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Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316.

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hat zwischen der vulkanischen Insel Jan-Mayen und dem von ihm entdeck-
ten Theile von Ost-Grönland zuerst die mittlere Luft-Temperatur der Po-
lar-Meere
bestimmt. Eine nordwestliche Durchfahrt suchend, ist es der
Englischen Regierung gelungen, der Erdkunde, der Klimatologie und der
Kenntniß magnetischer Erscheinungen Dienste leisten zu lassen, welche ur-
sprünglich dem Handelsverkehr der Völker verheißen waren. Parry,
Sabine und Franklin haben aus mehrjährigen Erfahrungen die Tem-
peratur-Verhältnisse der Luft und des Meeres bis Port-Bowen und Mellvil-
le's Insel
, also fast bis zum 75sten Breiten-Grade, mit einer Ausdauer er-
forscht, von der die Geschichte menschlicher Anstrengungen und muthi-
gen Ankämpfens gegen die Elemente kaum ein ähnliches Beispiel aufwei-
sen kann. Ein altes Vorurtheil, dem Cook's großer Name zum Schutze
diente, die Meinung, als sei der Südpol, einer allgemein verbreiteten Eis-
decke wegen, unzugänglicher, als der Nordpol, ist neuerlichst durch den
Seefahrer Weddell zerstört worden. Die Entdeckung eines neuen Archi-
pelagus, Süd-süd-östlich vom Feuerlande, hat zu einer Expedition An-
laß gegeben, auf welcher (weit jenseits zweier von dem russischen Kapitain
Billinghausen aufgefundenen Sporaden) unter dem 74sten Grade der
Breite Weddell ein völlig eisfreies Meer vor sich sah.

Wenden wir uns von diesen Extremen der Polargegenden zu der ge-
mäßigten Zone, so finden wir eine große Anzahl von Punkten, wo neben den
drei geographischen Ortsbestimmungen in Breite, Länge und Höhe, neben
den veränderlichen Erscheinungen der magnetischen Inclination, Abweichung
und Kraft, auch die bisher für unveränderlich gehaltene mittlere Temperatur
gemessen worden ist. Astronomen in Neu-Holland und am Fuß des indischen
Himalaya
, katholische und evangelische Missionarien in Macao, Van-Diemens-
Land
und der Gruppe der Sandwich-Inseln haben neue Thatsachen gelie-
fert, um die nördliche und südliche, die östliche und westliche Hemisphäre
(also die wasser- und länderreichsten Theile der Erde) in der heißen und
gemäßigten Zone mit einander zu vergleichen. Eben so ist das Verhältniß
der Wärme unter dem Aequator und den beiden Wendekreisen, (unter letz-
teren liegen zufällig die größten Handelsplätze der Tropenwelt, Havanah,
Canton, Calcutta, und Rio-Janeiro) bestimmt worden. Diese numerischen
Elemente sind als Fixpunkte besonders wichtig, weil sie wie die Zone des
wärmsten Meeres-Wassers (zwischen 23° und 24,°5 R.) in der Folge der

hat zwischen der vulkanischen Insel Jan-Mayen und dem von ihm entdeck-
ten Theile von Ost-Grönland zuerst die mittlere Luft-Temperatur der Po-
lar-Meere
bestimmt. Eine nordwestliche Durchfahrt suchend, ist es der
Englischen Regierung gelungen, der Erdkunde, der Klimatologie und der
Kenntniß magnetischer Erscheinungen Dienste leisten zu lassen, welche ur-
sprünglich dem Handelsverkehr der Völker verheißen waren. Parry,
Sabine und Franklin haben aus mehrjährigen Erfahrungen die Tem-
peratur-Verhältnisse der Luft und des Meeres bis Port-Bowen und Mellvil-
le's Insel
, also fast bis zum 75sten Breiten-Grade, mit einer Ausdauer er-
forscht, von der die Geschichte menschlicher Anstrengungen und muthi-
gen Ankämpfens gegen die Elemente kaum ein ähnliches Beispiel aufwei-
sen kann. Ein altes Vorurtheil, dem Cook's großer Name zum Schutze
diente, die Meinung, als sei der Südpol, einer allgemein verbreiteten Eis-
decke wegen, unzugänglicher, als der Nordpol, ist neuerlichst durch den
Seefahrer Weddell zerstört worden. Die Entdeckung eines neuen Archi-
pelagus, Süd-süd-östlich vom Feuerlande, hat zu einer Expedition An-
laß gegeben, auf welcher (weit jenseits zweier von dem russischen Kapitain
Billinghausen aufgefundenen Sporaden) unter dem 74sten Grade der
Breite Weddell ein völlig eisfreies Meer vor sich sah.

