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Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316.

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auf eine richtige Ansicht dessen an, was aus den wohlgeordneten Einzelnhei-
ten gefolgert werden darf. Versuchen wir nun das Problem der Tempera-
tur-Vertheilung in seiner ganzen Allgemeinheit zu fassen, so können wir
uns planetarische Wärme entweder (wie im gegenwärtigen Zustande der
schon oxydirten, erhärteten Erdrinde) als Folge der Stellung gegen einen
Wärme-erregenden Centralkörper denken; oder aber (wie im ersten Zu-
stande des Zusammenrinnens aufgelöseter, dunstförmiger Stoffe) als Folge
von inneren Oxydations-Processen, Niederschlägen, chemisch veränderten
Capacitäten oder electro-magnetischen Ströhmungen. Mannigfaltige geo-
gnostische Phänomene, deren ich bereits in einer anderen Abhandlung ge-
dacht habe, deuten auf eine solche Entwickelung innerer, von dem Planeten
selbst erregter Wärme hin. Dazu hat der geistreiche Astronom und Physi-
ker, Herr Arago, neuerlichst die Zweifel, welche man gegen die, den Berg-
werken beider Welttheile eigenthümliche Wärme erhoben hat, durch neue
Versuche über tief erbohrte Quellwasser, (sogenannte artesische Brunnen)
auf das Vollkommenste widerlegt. Je größer die Tiefe ist, aus welcher
die Wasser aufsteigen, desto wärmer sind sie befunden worden. Hier ist
aller Verdacht von niedersinkenden, sich verdichtenden und also Wärmeent-
bindenden Luftschichten entfernt; hier sind Menschen-Nähe und Wirkung
bergmännischen Geleuchtes nicht zu fürchten. Die Wasser bringen die
Wärme mit sich, welche sie durch lange Berührung mit den Gestein-Massen,
in verschiedenen Tiefen, erhalten haben.

Diese denkwürdigen Beobachtungen lehren, wie, unabhängig von der
Schiefe der Ekliptik im frühesten gleichsam jugendlichen Zustande der Pla-
neten, Tropen-Temperatur und Tropen-Vegetation unter jeglicher Zone
entstehen und so lange fortdauern konnten, bis durch Wärme-Strahlung aus
der erhärteten Erd-Rinde, und durch allmählige Ausfüllung der Gang-Klüfte
mit heterogenen Gestein-Massen, sich ein Zustand bildete, in welchem (wie
Fourier in einem tiefsinnigen mathematischen Werke gezeigt hat) die Wärme
der Oberfläche und des Luftkreises nur von der Stellung des Planeten gegen
einen Central-Körper, die Sonne, abhängt. Wir überlassen es gern anderen
Physikern zu entscheiden, wie tief unter der oxydirten und erhärteten Erd-
Rinde die geschmolzenen, flüssigen Massen liegen, welche sich in die Öff-
nungen noch jetzt thätiger Vulkane ergießen, die Continente und den Mee-
resboden periodisch erschüttern und durch Klüfte in Granit und porphyr-

