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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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dere muß mir ohne dringenden Beweiß er-
lauben, daß wenn ich einen Satz aus vie-
len Erfahrungen gezogen, ich denselben so
lange für allgemein halte, bis er mir eine
Ausnahme entgegen setzen kan. Will er
keinen Satz, keine Erklärung als allgemein
annehmen, ohne daß ich ihm die Allgemein-
heit bewiesen, so ist mir der Mund aber-
mals gestopfet, denn von meinen wenigsten
Sätzen und Erklärungen kan ich ihm die
Allgemeinheit anders darthun, als daß ich
von einigen auf alle schliesse: Und wer die
stärcksten Beweise recht zergliedert, wird
bey den mehresten auf allgemeine Sätze
kommen, welche man nicht anders heraus
gebracht, als daß man von einigen auf alle
geschlossen. Wenn ich einige Steine ge-
funden, die schwer gewesen, und es ist nie-
mand, der einen Stein ohne alle Schwere
angetroffen, so setze ich ohne Bedencken fest,
alle Steine auf diesem Erdboden sind
schwer. Wenn ich bey einigen Verträgen
wahrgenommen, daß sie eine Einwilligung
von zwo oder mehrern Personen in eine
gewisse Sache, die keiner vor sich allein soll
wieder aufheben, so mache ich daher die
allgemeine Erklärung, ein Vertrag sey eine

Ein-



dere muß mir ohne dringenden Beweiß er-
lauben, daß wenn ich einen Satz aus vie-
len Erfahrungen gezogen, ich denſelben ſo
lange fuͤr allgemein halte, bis er mir eine
Ausnahme entgegen ſetzen kan. Will er
keinen Satz, keine Erklaͤrung als allgemein
annehmen, ohne daß ich ihm die Allgemein-
heit bewieſen, ſo iſt mir der Mund aber-
mals geſtopfet, denn von meinen wenigſten
Saͤtzen und Erklaͤrungen kan ich ihm die
Allgemeinheit anders darthun, als daß ich
von einigen auf alle ſchlieſſe: Und wer die
ſtaͤrckſten Beweiſe recht zergliedert, wird
bey den mehreſten auf allgemeine Saͤtze
kommen, welche man nicht anders heraus
gebracht, als daß man von einigen auf alle
geſchloſſen. Wenn ich einige Steine ge-
funden, die ſchwer geweſen, und es iſt nie-
mand, der einen Stein ohne alle Schwere
angetroffen, ſo ſetze ich ohne Bedencken feſt,
alle Steine auf dieſem Erdboden ſind
ſchwer. Wenn ich bey einigen Vertraͤgen
wahrgenommen, daß ſie eine Einwilligung
von zwo oder mehrern Perſonen in eine
gewiſſe Sache, die keiner vor ſich allein ſoll
wieder aufheben, ſo mache ich daher die
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[20/0038] dere muß mir ohne dringenden Beweiß er- lauben, daß wenn ich einen Satz aus vie- len Erfahrungen gezogen, ich denſelben ſo lange fuͤr allgemein halte, bis er mir eine Ausnahme entgegen ſetzen kan. Will er keinen Satz, keine Erklaͤrung als allgemein annehmen, ohne daß ich ihm die Allgemein- heit bewieſen, ſo iſt mir der Mund aber- mals geſtopfet, denn von meinen wenigſten Saͤtzen und Erklaͤrungen kan ich ihm die Allgemeinheit anders darthun, als daß ich von einigen auf alle ſchlieſſe: Und wer die ſtaͤrckſten Beweiſe recht zergliedert, wird bey den mehreſten auf allgemeine Saͤtze kommen, welche man nicht anders heraus gebracht, als daß man von einigen auf alle geſchloſſen. Wenn ich einige Steine ge- funden, die ſchwer geweſen, und es iſt nie- mand, der einen Stein ohne alle Schwere angetroffen, ſo ſetze ich ohne Bedencken feſt, alle Steine auf dieſem Erdboden ſind ſchwer. Wenn ich bey einigen Vertraͤgen wahrgenommen, daß ſie eine Einwilligung von zwo oder mehrern Perſonen in eine gewiſſe Sache, die keiner vor ſich allein ſoll wieder aufheben, ſo mache ich daher die allgemeine Erklaͤrung, ein Vertrag ſey eine Ein-

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/38>, abgerufen am 29.03.2024.