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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.

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fige Lectüre der Bibel fachte seinen Teufelswahn bald wieder an.
Um sich häuslich einzurichten, hatte er bei einem Trödler mehre¬
res altes Geräth eingekauft, welches er aber, da der Teufel seiner
Meinung nach in diesem Kram stecke, gegen neues vertauschte,
damit der Böse nicht wieder ins Haus gebracht werde, und aber¬
mals Unfrieden stifte. Bei seinem oben erwähnten Weihen der
Häuser hatte er nur die linke Seite einer Straße seiner Meinung
nach von dem Einfluß des Teufels befreit, daher er es sehr be¬
dauerte, in jener Reihe keine Wohnung finden zu können, und
genöthigt zu sein, eine solche auf der andern nicht geweihten, dem
Teufel preis gegebenen Seite miethen zu müssen. In diesen dia¬
bolischen Vorstellungen wurde er noch bestärkt, als er in der neuen
Wohnung eine Menge von Schmutz, faules Stroh, verkehrt ein¬
gehängte Thüren und andere Unordnungen antraf, welche seiner
Ueberzeugung nach vom Teufel herrührten. Tief bekümmert,
demselben überall zu begegnen, und gegen ihn nirgends durch die
Gnade Gottes geschützt zu sein, schritt er sogleich zum Exorcisiren
der Wohnung; er sprengte überall geweihtes Wasser aus, wel¬
ches er in einem dazu neu angekauften Topfe von einem früher
gesegneten Brunnen holte, verbrannte einen von Rauch geschwärz¬
ten papiernen Vorhang des Küchenheerdes, welcher vom Bösen
herrühren sollte, und schüttete die Asche nebst alten Nägeln, denen
er denselben Ursprung beilegte, in einen Topf, welchen er mit
einem Stein beschweren und ins Wasser werfen wollte, damit
der darin gefangene Satan nicht wieder ans Tageslicht komme,
und nicht wie das erste Mal mit dem weggeworfenen Rasiermesser
aus den ihm angelegten Banden sich befreien könne. Indeß weil
er mit den teuflischen Sachen auch geweihtes Wasser in den Topf
geschüttet hatte, überfiel ihn dabei ein solches Entsetzen, daß er
seinen Entschluß diesmal nicht ausführen konnte, und es ihm nur
bei einer andern Gelegenheit gelang, ein mit dem Teufel behaf¬
tetes Geräth an einen Stein zu befestigen, aus dem Thore zu tra¬
gen und in die Spree zu werfen.

Am stärksten kam aber sein Teufelswahn bei folgender Ver¬
anlassung wieder zum Ausbruch. Er wollte seinem Vater zur
Unterstützung 3 Thaler zusenden, und bat seine Schwester, ihm
dieselben gegen Kassenanweisungen umzuwechseln, welche er be¬
quem in einen Brief einschließen könne. Als er letztere erhalten,

fige Lectuͤre der Bibel fachte ſeinen Teufelswahn bald wieder an.
Um ſich haͤuslich einzurichten, hatte er bei einem Troͤdler mehre¬
res altes Geraͤth eingekauft, welches er aber, da der Teufel ſeiner
Meinung nach in dieſem Kram ſtecke, gegen neues vertauſchte,
damit der Boͤſe nicht wieder ins Haus gebracht werde, und aber¬
mals Unfrieden ſtifte. Bei ſeinem oben erwaͤhnten Weihen der
Haͤuſer hatte er nur die linke Seite einer Straße ſeiner Meinung
nach von dem Einfluß des Teufels befreit, daher er es ſehr be¬
dauerte, in jener Reihe keine Wohnung finden zu koͤnnen, und
genoͤthigt zu ſein, eine ſolche auf der andern nicht geweihten, dem
Teufel preis gegebenen Seite miethen zu muͤſſen. In dieſen dia¬
boliſchen Vorſtellungen wurde er noch beſtaͤrkt, als er in der neuen
Wohnung eine Menge von Schmutz, faules Stroh, verkehrt ein¬
gehaͤngte Thuͤren und andere Unordnungen antraf, welche ſeiner
Ueberzeugung nach vom Teufel herruͤhrten. Tief bekuͤmmert,
demſelben uͤberall zu begegnen, und gegen ihn nirgends durch die
Gnade Gottes geſchuͤtzt zu ſein, ſchritt er ſogleich zum Exorciſiren
der Wohnung; er ſprengte uͤberall geweihtes Waſſer aus, wel¬
ches er in einem dazu neu angekauften Topfe von einem fruͤher
geſegneten Brunnen holte, verbrannte einen von Rauch geſchwaͤrz¬
ten papiernen Vorhang des Kuͤchenheerdes, welcher vom Boͤſen
herruͤhren ſollte, und ſchuͤttete die Aſche nebſt alten Naͤgeln, denen
er denſelben Urſprung beilegte, in einen Topf, welchen er mit
einem Stein beſchweren und ins Waſſer werfen wollte, damit
der darin gefangene Satan nicht wieder ans Tageslicht komme,
und nicht wie das erſte Mal mit dem weggeworfenen Raſiermeſſer
aus den ihm angelegten Banden ſich befreien koͤnne. Indeß weil
er mit den teufliſchen Sachen auch geweihtes Waſſer in den Topf
geſchuͤttet hatte, uͤberfiel ihn dabei ein ſolches Entſetzen, daß er
ſeinen Entſchluß diesmal nicht ausfuͤhren konnte, und es ihm nur
bei einer andern Gelegenheit gelang, ein mit dem Teufel behaf¬
tetes Geraͤth an einen Stein zu befeſtigen, aus dem Thore zu tra¬
gen und in die Spree zu werfen.

