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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862.

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ich der Geschichte der Weltanschauung widmen konnte, der scharfsinnigen Naturbeobachtungen erwähnt, die sich dem alles umfassenden Genius von Leonardo da Vinci11 darboten bei Eröffnung von neuen Steinbrüchen und bei Anlegung von Canälen, die das lombardische Schuttland und die Tertiärschichten durchschnitten; dem Girolamo Fracastoro beim Anblick der Steinbrüche um Verona unfern der Citadelle von S. Felice, und der an fossilen Fischen so reichen Gesteinschichten des Monte Bolca; der vereinten Kräfte des englischen Arztes Martin Lister und des berühmten dänischen Anatomen Nicolaus Steno (Stenson) am großherzoglichen Hofe von Toscana. Lister sprach schon aus12, daß jede Gesteinschicht durch eigene Fossilien charakterisirt werde; daß aber trotz großer Form-Aehnlichkeiten doch die Producte der jetzigen Meere bei genauerer Vergleichung sich ganz verschieden von den fossilen, die er aufgefunden, zeigten. Es ist zu beklagen, daß diese richtigen Naturansichten bei dem geistreichen Manne, der auch das unbestrittene Verdienst hat schon im Jahr 1681 den ersten Vorschlag gemacht zu haben geognostische Karten von England entwerfen zu lassen, durch wunderliche, ganz naturwidrige Hypothesen über den Proceß der Versteinerung und die plastischen Naturkräfte verunstaltet wurden. In den wichtigen posthumous Works von Robert Hooke ist dagegen das Unphilosophische einer solchen Annahme von Naturspielen und der sogenannten Naturversuche13, organische Gebilde im Reiche der Fossilien nachzuahmen, siegreich entwickelt; auch zum ersten Male die, damals den Theologen sehr verhaßte Lehre von untergegangenen Thiergeschlechtern aufgestellt. Steno14, in seinem merkwürdigen stratigraphischen Werke: de solido intra solidum naturaliter contento

ich der Geschichte der Weltanschauung widmen konnte, der scharfsinnigen Naturbeobachtungen erwähnt, die sich dem alles umfassenden Genius von Leonardo da Vinci11 darboten bei Eröffnung von neuen Steinbrüchen und bei Anlegung von Canälen, die das lombardische Schuttland und die Tertiärschichten durchschnitten; dem Girolamo Fracastoro beim Anblick der Steinbrüche um Verona unfern der Citadelle von S. Felice, und der an fossilen Fischen so reichen Gesteinschichten des Monte Bolca; der vereinten Kräfte des englischen Arztes Martin Lister und des berühmten dänischen Anatomen Nicolaus Steno (Stenson) am großherzoglichen Hofe von Toscana. Lister sprach schon aus12, daß jede Gesteinschicht durch eigene Fossilien charakterisirt werde; daß aber trotz großer Form-Aehnlichkeiten doch die Producte der jetzigen Meere bei genauerer Vergleichung sich ganz verschieden von den fossilen, die er aufgefunden, zeigten. Es ist zu beklagen, daß diese richtigen Naturansichten bei dem geistreichen Manne, der auch das unbestrittene Verdienst hat schon im Jahr 1681 den ersten Vorschlag gemacht zu haben geognostische Karten von England entwerfen zu lassen, durch wunderliche, ganz naturwidrige Hypothesen über den Proceß der Versteinerung und die plastischen Naturkräfte verunstaltet wurden. In den wichtigen posthumous Works von Robert Hooke ist dagegen das Unphilosophische einer solchen Annahme von Naturspielen und der sogenannten Naturversuche13, organische Gebilde im Reiche der Fossilien nachzuahmen, siegreich entwickelt; auch zum ersten Male die, damals den Theologen sehr verhaßte Lehre von untergegangenen Thiergeschlechtern aufgestellt. Steno14, in seinem merkwürdigen stratigraphischen Werke: de solido intra solidum naturaliter contento

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[62/0069] ich der Geschichte der Weltanschauung widmen konnte, der scharfsinnigen Naturbeobachtungen erwähnt, die sich dem alles umfassenden Genius von Leonardo da Vinci ¹¹ darboten bei Eröffnung von neuen Steinbrüchen und bei Anlegung von Canälen, die das lombardische Schuttland und die Tertiärschichten durchschnitten; dem Girolamo Fracastoro beim Anblick der Steinbrüche um Verona unfern der Citadelle von S. Felice, und der an fossilen Fischen so reichen Gesteinschichten des Monte Bolca; der vereinten Kräfte des englischen Arztes Martin Lister und des berühmten dänischen Anatomen Nicolaus Steno (Stenson) am großherzoglichen Hofe von Toscana. Lister sprach schon aus ¹² , daß jede Gesteinschicht durch eigene Fossilien charakterisirt werde; daß aber trotz großer Form-Aehnlichkeiten doch die Producte der jetzigen Meere bei genauerer Vergleichung sich ganz verschieden von den fossilen, die er aufgefunden, zeigten. Es ist zu beklagen, daß diese richtigen Naturansichten bei dem geistreichen Manne, der auch das unbestrittene Verdienst hat schon im Jahr 1681 den ersten Vorschlag gemacht zu haben geognostische Karten von England entwerfen zu lassen, durch wunderliche, ganz naturwidrige Hypothesen über den Proceß der Versteinerung und die plastischen Naturkräfte verunstaltet wurden. In den wichtigen posthumous Works von Robert Hooke ist dagegen das Unphilosophische einer solchen Annahme von Naturspielen und der sogenannten Naturversuche ¹³ , organische Gebilde im Reiche der Fossilien nachzuahmen, siegreich entwickelt; auch zum ersten Male die, damals den Theologen sehr verhaßte Lehre von untergegangenen Thiergeschlechtern aufgestellt. Steno ¹⁴ , in seinem merkwürdigen stratigraphischen Werke: de solido intra solidum naturaliter contento

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos0501_1862/69>, abgerufen am 18.04.2024.