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Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316.

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Wie die Ströhmungen des Luftmeeres durch die veränderliche Ab-
weichung der Sonne, und durch die Richtung der Bergketten, an deren Ab-
hange sie herabgleiten, vielfach modificirt werden, so führen auch die Ströh-
mungen des tropfbaren Oceans die wärmeren Wasser niedriger Breiten-Grade
in die temperirte Zone. Ich brauche nicht in Erinnerung zu bringen, wie
die von den Passatwinden immer gleichförmig bewegten Wasser des Atlan-
tischen Oceans
gegen den vorstehenden Damm der Landenge von Nicaragua
getrieben, sich nordwärts wenden, in den Golf von Mexiko wirbelnd um-
hertreiben, durch den Kanal von Bahama ausfließen, sich als ein Strohm
warmen Wassers erst nordöstlich gegen die Bank von New-Foundland, dann
südöstlich gegen die Gruppe der Azoren hin, bewegen, und, wenn sie vom
Nordwestwinde begünstigt werden, Palmen-Früchte der Antillen, mit fran-
zösischen Weinen gefüllte Fässer aus verunglückten Schiffen, ja selbst leben-
dige Esquimaux aus Ost-Grönland mit ihren ledernen Böten nach Irland
oder nach den Hebriden, oder nach den Küsten von Norwegen führen. Der
vielgereiste Astronom Herr Sabine, der vor kurzem aus den Polar-Ländern
zurückkehrend, Pendel-Versuche im Golf von Guinea, auf der Afrika-
nischen Insel St. Thomas
, anstellte, hat mir erzählt, wie Fässer von Palmen-
Öl, die bei dem Cap Lopez etwas südlich vom Äquator, durch Schiffbruch
verloren gingen, erst von dem Äquatorial-, und dann vom Golf-Strohme
getrieben, den Atlantischen Ocean zweimal, von Osten gegen Westen und
von Westen gegen Osten, in 53 Grad nördlicher Breite, durchschnitten
haben, und an den schottischen Küsten glücklich angelangt sind. Das wohl-
erhaltene Zeichen des Afrikanischen Eigenthümers ließ keinen Zweifel über
die Richtung, welche die Fässer genommen hatten.

Wie hier Äquatorial-Wasser im atlantischen Ocean durch den Golf-
strohm
nördlich geführt werden, so habe ich in dem Stillen Meere, und zwar
in der südlichen Hemisphäre, einen Strohm erkannt, der längs dem Littoral
von Chili und Peru kälteres Wasser hoher Breiten unter die Wendekreise
führt. In diesem Strohme habe ich das Reaumursche Thermometer, im Ha-
fen bei Truxillo, im September bis 12°,8; im Hafen von Callao bei Lima zu
Ende Novembers bis 12°,4 sinken sehen. Ein junger überaus kenntniß-
voller Dänischer Seeofficier, der Baron Dirckinck v. Holmfeldt, hat
auf meine Bitte dieses sonderbare, so lange Zeit unbeobachtete Phänomen,
im Jahre 1825 zu verschiedenen Jahreszeiten von neuem untersucht. Er

Wie die Ströhmungen des Luftmeeres durch die veränderliche Ab-
weichung der Sonne, und durch die Richtung der Bergketten, an deren Ab-
hange sie herabgleiten, vielfach modificirt werden, so führen auch die Ströh-
mungen des tropfbaren Oceans die wärmeren Wasser niedriger Breiten-Grade
in die temperirte Zone. Ich brauche nicht in Erinnerung zu bringen, wie
die von den Passatwinden immer gleichförmig bewegten Wasser des Atlan-
tischen Oceans
gegen den vorstehenden Damm der Landenge von Nicaragua
getrieben, sich nordwärts wenden, in den Golf von Mexiko wirbelnd um-
hertreiben, durch den Kanal von Bahama ausfließen, sich als ein Strohm
warmen Wassers erst nordöstlich gegen die Bank von New-Foundland, dann
südöstlich gegen die Gruppe der Azoren hin, bewegen, und, wenn sie vom
Nordwestwinde begünstigt werden, Palmen-Früchte der Antillen, mit fran-
zösischen Weinen gefüllte Fässer aus verunglückten Schiffen, ja selbst leben-
dige Esquimaux aus Ost-Grönland mit ihren ledernen Böten nach Irland
oder nach den Hebriden, oder nach den Küsten von Norwegen führen. Der
vielgereiste Astronom Herr Sabine, der vor kurzem aus den Polar-Ländern
zurückkehrend, Pendel-Versuche im Golf von Guinea, auf der Afrika-
nischen Insel St. Thomas
, anstellte, hat mir erzählt, wie Fässer von Palmen-
Öl, die bei dem Cap Lopez etwas südlich vom Äquator, durch Schiffbruch
verloren gingen, erst von dem Äquatorial-, und dann vom Golf-Strohme
getrieben, den Atlantischen Ocean zweimal, von Osten gegen Westen und
von Westen gegen Osten, in 53 Grad nördlicher Breite, durchschnitten
haben, und an den schottischen Küsten glücklich angelangt sind. Das wohl-
erhaltene Zeichen des Afrikanischen Eigenthümers ließ keinen Zweifel über
die Richtung, welche die Fässer genommen hatten.

