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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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Dalberg die erste Anregung zu diesem Werke empfangen hatte.
Nicht viel länger als acht Monate war es her, dass er die Feder,
mit der er es niederschrieb, aus der Hand gelegt. Vor etwa vier
Monaten noch hatte er sich mit der Ausführung seiner Ideen,
die er darin gegeben, in voller Uebereinstimmung befunden,
und jetzt war er schon auf den Punkt gekommen, wo er sich
ebensowenig zu einer unveränderten Veröffentlichung, wie zu
einer Vornahme der Veränderungen, die ihm nöthig schienen,
entschliessen konnte. Wir werden es daher natürlich finden,
dass ihm, nachdem er einmal ins Unbestimmte hinauszuschieben
begonnen hatte, der eine Entschluss wie der andere mit jedem
Tage mehr unmöglich werden musste. Nicht auf Monate, wie
Humboldt damals glaubte, fesselten ihn heterogene Beschäfti-
gungen; -- und welcher Art diese waren, zeigt seine Correspon-
denz mit F. A. Wolf, die eben in den Tagen ihren Anfang
nimmt, in welchen ihm seine politischen Ideen fremd zu werden
begannen. Was ihm als eine flüchtige Excursion erschien, von
der er sich bald in die Regionen politischer Speculation zurück-
finden werde, wurde ihm zu dem Wege, auf dem er den besten
Theil seiner Lebensaufgabe fand und löste. -- Und als ihn end-
lich in einem ganz neuen Stadium seiner Entwicklung, nachdem
er sich an der Hand F. A. Wolf's in das Studium des Alter-
thums und der Sprachen versenkt, nachdem er mit Schiller im
Bunde die Höhen der Kunstphilosophie erstiegen hatte, seine
Lebensbahn zum Staate zurückführte, mussten da nicht dem
Staatsmanne Humboldt die "Ideen" des Jünglings wie eine
andere Welt erscheinen? Schliesslich sei noch einer mit der Ver-
änderung in Humboldt's Gedankenrichtung zusammen treffen-
den sehr wesentlichen Umwandlung der äusseren Umstände
gedacht. An demselben Tage, von dem der letzte diese Ange-
legenheit behandelnde Brief Humboldt's datirt ist, am 18. Jan.,
wurde in Paris der Tod Ludwigs XVI. beschlossen. Drei Tage
später fiel sein Haupt. Es ist bekannt, wie diese Katastrophe

Dalberg die erste Anregung zu diesem Werke empfangen hatte.
Nicht viel länger als acht Monate war es her, dass er die Feder,
mit der er es niederschrieb, aus der Hand gelegt. Vor etwa vier
Monaten noch hatte er sich mit der Ausführung seiner Ideen,
die er darin gegeben, in voller Uebereinstimmung befunden,
und jetzt war er schon auf den Punkt gekommen, wo er sich
ebensowenig zu einer unveränderten Veröffentlichung, wie zu
einer Vornahme der Veränderungen, die ihm nöthig schienen,
entschliessen konnte. Wir werden es daher natürlich finden,
dass ihm, nachdem er einmal ins Unbestimmte hinauszuschieben
begonnen hatte, der eine Entschluss wie der andere mit jedem
Tage mehr unmöglich werden musste. Nicht auf Monate, wie
Humboldt damals glaubte, fesselten ihn heterogene Beschäfti-
gungen; — und welcher Art diese waren, zeigt seine Correspon-
denz mit F. A. Wolf, die eben in den Tagen ihren Anfang
nimmt, in welchen ihm seine politischen Ideen fremd zu werden
begannen. Was ihm als eine flüchtige Excursion erschien, von
der er sich bald in die Regionen politischer Speculation zurück-
finden werde, wurde ihm zu dem Wege, auf dem er den besten
Theil seiner Lebensaufgabe fand und löste. — Und als ihn end-
lich in einem ganz neuen Stadium seiner Entwicklung, nachdem
er sich an der Hand F. A. Wolf’s in das Studium des Alter-
thums und der Sprachen versenkt, nachdem er mit Schiller im
Bunde die Höhen der Kunstphilosophie erstiegen hatte, seine
Lebensbahn zum Staate zurückführte, mussten da nicht dem
Staatsmanne Humboldt die „Ideen“ des Jünglings wie eine
andere Welt erscheinen? Schliesslich sei noch einer mit der Ver-
änderung in Humboldt’s Gedankenrichtung zusammen treffen-
den sehr wesentlichen Umwandlung der äusseren Umstände
gedacht. An demselben Tage, von dem der letzte diese Ange-
legenheit behandelnde Brief Humboldt’s datirt ist, am 18. Jan.,
wurde in Paris der Tod Ludwigs XVI. beschlossen. Drei Tage
später fiel sein Haupt. Es ist bekannt, wie diese Katastrophe

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[XI/0019] Dalberg die erste Anregung zu diesem Werke empfangen hatte. Nicht viel länger als acht Monate war es her, dass er die Feder, mit der er es niederschrieb, aus der Hand gelegt. Vor etwa vier Monaten noch hatte er sich mit der Ausführung seiner Ideen, die er darin gegeben, in voller Uebereinstimmung befunden, und jetzt war er schon auf den Punkt gekommen, wo er sich ebensowenig zu einer unveränderten Veröffentlichung, wie zu einer Vornahme der Veränderungen, die ihm nöthig schienen, entschliessen konnte. Wir werden es daher natürlich finden, dass ihm, nachdem er einmal ins Unbestimmte hinauszuschieben begonnen hatte, der eine Entschluss wie der andere mit jedem Tage mehr unmöglich werden musste. Nicht auf Monate, wie Humboldt damals glaubte, fesselten ihn heterogene Beschäfti- gungen; — und welcher Art diese waren, zeigt seine Correspon- denz mit F. A. Wolf, die eben in den Tagen ihren Anfang nimmt, in welchen ihm seine politischen Ideen fremd zu werden begannen. Was ihm als eine flüchtige Excursion erschien, von der er sich bald in die Regionen politischer Speculation zurück- finden werde, wurde ihm zu dem Wege, auf dem er den besten Theil seiner Lebensaufgabe fand und löste. — Und als ihn end- lich in einem ganz neuen Stadium seiner Entwicklung, nachdem er sich an der Hand F. A. Wolf’s in das Studium des Alter- thums und der Sprachen versenkt, nachdem er mit Schiller im Bunde die Höhen der Kunstphilosophie erstiegen hatte, seine Lebensbahn zum Staate zurückführte, mussten da nicht dem Staatsmanne Humboldt die „Ideen“ des Jünglings wie eine andere Welt erscheinen? Schliesslich sei noch einer mit der Ver- änderung in Humboldt’s Gedankenrichtung zusammen treffen- den sehr wesentlichen Umwandlung der äusseren Umstände gedacht. An demselben Tage, von dem der letzte diese Ange- legenheit behandelnde Brief Humboldt’s datirt ist, am 18. Jan., wurde in Paris der Tod Ludwigs XVI. beschlossen. Drei Tage später fiel sein Haupt. Es ist bekannt, wie diese Katastrophe

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/19>, abgerufen am 29.03.2024.