Am ſtaͤrkſten kam aber ſein Teufelswahn bei folgender Ver¬
anlaſſung wieder zum Ausbruch. Er wollte ſeinem Vater zur
Unterſtuͤtzung 3 Thaler zuſenden, und bat ſeine Schweſter, ihm
dieſelben gegen Kaſſenanweiſungen umzuwechſeln, welche er be¬
quem in einen Brief einſchließen koͤnne. Als er letztere erhalten,

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[38/0046] fige Lectuͤre der Bibel fachte ſeinen Teufelswahn bald wieder an. Um ſich haͤuslich einzurichten, hatte er bei einem Troͤdler mehre¬ res altes Geraͤth eingekauft, welches er aber, da der Teufel ſeiner Meinung nach in dieſem Kram ſtecke, gegen neues vertauſchte, damit der Boͤſe nicht wieder ins Haus gebracht werde, und aber¬ mals Unfrieden ſtifte. Bei ſeinem oben erwaͤhnten Weihen der Haͤuſer hatte er nur die linke Seite einer Straße ſeiner Meinung nach von dem Einfluß des Teufels befreit, daher er es ſehr be¬ dauerte, in jener Reihe keine Wohnung finden zu koͤnnen, und genoͤthigt zu ſein, eine ſolche auf der andern nicht geweihten, dem Teufel preis gegebenen Seite miethen zu muͤſſen. In dieſen dia¬ boliſchen Vorſtellungen wurde er noch beſtaͤrkt, als er in der neuen Wohnung eine Menge von Schmutz, faules Stroh, verkehrt ein¬ gehaͤngte Thuͤren und andere Unordnungen antraf, welche ſeiner Ueberzeugung nach vom Teufel herruͤhrten. Tief bekuͤmmert, demſelben uͤberall zu begegnen, und gegen ihn nirgends durch die Gnade Gottes geſchuͤtzt zu ſein, ſchritt er ſogleich zum Exorciſiren der Wohnung; er ſprengte uͤberall geweihtes Waſſer aus, wel¬ ches er in einem dazu neu angekauften Topfe von einem fruͤher geſegneten Brunnen holte, verbrannte einen von Rauch geſchwaͤrz¬ ten papiernen Vorhang des Kuͤchenheerdes, welcher vom Boͤſen herruͤhren ſollte, und ſchuͤttete die Aſche nebſt alten Naͤgeln, denen er denſelben Urſprung beilegte, in einen Topf, welchen er mit einem Stein beſchweren und ins Waſſer werfen wollte, damit der darin gefangene Satan nicht wieder ans Tageslicht komme, und nicht wie das erſte Mal mit dem weggeworfenen Raſiermeſſer aus den ihm angelegten Banden ſich befreien koͤnne. Indeß weil er mit den teufliſchen Sachen auch geweihtes Waſſer in den Topf geſchuͤttet hatte, uͤberfiel ihn dabei ein ſolches Entſetzen, daß er ſeinen Entſchluß diesmal nicht ausfuͤhren konnte, und es ihm nur bei einer andern Gelegenheit gelang, ein mit dem Teufel behaf¬ tetes Geraͤth an einen Stein zu befeſtigen, aus dem Thore zu tra¬ gen und in die Spree zu werfen. Am ſtaͤrkſten kam aber ſein Teufelswahn bei folgender Ver¬ anlaſſung wieder zum Ausbruch. Er wollte ſeinem Vater zur Unterſtuͤtzung 3 Thaler zuſenden, und bat ſeine Schweſter, ihm dieſelben gegen Kaſſenanweiſungen umzuwechſeln, welche er be¬ quem in einen Brief einſchließen koͤnne. Als er letztere erhalten,

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Zitationshilfe: Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/46>, abgerufen am 29.03.2024.