber neue Straßen, Wagengeleiſe, Hundeſteuer u. dgl. m. beſchraͤnkt habe: — Gegenſtaͤnde, die, großen- theils von der Regierung ſelbſt proponirt, auch eben ſo gut mit Zuziehung einiger Sachverſtaͤndigen durch die ge- woͤhnlichen Provinzialbehoͤrden haͤtten vermittelt werden koͤnnen. Nicht fuͤr die wuͤrdigen Mitglieder der Staͤnde-Ver- ſammlung ſoll dies ein Vorwurf ſein. Duͤrfen ſie doch geſetzlich nur uͤber die Propoſitionen des Miniſteriums und uͤber rein locale Angelegenheiten berathen, wird ihnen doch ſelbſt jede Bitte oder Beſchwerde, die ſich nicht auf das Sonderintereſſe der Provinz bezieht, jede Mitthei- lung an die andern Provinzial-Landtage ſtreng unterſagt, iſt doch endlich, um auch die bloße Aeußerung uͤber Staats- weſen und Geſetzgebung im Allgemeinen unmoͤglich zu ma- chen, der vom Miniſterium ernannte Landtagsmarſchall nach Willkuͤhr jede derartige Berathung zuruͤckzuweiſen ermaͤchtigt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/21
Zitationshilfe: Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/21>, abgerufen am 23.04.2024.