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Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316.

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der Tropen-Zone, sondern mitten in derselben, Afrika, in seinen Wüsten,
kälter als das vegetationsreiche Amerika zu finden. Die eigentlichen Ur-
sachen dieses sonderbaren Erkältungs-Prozesses (vielleicht Wärmestrahlung
des Bodens durch trockene Luft gegen einen wolkenfreien Himmel, plötz-
liches Ausdehnen beim Ergießen feuchter Luftschichten in diese trockene
Luft, Herabsinken der oberen Theile der Atmosphäre) sind bis jetzt nicht
hinlänglich ergründet worden.

Es ist allgemein bekannt, daß mehr als zwei Drittheile unseres Pla-
neten von einer Wasserhülle bedeckt werden, die durch Berührung mit der
Atmosphäre den wichtigsten Einfluß auf das Klima der Continental-Massen
ausübt. Wasser, von den Sonnenstrahlen getroffen, erwärmt sich nach an-
deren Gesetzen, als die feste Erdrinde. Verschiebbarkeit der Theilchen, aus
denen man sich das Flüssige zusammengesetzt vorstellt, erregen Ströhmungen
und ungleiche Vertheilung der Temperatur. Durch Strahlung erkältet und
verdichtet, sinken die Wassertheilchen zu Boden. Luftreisen, Erklimmen
von isolirten Bergspitzen, und in das Meer herabgelassene thermoscopische
Apparate haben die Schnelligkeit der Wärme-Abnahme bestimmt, welche,
von unten nach oben in der Atmosphäre, von oben nach unten in dem
Ocean und in Süßwasser-Seen, zu verschiedenen Jahreszeiten, stattfindet.
Geschöpfe, denen beide Elemente zum Aufenthalt dienen, finden daher,
auf jeglichem Punkte der Erde, im luftförmigen und im tropfbaren Ele-
mente, die heterogensten Klimate schichtenweise über einander gelagert.
In der Tiefe des Meeres, unter dem Aequator, wie in den Alpen-Seen der
gemäßigten Zone, herrscht fortwährend ein bestimmter Kälte-Grad, der, bei
welchem das Wasser seine größte Dichtigkeit erlangt. Ellis's, Forster's
und Saussure's Versuche sind jetzt unter allen Zonen und in allen Tiefen
wiederholt worden; aber was wir über die niedrigste Temperatur der Luft
und des Meerwassers, wie über die größte Wirkung der Wärme-Strahlung,
zwischen den Wende-Kreisen wissen, dient zum unumstößlichsten Beweise,
daß die Kälte, welche dort nahe am Meeresboden herrscht, von einer
Ströhmung herrührt, die in den Tiefen des Oceans sich von den Polen zu
dem Aequator richtet, und die unteren Wasserschichten der südlichen Meere
erkältet, wie in der Atmosphäre der obere Luftstrohm, der sich vom
Aequator gegen die Pole ergießt, die Winter-Kälte der nördlichen Län-
der mildert.


der Tropen-Zone, sondern mitten in derselben, Afrika, in seinen Wüsten,
kälter als das vegetationsreiche Amerika zu finden. Die eigentlichen Ur-
sachen dieses sonderbaren Erkältungs-Prozesses (vielleicht Wärmestrahlung
des Bodens durch trockene Luft gegen einen wolkenfreien Himmel, plötz-
liches Ausdehnen beim Ergießen feuchter Luftschichten in diese trockene
Luft, Herabsinken der oberen Theile der Atmosphäre) sind bis jetzt nicht
hinlänglich ergründet worden.

