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Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898.

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Die politische Gleichberechtigung der Frau.
rechtigkeit das Amt des Klägers oder des Vertheidigers
ausübten.

Im siebzehnten Jahrhundert waren es Frauen selbst,
die die Vertheidigung ihrer Rechte übernahmen, die
Venetianerin Lucretia Marinelli und die Französin Frl.
von Gournay veröffentlichten fast gleichzeitig eine Ver-
theidigung der Frauenrechte, die Aufsehen hervorriefen.

Aber all dies waren mehr oder weniger vereinzelte
Erscheinungen, die einen dauernden Einfluss nicht aus-
übten; der naturrechtlichen Doktrin, jener revolutionären
Philosophie des vorigen Jahrhunderts war es vorbehalten,
von Grund aus die politische Stellung der Frau von neu
zu untersuchen und dies in Verbindung mit dem hehren
Freiheitsdrang, der das Ende des achtzehnten Jahrhunderts
characterisirt, der bis zur doktrinären Gleichmacherei jed-
wede intellectuelle und materielle Fessel zu sprengen
versuchte, schuf den bahnbrechenden Vertheidiger in
Condorcet. Der berühmte und edle Philosoph fand so
treffende und wunderbare Argumente für die Sache, die
er zu vertheidigen unternahm; er vertheidigte sie so
mächtig, dass sie in den verschiedensten Ländern
lauten Widerhall fanden. In seinen "Lettres d'un Bour-
geois de New-Haven a un Citoyen de Virginie" (1787)
schrieb er: "Wir wollen eine ausschliesslich auf die
natürlichen Rechte des Menschen, die älter sind als irgend
welche socialen Einrichtungen, gegründete Verfassung.
Als eines von diesen Rechten betrachten wir das Recht,
über allgemeine Interessen, sei es persönlich oder durch

Die politische Gleichberechtigung der Frau.
rechtigkeit das Amt des Klägers oder des Vertheidigers
ausübten.

Im siebzehnten Jahrhundert waren es Frauen selbst,
die die Vertheidigung ihrer Rechte übernahmen, die
Venetianerin Lucretia Marinelli und die Französin Frl.
von Gournay veröffentlichten fast gleichzeitig eine Ver-
theidigung der Frauenrechte, die Aufsehen hervorriefen.

Aber all dies waren mehr oder weniger vereinzelte
Erscheinungen, die einen dauernden Einfluss nicht aus-
übten; der naturrechtlichen Doktrin, jener revolutionären
Philosophie des vorigen Jahrhunderts war es vorbehalten,
von Grund aus die politische Stellung der Frau von neu
zu untersuchen und dies in Verbindung mit dem hehren
Freiheitsdrang, der das Ende des achtzehnten Jahrhunderts
characterisirt, der bis zur doktrinären Gleichmacherei jed-
wede intellectuelle und materielle Fessel zu sprengen
versuchte, schuf den bahnbrechenden Vertheidiger in
Condorcet. Der berühmte und edle Philosoph fand so
treffende und wunderbare Argumente für die Sache, die
er zu vertheidigen unternahm; er vertheidigte sie so
mächtig, dass sie in den verschiedensten Ländern
lauten Widerhall fanden. In seinen »Lettres d'un Bour-
geois de New-Haven à un Citoyen de Virginie« (1787)
schrieb er: »Wir wollen eine ausschliesslich auf die
natürlichen Rechte des Menschen, die älter sind als irgend
welche socialen Einrichtungen, gegründete Verfassung.
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über allgemeine Interessen, sei es persönlich oder durch

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[27/0040] Die politische Gleichberechtigung der Frau. rechtigkeit das Amt des Klägers oder des Vertheidigers ausübten. Im siebzehnten Jahrhundert waren es Frauen selbst, die die Vertheidigung ihrer Rechte übernahmen, die Venetianerin Lucretia Marinelli und die Französin Frl. von Gournay veröffentlichten fast gleichzeitig eine Ver- theidigung der Frauenrechte, die Aufsehen hervorriefen. Aber all dies waren mehr oder weniger vereinzelte Erscheinungen, die einen dauernden Einfluss nicht aus- übten; der naturrechtlichen Doktrin, jener revolutionären Philosophie des vorigen Jahrhunderts war es vorbehalten, von Grund aus die politische Stellung der Frau von neu zu untersuchen und dies in Verbindung mit dem hehren Freiheitsdrang, der das Ende des achtzehnten Jahrhunderts characterisirt, der bis zur doktrinären Gleichmacherei jed- wede intellectuelle und materielle Fessel zu sprengen versuchte, schuf den bahnbrechenden Vertheidiger in Condorcet. Der berühmte und edle Philosoph fand so treffende und wunderbare Argumente für die Sache, die er zu vertheidigen unternahm; er vertheidigte sie so mächtig, dass sie in den verschiedensten Ländern lauten Widerhall fanden. In seinen »Lettres d'un Bour- geois de New-Haven à un Citoyen de Virginie« (1787) schrieb er: »Wir wollen eine ausschliesslich auf die natürlichen Rechte des Menschen, die älter sind als irgend welche socialen Einrichtungen, gegründete Verfassung. Als eines von diesen Rechten betrachten wir das Recht, über allgemeine Interessen, sei es persönlich oder durch  

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/40>, abgerufen am 29.03.2024.