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Humboldt, Alexander von: [N]eue physikalische Beobachtungen im spanischen Amerika. Aus Briefen an Fourcroy und Lalande. In: Annalen der Physik, Bd. 7, 1801, S. 335-347.

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Sie erinnern sich der interessanten Beobachtun-
gen Coulomb's über die Luft, die aus den Baum-
stämmen, wenn man sie durchbohrt, in kleinen
Explosionen herauskömmt. Ich habe hier diese Be-
obachtungen an der Clusea rosacea wiederholt, ei-
ner milchigen Pflanze, die ein elastisches Gluten
giebt, und in deren Gefäßen, (den pneumato-chi-
miseris
Hedwig's, oder den cochleatis Malpi-
ghi's
,) eine ungeheure Menge von Luft circulirt.
Diese Luft enthält bis auf 0,55 Sauerstoff, und dient
daher höchst wahrscheinlich, gleich der Luft im
menschlichen Körper, durch Verschluckung des
Sauerstoffs den fibrösen Theil zu coaguliren. Die
Blätter dieses Baums, unter Wasser der Sonne aus-
gesetzt, geben kein Kubik-Millimetre Luft. --
Dagegen fand ich, ungeachtet der Sauerstoffgehalt
der atmosphärischen Luft hier, besonders bei Nacht,
meist über 0,505 steigt, in den Schoten und Frucht-
kapseln der Aequinoctial-Pflanzen, z. B. in der
Paullinia, eine Luft, die nur 0,24 bis 0,25 Theile,
und in den Culmis geniculatis eine Luft, die selbst
nur 0,15 Theile Sauerstoff enthielt. Ich schließe
daraus, daß die in den Pflanzen circulirende Luft
stets reiner, die ruhende Luft in den Kapseln oder
urticulis der Pflanzen dagegen immer weniger rein
als die atmosphärische Luft ist. Erstere wird in
den Organen, die das Wasser zersetzen, frisch er-
zeugt, und dahin geführt, wo sie durch den Ueber-
fluß an Sauerstoff den Faserstoff präcipitiren und
das fasrige Gewebe bilden soll; letztere ist der Rück-

Sie erinnern ſich der intereſſanten Beobachtun-
gen Coulomb's über die Luft, die aus den Baum-
ſtämmen, wenn man ſie durchbohrt, in kleinen
Exploſionen herauskömmt. Ich habe hier dieſe Be-
obachtungen an der Cluſea roſacea wiederholt, ei-
ner milchigen Pflanze, die ein elaſtiſches Gluten
giebt, und in deren Gefäßen, (den pneumato-chi-
miſeris
Hedwig's, oder den cochleatis Malpi-
ghi's
,) eine ungeheure Menge von Luft circulirt.
Dieſe Luft enthält bis auf 0,55 Sauerſtoff, und dient
daher höchſt wahrſcheinlich, gleich der Luft im
menſchlichen Körper, durch Verſchluckung des
Sauerſtoffs den fibröſen Theil zu coaguliren. Die
Blätter dieſes Baums, unter Waſſer der Sonne aus-
geſetzt, geben kein Kubik-Millimètre Luft. —
Dagegen fand ich, ungeachtet der Sauerſtoffgehalt
der atmoſphäriſchen Luft hier, beſonders bei Nacht,
meiſt über 0,505 ſteigt, in den Schoten und Frucht-
kapſeln der Aequinoctial-Pflanzen, z. B. in der
Paullinia, eine Luft, die nur 0,24 bis 0,25 Theile,
und in den Culmis geniculatis eine Luft, die ſelbſt
nur 0,15 Theile Sauerſtoff enthielt. Ich ſchließe
daraus, daß die in den Pflanzen circulirende Luft
ſtets reiner, die ruhende Luft in den Kapſeln oder
urticulis der Pflanzen dagegen immer weniger rein
als die atmoſphäriſche Luft iſt. Erſtere wird in
den Organen, die das Waſſer zerſetzen, friſch er-
zeugt, und dahin geführt, wo ſie durch den Ueber-
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[334/0007] Sie erinnern ſich der intereſſanten Beobachtun- gen Coulomb's über die Luft, die aus den Baum- ſtämmen, wenn man ſie durchbohrt, in kleinen Exploſionen herauskömmt. Ich habe hier dieſe Be- obachtungen an der Cluſea roſacea wiederholt, ei- ner milchigen Pflanze, die ein elaſtiſches Gluten giebt, und in deren Gefäßen, (den pneumato-chi- miſeris Hedwig's, oder den cochleatis Malpi- ghi's,) eine ungeheure Menge von Luft circulirt. Dieſe Luft enthält bis auf 0,55 Sauerſtoff, und dient daher höchſt wahrſcheinlich, gleich der Luft im menſchlichen Körper, durch Verſchluckung des Sauerſtoffs den fibröſen Theil zu coaguliren. Die Blätter dieſes Baums, unter Waſſer der Sonne aus- geſetzt, geben kein Kubik-Millimètre Luft. — Dagegen fand ich, ungeachtet der Sauerſtoffgehalt der atmoſphäriſchen Luft hier, beſonders bei Nacht, meiſt über 0,505 ſteigt, in den Schoten und Frucht- kapſeln der Aequinoctial-Pflanzen, z. B. in der Paullinia, eine Luft, die nur 0,24 bis 0,25 Theile, und in den Culmis geniculatis eine Luft, die ſelbſt nur 0,15 Theile Sauerſtoff enthielt. Ich ſchließe daraus, daß die in den Pflanzen circulirende Luft ſtets reiner, die ruhende Luft in den Kapſeln oder urticulis der Pflanzen dagegen immer weniger rein als die atmoſphäriſche Luft iſt. Erſtere wird in den Organen, die das Waſſer zerſetzen, friſch er- zeugt, und dahin geführt, wo ſie durch den Ueber- fluß an Sauerſtoff den Faſerſtoff präcipitiren und das faſrige Gewebe bilden ſoll; letztere iſt der Rück-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: [N]eue physikalische Beobachtungen im spanischen Amerika. Aus Briefen an Fourcroy und Lalande. In: Annalen der Physik, Bd. 7, 1801, S. 335-347, hier S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_lalande_1801/7>, abgerufen am 23.04.2024.