Es ist allgemein bekannt, daß mehr als zwei Drittheile unseres Pla-
neten von einer Wasserhülle bedeckt werden, die durch Berührung mit der
Atmosphäre den wichtigsten Einfluß auf das Klima der Continental-Massen
ausübt. Wasser, von den Sonnenstrahlen getroffen, erwärmt sich nach an-
deren Gesetzen, als die feste Erdrinde. Verschiebbarkeit der Theilchen, aus
denen man sich das Flüssige zusammengesetzt vorstellt, erregen Ströhmungen
und ungleiche Vertheilung der Temperatur. Durch Strahlung erkältet und
verdichtet, sinken die Wassertheilchen zu Boden. Luftreisen, Erklimmen
von isolirten Bergspitzen, und in das Meer herabgelassene thermoscopische
Apparate haben die Schnelligkeit der Wärme-Abnahme bestimmt, welche,
von unten nach oben in der Atmosphäre, von oben nach unten in dem
Ocean und in Süßwasser-Seen, zu verschiedenen Jahreszeiten, stattfindet.
Geschöpfe, denen beide Elemente zum Aufenthalt dienen, finden daher,
auf jeglichem Punkte der Erde, im luftförmigen und im tropfbaren Ele-
mente, die heterogensten Klimate schichtenweise über einander gelagert.
In der Tiefe des Meeres, unter dem Aequator, wie in den Alpen-Seen der
gemäßigten Zone, herrscht fortwährend ein bestimmter Kälte-Grad, der, bei
welchem das Wasser seine größte Dichtigkeit erlangt. Ellis's, Forster's
und Saussure's Versuche sind jetzt unter allen Zonen und in allen Tiefen
wiederholt worden; aber was wir über die niedrigste Temperatur der Luft
und des Meerwassers, wie über die größte Wirkung der Wärme-Strahlung,
zwischen den Wende-Kreisen wissen, dient zum unumstößlichsten Beweise,
daß die Kälte, welche dort nahe am Meeresboden herrscht, von einer
Ströhmung herrührt, die in den Tiefen des Oceans sich von den Polen zu
dem Aequator richtet, und die unteren Wasserschichten der südlichen Meere
erkältet, wie in der Atmosphäre der obere Luftstrohm, der sich vom
Aequator gegen die Pole ergießt, die Winter-Kälte der nördlichen Län-
der mildert.

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[302/0009] A. v. Humboldt der Tropen-Zone, sondern mitten in derselben, Afrika, in seinen Wüsten, kälter als das vegetationsreiche Amerika zu finden. Die eigentlichen Ur- sachen dieses sonderbaren Erkältungs-Prozesses (vielleicht Wärmestrahlung des Bodens durch trockene Luft gegen einen wolkenfreien Himmel, plötz- liches Ausdehnen beim Ergießen feuchter Luftschichten in diese trockene Luft, Herabsinken der oberen Theile der Atmosphäre) sind bis jetzt nicht hinlänglich ergründet worden. Es ist allgemein bekannt, daß mehr als zwei Drittheile unseres Pla- neten von einer Wasserhülle bedeckt werden, die durch Berührung mit der Atmosphäre den wichtigsten Einfluß auf das Klima der Continental-Massen ausübt. Wasser, von den Sonnenstrahlen getroffen, erwärmt sich nach an- deren Gesetzen, als die feste Erdrinde. Verschiebbarkeit der Theilchen, aus denen man sich das Flüssige zusammengesetzt vorstellt, erregen Ströhmungen und ungleiche Vertheilung der Temperatur. Durch Strahlung erkältet und verdichtet, sinken die Wassertheilchen zu Boden. Luftreisen, Erklimmen von isolirten Bergspitzen, und in das Meer herabgelassene thermoscopische Apparate haben die Schnelligkeit der Wärme-Abnahme bestimmt, welche, von unten nach oben in der Atmosphäre, von oben nach unten in dem Ocean und in Süßwasser-Seen, zu verschiedenen Jahreszeiten, stattfindet. Geschöpfe, denen beide Elemente zum Aufenthalt dienen, finden daher, auf jeglichem Punkte der Erde, im luftförmigen und im tropfbaren Ele- mente, die heterogensten Klimate schichtenweise über einander gelagert. In der Tiefe des Meeres, unter dem Aequator, wie in den Alpen-Seen der gemäßigten Zone, herrscht fortwährend ein bestimmter Kälte-Grad, der, bei welchem das Wasser seine größte Dichtigkeit erlangt. Ellis's, Forster's und Saussure's Versuche sind jetzt unter allen Zonen und in allen Tiefen wiederholt worden; aber was wir über die niedrigste Temperatur der Luft und des Meerwassers, wie über die größte Wirkung der Wärme-Strahlung, zwischen den Wende-Kreisen wissen, dient zum unumstößlichsten Beweise, daß die Kälte, welche dort nahe am Meeresboden herrscht, von einer Ströhmung herrührt, die in den Tiefen des Oceans sich von den Polen zu dem Aequator richtet, und die unteren Wasserschichten der südlichen Meere erkältet, wie in der Atmosphäre der obere Luftstrohm, der sich vom Aequator gegen die Pole ergießt, die Winter-Kälte der nördlichen Län- der mildert.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316, hier S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ursachen_1830/9>, abgerufen am 28.03.2024.