Wenden wir uns von diesen Extremen der Polargegenden zu der ge-
mäßigten Zone, so finden wir eine große Anzahl von Punkten, wo neben den
drei geographischen Ortsbestimmungen in Breite, Länge und Höhe, neben
den veränderlichen Erscheinungen der magnetischen Inclination, Abweichung
und Kraft, auch die bisher für unveränderlich gehaltene mittlere Temperatur
gemessen worden ist. Astronomen in Neu-Holland und am Fuß des indischen
Himalaya
, katholische und evangelische Missionarien in Macao, Van-Diemens-
Land
und der Gruppe der Sandwich-Inseln haben neue Thatsachen gelie-
fert, um die nördliche und südliche, die östliche und westliche Hemisphäre
(also die wasser- und länderreichsten Theile der Erde) in der heißen und
gemäßigten Zone mit einander zu vergleichen. Eben so ist das Verhältniß
der Wärme unter dem Aequator und den beiden Wendekreisen, (unter letz-
teren liegen zufällig die größten Handelsplätze der Tropenwelt, Havanah,
Canton, Calcutta, und Rio-Janeiro) bestimmt worden. Diese numerischen
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[298/0005] A. v. Humboldt hat zwischen der vulkanischen Insel Jan-Mayen und dem von ihm entdeck- ten Theile von Ost-Grönland zuerst die mittlere Luft-Temperatur der Po- lar-Meere bestimmt. Eine nordwestliche Durchfahrt suchend, ist es der Englischen Regierung gelungen, der Erdkunde, der Klimatologie und der Kenntniß magnetischer Erscheinungen Dienste leisten zu lassen, welche ur- sprünglich dem Handelsverkehr der Völker verheißen waren. Parry, Sabine und Franklin haben aus mehrjährigen Erfahrungen die Tem- peratur-Verhältnisse der Luft und des Meeres bis Port-Bowen und Mellvil- le's Insel, also fast bis zum 75sten Breiten-Grade, mit einer Ausdauer er- forscht, von der die Geschichte menschlicher Anstrengungen und muthi- gen Ankämpfens gegen die Elemente kaum ein ähnliches Beispiel aufwei- sen kann. Ein altes Vorurtheil, dem Cook's großer Name zum Schutze diente, die Meinung, als sei der Südpol, einer allgemein verbreiteten Eis- decke wegen, unzugänglicher, als der Nordpol, ist neuerlichst durch den Seefahrer Weddell zerstört worden. Die Entdeckung eines neuen Archi- pelagus, Süd-süd-östlich vom Feuerlande, hat zu einer Expedition An- laß gegeben, auf welcher (weit jenseits zweier von dem russischen Kapitain Billinghausen aufgefundenen Sporaden) unter dem 74sten Grade der Breite Weddell ein völlig eisfreies Meer vor sich sah. Wenden wir uns von diesen Extremen der Polargegenden zu der ge- mäßigten Zone, so finden wir eine große Anzahl von Punkten, wo neben den drei geographischen Ortsbestimmungen in Breite, Länge und Höhe, neben den veränderlichen Erscheinungen der magnetischen Inclination, Abweichung und Kraft, auch die bisher für unveränderlich gehaltene mittlere Temperatur gemessen worden ist. Astronomen in Neu-Holland und am Fuß des indischen Himalaya, katholische und evangelische Missionarien in Macao, Van-Diemens- Land und der Gruppe der Sandwich-Inseln haben neue Thatsachen gelie- fert, um die nördliche und südliche, die östliche und westliche Hemisphäre (also die wasser- und länderreichsten Theile der Erde) in der heißen und gemäßigten Zone mit einander zu vergleichen. Eben so ist das Verhältniß der Wärme unter dem Aequator und den beiden Wendekreisen, (unter letz- teren liegen zufällig die größten Handelsplätze der Tropenwelt, Havanah, Canton, Calcutta, und Rio-Janeiro) bestimmt worden. Diese numerischen Elemente sind als Fixpunkte besonders wichtig, weil sie wie die Zone des wärmsten Meeres-Wassers (zwischen 23° und 24,°5 R.) in der Folge der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316, hier S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ursachen_1830/5>, abgerufen am 18.04.2024.