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Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898.

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Die politische Gleichberechtigung der Frau.
vom Jahre 1848 (der Letztere vom 8. März) haben dem
Worte "Allgemeines Wahlrecht" eine so weite Deutung
gegeben, dass es vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt
gewesen sein könne, das weibliche Geschlecht davon
auszuschliessen, da es selbst befreiten Sklaven verliehen
worden sei.

Das Urtheil des Cassationshofs lautete hierauf wie
folgt: "In Erwägung, dass nach den Bestimmungen des
Artikels 7 des code civil die Ausübung der bürgerlichen
Rechte unabhängig von der Eigenschaft als Staatsbürger
ist, welche allein die Ausübung der politischen Rechte
verleiht und nur in Uebereinstimmung mit den ver-
fassungsmässigen Gesetzen erworben wird, dass, während
die Frauen bürgerliche Rechte in der gesetzlich geregelten
Weise geniessen, je nachdem sie verheirathet oder ledig
sind, keine Verfassungs- oder Gesetzesbestimmung ihnen
den Genuss und folglich die Ausübung politischer Rechte
überträgt, dass aber der Genuss dieser Rechte eine wesent-
liche Vorbedingung für die Eintragung in die Wahllisten
ist und dass die Verfassung vom 4. November 1848,
indem sie an Stelle des beschränkten Wahlrechts, von
dem Frauen ausgeschlossen waren, das allgemeine ein-
führte, dieses nur Bürgern des männlichen Geschlechts
zu verleihen beabsichtigte, die bisher allein das Recht
genossen hatten, Vertreter des Landes in die ver-
schiedenen, durch die Gesetze geschaffenen wählbaren
Körperschaften zu wählen, was deutlich erhellt nicht
nur aus dem Text der Verfassung von 1848 und den

Die politische Gleichberechtigung der Frau.
vom Jahre 1848 (der Letztere vom 8. März) haben dem
Worte »Allgemeines Wahlrecht« eine so weite Deutung
gegeben, dass es vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt
gewesen sein könne, das weibliche Geschlecht davon
auszuschliessen, da es selbst befreiten Sklaven verliehen
worden sei.

Das Urtheil des Cassationshofs lautete hierauf wie
folgt: »In Erwägung, dass nach den Bestimmungen des
Artikels 7 des code civil die Ausübung der bürgerlichen
Rechte unabhängig von der Eigenschaft als Staatsbürger
ist, welche allein die Ausübung der politischen Rechte
verleiht und nur in Uebereinstimmung mit den ver-
fassungsmässigen Gesetzen erworben wird, dass, während
die Frauen bürgerliche Rechte in der gesetzlich geregelten
Weise geniessen, je nachdem sie verheirathet oder ledig
sind, keine Verfassungs- oder Gesetzesbestimmung ihnen
den Genuss und folglich die Ausübung politischer Rechte
überträgt, dass aber der Genuss dieser Rechte eine wesent-
liche Vorbedingung für die Eintragung in die Wahllisten
ist und dass die Verfassung vom 4. November 1848,
indem sie an Stelle des beschränkten Wahlrechts, von
dem Frauen ausgeschlossen waren, das allgemeine ein-
führte, dieses nur Bürgern des männlichen Geschlechts
zu verleihen beabsichtigte, die bisher allein das Recht
genossen hatten, Vertreter des Landes in die ver-
schiedenen, durch die Gesetze geschaffenen wählbaren
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[15/0028] Die politische Gleichberechtigung der Frau. vom Jahre 1848 (der Letztere vom 8. März) haben dem Worte »Allgemeines Wahlrecht« eine so weite Deutung gegeben, dass es vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein könne, das weibliche Geschlecht davon auszuschliessen, da es selbst befreiten Sklaven verliehen worden sei. Das Urtheil des Cassationshofs lautete hierauf wie folgt: »In Erwägung, dass nach den Bestimmungen des Artikels 7 des code civil die Ausübung der bürgerlichen Rechte unabhängig von der Eigenschaft als Staatsbürger ist, welche allein die Ausübung der politischen Rechte verleiht und nur in Uebereinstimmung mit den ver- fassungsmässigen Gesetzen erworben wird, dass, während die Frauen bürgerliche Rechte in der gesetzlich geregelten Weise geniessen, je nachdem sie verheirathet oder ledig sind, keine Verfassungs- oder Gesetzesbestimmung ihnen den Genuss und folglich die Ausübung politischer Rechte überträgt, dass aber der Genuss dieser Rechte eine wesent- liche Vorbedingung für die Eintragung in die Wahllisten ist und dass die Verfassung vom 4. November 1848, indem sie an Stelle des beschränkten Wahlrechts, von dem Frauen ausgeschlossen waren, das allgemeine ein- führte, dieses nur Bürgern des männlichen Geschlechts zu verleihen beabsichtigte, die bisher allein das Recht genossen hatten, Vertreter des Landes in die ver- schiedenen, durch die Gesetze geschaffenen wählbaren Körperschaften zu wählen, was deutlich erhellt nicht nur aus dem Text der Verfassung von 1848 und den

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/28>, abgerufen am 29.03.2024.