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Humboldt, Alexander von: Ueber die merkwürdige magnetische Polarität einer Gebirgsgruppe von Serpentinstein. Aus einem Briefe vom Herrn Oberbergrath F. A. v. Humboldt an den Herausgeber [Friedrich Albrecht Carl Gren]. In: Neues Journal der Physik, Bd. 4 (1797), S. 136-140.

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men wollte. Kaum näherte ich dieselbe dem anstehenden
Gestein, so sahe ich den Südpol meiner Magnetnadel
mit Heftigkeit aus ihrer Lage und in den wahren Norden
gerissen. Jch glaubte das Phänomen der Harzer Schnar-
cher, (an denen ein magnetischer Streifen herab läuft),
hier erneuert zu sehen. Meine Freunde traten herzu und
wir erstaunten nun über alles, was wir sahen. Jch be-
halte mir vor, in der Folge eine umständlichere Beschrei-
bung jener Gebirgskuppe bekannt zu machen. Doch muß
ich Jhnen vorläufig folgende Verhältnisse entwickeln. Die
Kuppe ist dergestalt gegen die Erdachse gerichtet, daß das
Gestein, am nördlichen Abhange, bloße Süd-
pole
, am südlichen Abhange bloße Nordpole
zeigt. Gegen Westen und Osten liegen Jndifferenz-
punkte. Die Masse besteht aus reinem Serpentinstein,
meist von lauchgrüner Farbe, der hier und da in Chlo-
ritschiefer übergeht. Einzelne Punkte sind so magnetisch,
daß sie in einer Entfernung von 22 Fuß die Magnetna-
del aus ihrer natürlichen Lage reissen. Das Gebirge hat
nicht eine Achse, sondern viele, die aber nicht in
einer Ebene liegen. Zwischen zwey wirksamen Nordpolen
liegt völlig unwirksames Gestein, welches aber we-
der durch äußere Kennzeichen
, noch durch
seine Mischung
von dem wirksamen zu unterscheiden
ist. Wenn man an diesem Gebirge einige Achsen astro-
nomisch genau in ihrer Lage bestimmte, so wäre es eine
wichtige Untersuchung, ob der invertirte Nordpol in der
Folge der Zeiten eben so gegen Osten, wie der magne-
tische Nordpol des Erdsphäroids gegen Westen fortrü-
cken würde? Mit dem Saussurschen Magnetometer

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men wollte. Kaum näherte ich dieſelbe dem anſtehenden
Geſtein, ſo ſahe ich den Südpol meiner Magnetnadel
mit Heftigkeit aus ihrer Lage und in den wahren Norden
geriſſen. Jch glaubte das Phänomen der Harzer Schnar-
cher, (an denen ein magnetiſcher Streifen herab läuft),
hier erneuert zu ſehen. Meine Freunde traten herzu und
wir erſtaunten nun über alles, was wir ſahen. Jch be-
halte mir vor, in der Folge eine umſtändlichere Beſchrei-
bung jener Gebirgskuppe bekannt zu machen. Doch muß
ich Jhnen vorläufig folgende Verhältniſſe entwickeln. Die
Kuppe iſt dergeſtalt gegen die Erdachſe gerichtet, daß das
Geſtein, am nördlichen Abhange, bloße Süd-
pole
, am ſüdlichen Abhange bloße Nordpole
zeigt. Gegen Weſten und Oſten liegen Jndifferenz-
punkte. Die Maſſe beſteht aus reinem Serpentinſtein,
meiſt von lauchgrüner Farbe, der hier und da in Chlo-
ritſchiefer übergeht. Einzelne Punkte ſind ſo magnetiſch,
daß ſie in einer Entfernung von 22 Fuß die Magnetna-
del aus ihrer natürlichen Lage reiſſen. Das Gebirge hat
nicht eine Achſe, ſondern viele, die aber nicht in
einer Ebene liegen. Zwiſchen zwey wirkſamen Nordpolen
liegt völlig unwirkſames Geſtein, welches aber we-
der durch äußere Kennzeichen
, noch durch
ſeine Miſchung
von dem wirkſamen zu unterſcheiden
iſt. Wenn man an dieſem Gebirge einige Achſen aſtro-
nomiſch genau in ihrer Lage beſtimmte, ſo wäre es eine
wichtige Unterſuchung, ob der invertirte Nordpol in der
Folge der Zeiten eben ſo gegen Oſten, wie der magne-
tiſche Nordpol des Erdſphäroids gegen Weſten fortrü-
cken würde? Mit dem Sauſſurſchen Magnetometer

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[137/0003] men wollte. Kaum näherte ich dieſelbe dem anſtehenden Geſtein, ſo ſahe ich den Südpol meiner Magnetnadel mit Heftigkeit aus ihrer Lage und in den wahren Norden geriſſen. Jch glaubte das Phänomen der Harzer Schnar- cher, (an denen ein magnetiſcher Streifen herab läuft), hier erneuert zu ſehen. Meine Freunde traten herzu und wir erſtaunten nun über alles, was wir ſahen. Jch be- halte mir vor, in der Folge eine umſtändlichere Beſchrei- bung jener Gebirgskuppe bekannt zu machen. Doch muß ich Jhnen vorläufig folgende Verhältniſſe entwickeln. Die Kuppe iſt dergeſtalt gegen die Erdachſe gerichtet, daß das Geſtein, am nördlichen Abhange, bloße Süd- pole, am ſüdlichen Abhange bloße Nordpole zeigt. Gegen Weſten und Oſten liegen Jndifferenz- punkte. Die Maſſe beſteht aus reinem Serpentinſtein, meiſt von lauchgrüner Farbe, der hier und da in Chlo- ritſchiefer übergeht. Einzelne Punkte ſind ſo magnetiſch, daß ſie in einer Entfernung von 22 Fuß die Magnetna- del aus ihrer natürlichen Lage reiſſen. Das Gebirge hat nicht eine Achſe, ſondern viele, die aber nicht in einer Ebene liegen. Zwiſchen zwey wirkſamen Nordpolen liegt völlig unwirkſames Geſtein, welches aber we- der durch äußere Kennzeichen, noch durch ſeine Miſchung von dem wirkſamen zu unterſcheiden iſt. Wenn man an dieſem Gebirge einige Achſen aſtro- nomiſch genau in ihrer Lage beſtimmte, ſo wäre es eine wichtige Unterſuchung, ob der invertirte Nordpol in der Folge der Zeiten eben ſo gegen Oſten, wie der magne- tiſche Nordpol des Erdſphäroids gegen Weſten fortrü- cken würde? Mit dem Sauſſurſchen Magnetometer wäre J 5

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die merkwürdige magnetische Polarität einer Gebirgsgruppe von Serpentinstein. Aus einem Briefe vom Herrn Oberbergrath F. A. v. Humboldt an den Herausgeber [Friedrich Albrecht Carl Gren]. In: Neues Journal der Physik, Bd. 4 (1797), S. 136-140, hier S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_polaritaet_1797/3>, abgerufen am 25.04.2024.