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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Es war wohl um die Mitternachtsstunde, Hof-
schulze?

Nein, Nachmittags um vier Uhr bei trübem
Wetter im September, mich dünkt, gerade um
die Zeit, als der Franzose in Moskau einzog;
Herr Schmitz.

Dergleichen ist nun purer Aberglaube! rief
der alte Schmitz, welchem ein Streit mit dem Hof-
schulzen vielleicht angenehm gewesen wäre, um sich
für das, was bevorstand, in Feuer zu jagen.

Der Hofschulze blieb aber ganz freundlich und
erwiederte gelassen: Nein, eine Gabe Gottes,
Herr Schmitz.

Unter diesen Reden waren sie nach dem Ober-
hofe gekommen. Der Alte stutzte einigermaßen,
als sein Gast ihn bat, mit ihm zu den Ställen
zu gehen, und noch mehr befremdete es ihn, da er
wahrnahm, daß dieser kaum ein Zittern verbergen
konnte. Wie wuchs aber sein Erstaunen, als der
Sammler die Thüre des Hühnerstalls aufriß, heftig
mit der Hand hinein deutete und erstickten Tones
rief: Da steht Eure Amphora und ich bitte mir da-
gegen meinen Schein aus! Wirklich sah der Hof-
schulze im Stalle den Weinkrug stehen, der schon

Es war wohl um die Mitternachtsſtunde, Hof-
ſchulze?

Nein, Nachmittags um vier Uhr bei trübem
Wetter im September, mich dünkt, gerade um
die Zeit, als der Franzoſe in Moskau einzog;
Herr Schmitz.

Dergleichen iſt nun purer Aberglaube! rief
der alte Schmitz, welchem ein Streit mit dem Hof-
ſchulzen vielleicht angenehm geweſen wäre, um ſich
für das, was bevorſtand, in Feuer zu jagen.

Der Hofſchulze blieb aber ganz freundlich und
erwiederte gelaſſen: Nein, eine Gabe Gottes,
Herr Schmitz.

Unter dieſen Reden waren ſie nach dem Ober-
hofe gekommen. Der Alte ſtutzte einigermaßen,
als ſein Gaſt ihn bat, mit ihm zu den Ställen
zu gehen, und noch mehr befremdete es ihn, da er
wahrnahm, daß dieſer kaum ein Zittern verbergen
konnte. Wie wuchs aber ſein Erſtaunen, als der
Sammler die Thüre des Hühnerſtalls aufriß, heftig
mit der Hand hinein deutete und erſtickten Tones
rief: Da ſteht Eure Amphora und ich bitte mir da-
gegen meinen Schein aus! Wirklich ſah der Hof-
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[36/0048] Es war wohl um die Mitternachtsſtunde, Hof- ſchulze? Nein, Nachmittags um vier Uhr bei trübem Wetter im September, mich dünkt, gerade um die Zeit, als der Franzoſe in Moskau einzog; Herr Schmitz. Dergleichen iſt nun purer Aberglaube! rief der alte Schmitz, welchem ein Streit mit dem Hof- ſchulzen vielleicht angenehm geweſen wäre, um ſich für das, was bevorſtand, in Feuer zu jagen. Der Hofſchulze blieb aber ganz freundlich und erwiederte gelaſſen: Nein, eine Gabe Gottes, Herr Schmitz. Unter dieſen Reden waren ſie nach dem Ober- hofe gekommen. Der Alte ſtutzte einigermaßen, als ſein Gaſt ihn bat, mit ihm zu den Ställen zu gehen, und noch mehr befremdete es ihn, da er wahrnahm, daß dieſer kaum ein Zittern verbergen konnte. Wie wuchs aber ſein Erſtaunen, als der Sammler die Thüre des Hühnerſtalls aufriß, heftig mit der Hand hinein deutete und erſtickten Tones rief: Da ſteht Eure Amphora und ich bitte mir da- gegen meinen Schein aus! Wirklich ſah der Hof- ſchulze im Stalle den Weinkrug ſtehen, der ſchon

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/48>, abgerufen am 28.03.2024.