Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Vorwort von Alexander v. Humboldt. In: Humboldt, Wilhelm von: Sonette. Berlin, 1853, S. [III]-XVI.

Bild:
<< vorherige Seite

"Sie macht aber auch den ganzen Menschen für
die moralische Bildung empfänglicher, indem sie ihn ge-
wöhnt in Dingen, die ganz außerhalb des Gebietes der
Sittenlehre und der Religion liegen, nur am Schönen,
Edlen und Harmonischen Gefallen zu haben, und das
Gegentheil überall von sich zu stoßen."



Dieses Fragment über den Einfluß, welchen die
Dichtung, in ähnlicher Weise wie die Religion, auf
die moralische Bildung des Menschen auszuüben
vermag, ist im Besitz eines theuren Freundes, des
Prof. Ratzeburg (an der Königl. Forstakademie zu
Neustadt-Eberswalde), eines talentvollen Natur-
forschers, der mehrere Jahre Erzieher von Hermann
v. Humboldt, dem zweiten Sohne meines Bruders,
war. Jn einem aus Albano an mich gerichteten
Gedichte (September 1808) athmen dieselben Ge-
fühle von reiner Sittlichkeit und unerschütterlicher
Resignation:

-- aus des Busens Tiefe strömt Gedeihn
Der festen Duldung und entschlossner That.
Nicht Schmerz ist Unglück, Glück nicht immer
Freude;
Wer sein Geschick erfüllt, dem lächlen beide.

„Sie macht aber auch den ganzen Menſchen für
die moraliſche Bildung empfänglicher, indem ſie ihn ge-
wöhnt in Dingen, die ganz außerhalb des Gebietes der
Sittenlehre und der Religion liegen, nur am Schönen,
Edlen und Harmoniſchen Gefallen zu haben, und das
Gegentheil überall von ſich zu ſtoßen.“



Dieſes Fragment über den Einfluß, welchen die
Dichtung, in ähnlicher Weiſe wie die Religion, auf
die moraliſche Bildung des Menſchen auszuüben
vermag, iſt im Beſitz eines theuren Freundes, des
Prof. Ratzeburg (an der Königl. Forſtakademie zu
Neuſtadt-Eberswalde), eines talentvollen Natur-
forſchers, der mehrere Jahre Erzieher von Hermann
v. Humboldt, dem zweiten Sohne meines Bruders,
war. Jn einem aus Albano an mich gerichteten
Gedichte (September 1808) athmen dieſelben Ge-
fühle von reiner Sittlichkeit und unerſchütterlicher
Reſignation:

— aus des Buſens Tiefe ſtrömt Gedeihn
Der feſten Duldung und entſchloſſner That.
Nicht Schmerz iſt Unglück, Glück nicht immer
Freude;
Wer ſein Geſchick erfüllt, dem lächlen beide.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="preface">
        <pb facs="#f0016" n="XV"/>
        <p>&#x201E;Sie macht aber auch den ganzen Men&#x017F;chen für<lb/>
die morali&#x017F;che Bildung empfänglicher, indem &#x017F;ie ihn ge-<lb/>
wöhnt in Dingen, die ganz außerhalb des Gebietes der<lb/>
Sittenlehre und der Religion liegen, nur am Schönen,<lb/>
Edlen und Harmoni&#x017F;chen Gefallen zu haben, und das<lb/>
Gegentheil überall von &#x017F;ich zu &#x017F;toßen.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Die&#x017F;es Fragment über den Einfluß, welchen die<lb/>
Dichtung, in ähnlicher Wei&#x017F;e wie die Religion, auf<lb/>
die morali&#x017F;che Bildung des Men&#x017F;chen auszuüben<lb/>
vermag, i&#x017F;t im Be&#x017F;itz eines theuren Freundes, des<lb/>
Prof. Ratzeburg (an der Königl. For&#x017F;takademie zu<lb/>
Neu&#x017F;tadt-Eberswalde), eines talentvollen Natur-<lb/>
for&#x017F;chers, der mehrere Jahre Erzieher von Hermann<lb/>
v. Humboldt, dem zweiten Sohne meines Bruders,<lb/>
war. Jn einem aus Albano an mich gerichteten<lb/>
Gedichte (September 1808) athmen die&#x017F;elben Ge-<lb/>
fühle von reiner Sittlichkeit und uner&#x017F;chütterlicher<lb/>
Re&#x017F;ignation:<lb/><lg type="poem"><lg n="1"><l>&#x2014; aus des Bu&#x017F;ens Tiefe &#x017F;trömt Gedeihn</l><lb/><l>Der fe&#x017F;ten Duldung und ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ner That.</l><lb/><l xml:id="l3pt1" next="#l3pt2">Nicht <hi rendition="#g">Schmerz</hi> i&#x017F;t Unglück, Glück nicht immer</l><lb/><l rendition="#et3" xml:id="l3pt2" prev="#l3pt1"><hi rendition="#g">Freude</hi>;</l><lb/><l>Wer &#x017F;ein Ge&#x017F;chick erfüllt, dem <hi rendition="#g">lächlen</hi> beide.</l></lg></lg></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XV/0016] „Sie macht aber auch den ganzen Menſchen für die moraliſche Bildung empfänglicher, indem ſie ihn ge- wöhnt in Dingen, die ganz außerhalb des Gebietes der Sittenlehre und der Religion liegen, nur am Schönen, Edlen und Harmoniſchen Gefallen zu haben, und das Gegentheil überall von ſich zu ſtoßen.“ Dieſes Fragment über den Einfluß, welchen die Dichtung, in ähnlicher Weiſe wie die Religion, auf die moraliſche Bildung des Menſchen auszuüben vermag, iſt im Beſitz eines theuren Freundes, des Prof. Ratzeburg (an der Königl. Forſtakademie zu Neuſtadt-Eberswalde), eines talentvollen Natur- forſchers, der mehrere Jahre Erzieher von Hermann v. Humboldt, dem zweiten Sohne meines Bruders, war. Jn einem aus Albano an mich gerichteten Gedichte (September 1808) athmen dieſelben Ge- fühle von reiner Sittlichkeit und unerſchütterlicher Reſignation: — aus des Buſens Tiefe ſtrömt Gedeihn Der feſten Duldung und entſchloſſner That. Nicht Schmerz iſt Unglück, Glück nicht immer Freude; Wer ſein Geſchick erfüllt, dem lächlen beide.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vorwort_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vorwort_1853/16
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Vorwort von Alexander v. Humboldt. In: Humboldt, Wilhelm von: Sonette. Berlin, 1853, S. [III]-XVI, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vorwort_1853/16>, abgerufen am 24.04.2024.