Wie hier Äquatorial-Wasser im atlantischen Ocean durch den Golf-
strohm
nördlich geführt werden, so habe ich in dem Stillen Meere, und zwar
in der südlichen Hemisphäre, einen Strohm erkannt, der längs dem Littoral
von Chili und Peru kälteres Wasser hoher Breiten unter die Wendekreise
führt. In diesem Strohme habe ich das Reaumursche Thermometer, im Ha-
fen bei Truxillo, im September bis 12°,8; im Hafen von Callao bei Lima zu
Ende Novembers bis 12°,4 sinken sehen. Ein junger überaus kenntniß-
voller Dänischer Seeofficier, der Baron Dirckinck v. Holmfeldt, hat
auf meine Bitte dieses sonderbare, so lange Zeit unbeobachtete Phänomen,
im Jahre 1825 zu verschiedenen Jahreszeiten von neuem untersucht. Er

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[314/0021] A. v. Humboldt Wie die Ströhmungen des Luftmeeres durch die veränderliche Ab- weichung der Sonne, und durch die Richtung der Bergketten, an deren Ab- hange sie herabgleiten, vielfach modificirt werden, so führen auch die Ströh- mungen des tropfbaren Oceans die wärmeren Wasser niedriger Breiten-Grade in die temperirte Zone. Ich brauche nicht in Erinnerung zu bringen, wie die von den Passatwinden immer gleichförmig bewegten Wasser des Atlan- tischen Oceans gegen den vorstehenden Damm der Landenge von Nicaragua getrieben, sich nordwärts wenden, in den Golf von Mexiko wirbelnd um- hertreiben, durch den Kanal von Bahama ausfließen, sich als ein Strohm warmen Wassers erst nordöstlich gegen die Bank von New-Foundland, dann südöstlich gegen die Gruppe der Azoren hin, bewegen, und, wenn sie vom Nordwestwinde begünstigt werden, Palmen-Früchte der Antillen, mit fran- zösischen Weinen gefüllte Fässer aus verunglückten Schiffen, ja selbst leben- dige Esquimaux aus Ost-Grönland mit ihren ledernen Böten nach Irland oder nach den Hebriden, oder nach den Küsten von Norwegen führen. Der vielgereiste Astronom Herr Sabine, der vor kurzem aus den Polar-Ländern zurückkehrend, Pendel-Versuche im Golf von Guinea, auf der Afrika- nischen Insel St. Thomas, anstellte, hat mir erzählt, wie Fässer von Palmen- Öl, die bei dem Cap Lopez etwas südlich vom Äquator, durch Schiffbruch verloren gingen, erst von dem Äquatorial-, und dann vom Golf-Strohme getrieben, den Atlantischen Ocean zweimal, von Osten gegen Westen und von Westen gegen Osten, in 53 Grad nördlicher Breite, durchschnitten haben, und an den schottischen Küsten glücklich angelangt sind. Das wohl- erhaltene Zeichen des Afrikanischen Eigenthümers ließ keinen Zweifel über die Richtung, welche die Fässer genommen hatten. Wie hier Äquatorial-Wasser im atlantischen Ocean durch den Golf- strohm nördlich geführt werden, so habe ich in dem Stillen Meere, und zwar in der südlichen Hemisphäre, einen Strohm erkannt, der längs dem Littoral von Chili und Peru kälteres Wasser hoher Breiten unter die Wendekreise führt. In diesem Strohme habe ich das Reaumursche Thermometer, im Ha- fen bei Truxillo, im September bis 12°,8; im Hafen von Callao bei Lima zu Ende Novembers bis 12°,4 sinken sehen. Ein junger überaus kenntniß- voller Dänischer Seeofficier, der Baron Dirckinck v. Holmfeldt, hat auf meine Bitte dieses sonderbare, so lange Zeit unbeobachtete Phänomen, im Jahre 1825 zu verschiedenen Jahreszeiten von neuem untersucht. Er

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316, hier S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ursachen_1830/21>, abgerufen am 28.03.2024.