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Humboldt, Alexander von: Ueber die merkwürdige magnetische Polarität einer Gebirgsgruppe von Serpentinstein. Aus einem Briefe vom Herrn Oberbergrath F. A. v. Humboldt an den Herausgeber [Friedrich Albrecht Carl Gren]. In: Neues Journal der Physik, Bd. 4 (1797), S. 136-140.

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wäre zu bestimmen, wie die magnetische Kraft, von Ge-
wittern und Nordlichtern, von Sommerhitze und Win-
terkälte afficirt werde. Bey den Schnarchern ist es
(wie Herr Freiesleben in seinen vortreflichen Be-
merkungen über den Harz gezeigt hat), nicht unwahr-
scheinlich, daß ein Blitzstrahl in dem Granit jenen mag-
netischen Streifen hervorgebracht habe, daher auch nur
der ganze Fels und nicht Bruchstücke wirksam sind. Un-
sere Gebirgskuppe zeigt eine viel größere Erscheinung.
Nicht bloß das anstehende Gestein, sondern auch jedes
noch so klein abgeschlagene Stück hat seine
beiden Pole, seine eigene magnetische Achse. Stücke
von 8 Zoll Durchmesser afficiren die Magnetnadel auf
4--6 Zoll Entfernung. Jch habe nie einen Magnet-
stein gesehen, der die Polarität bey der Zerkleinung in
solcher Vollkommenheit beybehält, als dieser Serpentin.
Splitter von Cubiclinie wälzen sich (wie die Lupe
deutlich zeigt), wenn man ihnen freundschaftliche oder
feindliche Pole eines Magnetstabes entgegen hält. Man
sieht hier recht eigentlich (wie es Coulomb's Theorie
annimmt), ein Fossil, das bis in die kleinsten molecu-
les
aus einzelnen Magneten zusammengesetzt ist. Noch
mehr! Eben der Serpentinstein, welcher eine so auf-
fallende Polarität äußert, zeigt bis jetzt keine
Spur von Anziehung gegen unmagneti-
sches Eisen
. Das zerriebene Fossil hängt sich als
Bart an den Magnetstab an, aber Stücke, welche den
Südpol auf 3 Zoll Entfernung durch den ganzen Halbcir-
kel gegen Norden reissen, bewegen kein Eisenstäubchen aus
ihrer Stelle. Und wie leicht zeigen sonst die schwäch-

sten

wäre zu beſtimmen, wie die magnetiſche Kraft, von Ge-
wittern und Nordlichtern, von Sommerhitze und Win-
terkälte afficirt werde. Bey den Schnarchern iſt es
(wie Herr Freiesleben in ſeinen vortreflichen Be-
merkungen über den Harz gezeigt hat), nicht unwahr-
ſcheinlich, daß ein Blitzſtrahl in dem Granit jenen mag-
netiſchen Streifen hervorgebracht habe, daher auch nur
der ganze Fels und nicht Bruchſtücke wirkſam ſind. Un-
ſere Gebirgskuppe zeigt eine viel größere Erſcheinung.
Nicht bloß das anſtehende Geſtein, ſondern auch jedes
noch ſo klein abgeſchlagene Stück hat ſeine
beiden Pole, ſeine eigene magnetiſche Achſe. Stücke
von 8 Zoll Durchmeſſer afficiren die Magnetnadel auf
4—6 Zoll Entfernung. Jch habe nie einen Magnet-
ſtein geſehen, der die Polarität bey der Zerkleinung in
ſolcher Vollkommenheit beybehält, als dieſer Serpentin.
Splitter von Cubiclinie wälzen ſich (wie die Lupe
deutlich zeigt), wenn man ihnen freundſchaftliche oder
feindliche Pole eines Magnetſtabes entgegen hält. Man
ſieht hier recht eigentlich (wie es Coulomb's Theorie
annimmt), ein Foſſil, das bis in die kleinſten molecu-
les
aus einzelnen Magneten zuſammengeſetzt iſt. Noch
mehr! Eben der Serpentinſtein, welcher eine ſo auf-
fallende Polarität äußert, zeigt bis jetzt keine
Spur von Anziehung gegen unmagneti-
ſches Eiſen
. Das zerriebene Foſſil hängt ſich als
Bart an den Magnetſtab an, aber Stücke, welche den
Südpol auf 3 Zoll Entfernung durch den ganzen Halbcir-
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ihrer Stelle. Und wie leicht zeigen ſonſt die ſchwäch-

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[138/0004] wäre zu beſtimmen, wie die magnetiſche Kraft, von Ge- wittern und Nordlichtern, von Sommerhitze und Win- terkälte afficirt werde. Bey den Schnarchern iſt es (wie Herr Freiesleben in ſeinen vortreflichen Be- merkungen über den Harz gezeigt hat), nicht unwahr- ſcheinlich, daß ein Blitzſtrahl in dem Granit jenen mag- netiſchen Streifen hervorgebracht habe, daher auch nur der ganze Fels und nicht Bruchſtücke wirkſam ſind. Un- ſere Gebirgskuppe zeigt eine viel größere Erſcheinung. Nicht bloß das anſtehende Geſtein, ſondern auch jedes noch ſo klein abgeſchlagene Stück hat ſeine beiden Pole, ſeine eigene magnetiſche Achſe. Stücke von 8 Zoll Durchmeſſer afficiren die Magnetnadel auf 4—6 Zoll Entfernung. Jch habe nie einen Magnet- ſtein geſehen, der die Polarität bey der Zerkleinung in ſolcher Vollkommenheit beybehält, als dieſer Serpentin. Splitter von [FORMEL] Cubiclinie wälzen ſich (wie die Lupe deutlich zeigt), wenn man ihnen freundſchaftliche oder feindliche Pole eines Magnetſtabes entgegen hält. Man ſieht hier recht eigentlich (wie es Coulomb's Theorie annimmt), ein Foſſil, das bis in die kleinſten molecu- les aus einzelnen Magneten zuſammengeſetzt iſt. Noch mehr! Eben der Serpentinſtein, welcher eine ſo auf- fallende Polarität äußert, zeigt bis jetzt keine Spur von Anziehung gegen unmagneti- ſches Eiſen. Das zerriebene Foſſil hängt ſich als Bart an den Magnetſtab an, aber Stücke, welche den Südpol auf 3 Zoll Entfernung durch den ganzen Halbcir- kel gegen Norden reiſſen, bewegen kein Eiſenſtäubchen aus ihrer Stelle. Und wie leicht zeigen ſonſt die ſchwäch- ſten

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die merkwürdige magnetische Polarität einer Gebirgsgruppe von Serpentinstein. Aus einem Briefe vom Herrn Oberbergrath F. A. v. Humboldt an den Herausgeber [Friedrich Albrecht Carl Gren]. In: Neues Journal der Physik, Bd. 4 (1797), S. 136-140, hier S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_polaritaet_1797/4>, abgerufen am 16.04.2024.