auf eine richtige Ansicht dessen an, was aus den wohlgeordneten Einzelnhei-
ten gefolgert werden darf. Versuchen wir nun das Problem der Tempera-
tur-Vertheilung in seiner ganzen Allgemeinheit zu fassen, so können wir
uns planetarische Wärme entweder (wie im gegenwärtigen Zustande der
schon oxydirten, erhärteten Erdrinde) als Folge der Stellung gegen einen
Wärme-erregenden Centralkörper denken; oder aber (wie im ersten Zu-
stande des Zusammenrinnens aufgelöseter, dunstförmiger Stoffe) als Folge
von inneren Oxydations-Processen, Niederschlägen, chemisch veränderten
Capacitäten oder electro-magnetischen Ströhmungen. Mannigfaltige geo-
gnostische Phänomene, deren ich bereits in einer anderen Abhandlung ge-
dacht habe, deuten auf eine solche Entwickelung innerer, von dem Planeten
selbst erregter Wärme hin. Dazu hat der geistreiche Astronom und Physi-
ker, Herr Arago, neuerlichst die Zweifel, welche man gegen die, den Berg-
werken beider Welttheile eigenthümliche Wärme erhoben hat, durch neue
Versuche über tief erbohrte Quellwasser, (sogenannte artesische Brunnen)
auf das Vollkommenste widerlegt. Je größer die Tiefe ist, aus welcher
die Wasser aufsteigen, desto wärmer sind sie befunden worden. Hier ist
aller Verdacht von niedersinkenden, sich verdichtenden und also Wärmeent-
bindenden Luftschichten entfernt; hier sind Menschen-Nähe und Wirkung
bergmännischen Geleuchtes nicht zu fürchten. Die Wasser bringen die
Wärme mit sich, welche sie durch lange Berührung mit den Gestein-Massen,
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Diese denkwürdigen Beobachtungen lehren, wie, unabhängig von der
Schiefe der Ekliptik im frühesten gleichsam jugendlichen Zustande der Pla-
neten, Tropen-Temperatur und Tropen-Vegetation unter jeglicher Zone
entstehen und so lange fortdauern konnten, bis durch Wärme-Strahlung aus
der erhärteten Erd-Rinde, und durch allmählige Ausfüllung der Gang-Klüfte
mit heterogenen Gestein-Massen, sich ein Zustand bildete, in welchem (wie
Fourier in einem tiefsinnigen mathematischen Werke gezeigt hat) die Wärme
der Oberfläche und des Luftkreises nur von der Stellung des Planeten gegen
einen Central-Körper, die Sonne, abhängt. Wir überlassen es gern anderen
Physikern zu entscheiden, wie tief unter der oxydirten und erhärteten Erd-
Rinde die geschmolzenen, flüssigen Massen liegen, welche sich in die Öff-
nungen noch jetzt thätiger Vulkane ergießen, die Continente und den Mee-
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[306/0013] A. v. Humboldt auf eine richtige Ansicht dessen an, was aus den wohlgeordneten Einzelnhei- ten gefolgert werden darf. Versuchen wir nun das Problem der Tempera- tur-Vertheilung in seiner ganzen Allgemeinheit zu fassen, so können wir uns planetarische Wärme entweder (wie im gegenwärtigen Zustande der schon oxydirten, erhärteten Erdrinde) als Folge der Stellung gegen einen Wärme-erregenden Centralkörper denken; oder aber (wie im ersten Zu- stande des Zusammenrinnens aufgelöseter, dunstförmiger Stoffe) als Folge von inneren Oxydations-Processen, Niederschlägen, chemisch veränderten Capacitäten oder electro-magnetischen Ströhmungen. Mannigfaltige geo- gnostische Phänomene, deren ich bereits in einer anderen Abhandlung ge- dacht habe, deuten auf eine solche Entwickelung innerer, von dem Planeten selbst erregter Wärme hin. Dazu hat der geistreiche Astronom und Physi- ker, Herr Arago, neuerlichst die Zweifel, welche man gegen die, den Berg- werken beider Welttheile eigenthümliche Wärme erhoben hat, durch neue Versuche über tief erbohrte Quellwasser, (sogenannte artesische Brunnen) auf das Vollkommenste widerlegt. Je größer die Tiefe ist, aus welcher die Wasser aufsteigen, desto wärmer sind sie befunden worden. Hier ist aller Verdacht von niedersinkenden, sich verdichtenden und also Wärmeent- bindenden Luftschichten entfernt; hier sind Menschen-Nähe und Wirkung bergmännischen Geleuchtes nicht zu fürchten. Die Wasser bringen die Wärme mit sich, welche sie durch lange Berührung mit den Gestein-Massen, in verschiedenen Tiefen, erhalten haben. Diese denkwürdigen Beobachtungen lehren, wie, unabhängig von der Schiefe der Ekliptik im frühesten gleichsam jugendlichen Zustande der Pla- neten, Tropen-Temperatur und Tropen-Vegetation unter jeglicher Zone entstehen und so lange fortdauern konnten, bis durch Wärme-Strahlung aus der erhärteten Erd-Rinde, und durch allmählige Ausfüllung der Gang-Klüfte mit heterogenen Gestein-Massen, sich ein Zustand bildete, in welchem (wie Fourier in einem tiefsinnigen mathematischen Werke gezeigt hat) die Wärme der Oberfläche und des Luftkreises nur von der Stellung des Planeten gegen einen Central-Körper, die Sonne, abhängt. Wir überlassen es gern anderen Physikern zu entscheiden, wie tief unter der oxydirten und erhärteten Erd- Rinde die geschmolzenen, flüssigen Massen liegen, welche sich in die Öff- nungen noch jetzt thätiger Vulkane ergießen, die Continente und den Mee- resboden periodisch erschüttern und durch Klüfte in Granit und porphyr-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper. In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus dem Jahre 1827. Berlin, 1830, S. 295-316, hier S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ursachen_1830/13>, abgerufen am 20.04.2024.