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Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841.

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fung erscheinen; ist der Gegenstand ein politischer, so fällt
meistens die Prüfung einem Polizeiagenten anheim, der
bei den vagen Bestimmungen des Censurreglements (vom
18. October 1819) sich allein nach den besonderen In-
structionen des Ministers zu richten hat. Vom Minister
vollkommen abhängig und nur dem Minister verantwort-
lich, ist dieser Censor alles zu streichen gezwungen, was
den individuellen Ansichten und Absichten seines Obern nicht
genehm ist. Führt der Verfasser gegen ihn Klage, so wird er
in der Regel abschlägig beschieden, oder erhält sein Recht erst
nach so langer Zeit, daß er keinen Gebrauch mehr davon
machen kann. Wie wäre es sonst auch möglich, daß seit
jenem im Jahre 1804 ausgesprochenen Lobe anständiger
Publicität man in keiner preußischen Zeitung, in keinem
hier gedruckten Buche auch nur den leisesten Tadel über
das Verfahren des untergeordnetsten Beamten findet, daß
jede das öffentliche Interesse nur entfernt berührende An-
deutung (die Rubrik Inland der Staats-Zeitung wird
wohl Niemand hierher rechnen), um veröffentlicht zu wer-
den sich erst außerhalb der preußischen Grenzen flüchten
muß! Und auch hier selbst ist sie nicht sicher vor jener
bedenklichen Beamten-Eigenmacht, welche mit Recht
Friedrich Wilhelm III. als die nothwendige Folge unter-
drückter Publicität bezeichnete, damit auch durch ausländi-
sche Zeitungen kein ungünstiges Urtheil über Beamten-
Handlungen, keine irgend freimüthige Beleuchtung unserer
Zustände nach Preußen gelange, werden dergleichen Blät-
ter entweder verboten, oder deren Redactionen durch wohl-

fung erſcheinen; iſt der Gegenſtand ein politiſcher, ſo faͤllt
meiſtens die Pruͤfung einem Polizeiagenten anheim, der
bei den vagen Beſtimmungen des Cenſurreglements (vom
18. October 1819) ſich allein nach den beſonderen In-
ſtructionen des Miniſters zu richten hat. Vom Miniſter
vollkommen abhaͤngig und nur dem Miniſter verantwort-
lich, iſt dieſer Cenſor alles zu ſtreichen gezwungen, was
den individuellen Anſichten und Abſichten ſeines Obern nicht
genehm iſt. Fuͤhrt der Verfaſſer gegen ihn Klage, ſo wird er
in der Regel abſchlaͤgig beſchieden, oder erhaͤlt ſein Recht erſt
nach ſo langer Zeit, daß er keinen Gebrauch mehr davon
machen kann. Wie waͤre es ſonſt auch moͤglich, daß ſeit
jenem im Jahre 1804 ausgeſprochenen Lobe anſtaͤndiger
Publicitaͤt man in keiner preußiſchen Zeitung, in keinem
hier gedruckten Buche auch nur den leiſeſten Tadel uͤber
das Verfahren des untergeordnetſten Beamten findet, daß
jede das oͤffentliche Intereſſe nur entfernt beruͤhrende An-
deutung (die Rubrik Inland der Staats-Zeitung wird
wohl Niemand hierher rechnen), um veroͤffentlicht zu wer-
den ſich erſt außerhalb der preußiſchen Grenzen fluͤchten
muß! Und auch hier ſelbſt iſt ſie nicht ſicher vor jener
bedenklichen Beamten-Eigenmacht, welche mit Recht
Friedrich Wilhelm III. als die nothwendige Folge unter-
druͤckter Publicitaͤt bezeichnete, damit auch durch auslaͤndi-
ſche Zeitungen kein unguͤnſtiges Urtheil uͤber Beamten-
Handlungen, keine irgend freimuͤthige Beleuchtung unſerer
Zuſtaͤnde nach Preußen gelange, werden dergleichen Blaͤt-
ter entweder verboten, oder deren Redactionen durch wohl-

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[9/0015] fung erſcheinen; iſt der Gegenſtand ein politiſcher, ſo faͤllt meiſtens die Pruͤfung einem Polizeiagenten anheim, der bei den vagen Beſtimmungen des Cenſurreglements (vom 18. October 1819) ſich allein nach den beſonderen In- ſtructionen des Miniſters zu richten hat. Vom Miniſter vollkommen abhaͤngig und nur dem Miniſter verantwort- lich, iſt dieſer Cenſor alles zu ſtreichen gezwungen, was den individuellen Anſichten und Abſichten ſeines Obern nicht genehm iſt. Fuͤhrt der Verfaſſer gegen ihn Klage, ſo wird er in der Regel abſchlaͤgig beſchieden, oder erhaͤlt ſein Recht erſt nach ſo langer Zeit, daß er keinen Gebrauch mehr davon machen kann. Wie waͤre es ſonſt auch moͤglich, daß ſeit jenem im Jahre 1804 ausgeſprochenen Lobe anſtaͤndiger Publicitaͤt man in keiner preußiſchen Zeitung, in keinem hier gedruckten Buche auch nur den leiſeſten Tadel uͤber das Verfahren des untergeordnetſten Beamten findet, daß jede das oͤffentliche Intereſſe nur entfernt beruͤhrende An- deutung (die Rubrik Inland der Staats-Zeitung wird wohl Niemand hierher rechnen), um veroͤffentlicht zu wer- den ſich erſt außerhalb der preußiſchen Grenzen fluͤchten muß! Und auch hier ſelbſt iſt ſie nicht ſicher vor jener bedenklichen Beamten-Eigenmacht, welche mit Recht Friedrich Wilhelm III. als die nothwendige Folge unter- druͤckter Publicitaͤt bezeichnete, damit auch durch auslaͤndi- ſche Zeitungen kein unguͤnſtiges Urtheil uͤber Beamten- Handlungen, keine irgend freimuͤthige Beleuchtung unſerer Zuſtaͤnde nach Preußen gelange, werden dergleichen Blaͤt- ter entweder verboten, oder deren Redactionen durch wohl-

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Zitationshilfe: Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/15>, abgerufen am 18.04.2024.