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Humboldt, Alexander von: Beobachtungen über das Gesetz der Wärmeabnahme in den höhern Regionen der Athmosphäre, und über die untern Gränzen des ewigen Schnees. In: Annalen der Physik, Bd. 24, St. 9 (1806), S. 1-49.

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Fragmente aus den Vorlesungen mittheilen zu können,
die ihm eine ähnliche Belehrung, wie mir die Lectüre
des Ganzen, verschaffen werden, schätze ich mich glück-
lich. In Wissenschaften, die so rasch vorwärts schrei-
ten, als in den neuesten Zeiten alle Theile der Naturkun-
de, scheint das eigne Interesse eines gelehrten Vereins
zu fordern, dass das, was jetzt neu und folgereich ist,
nicht erst dann in das Publicum komme, wenn es den
Reiz der Neuheit ganz verloren hat, und wenn andere
schon der Ideen, oder wohl gar der ganzen Arbeit sich
bemächtigt haben; daher selbst die Mitglieder des fran-
zösischen Nationalinstituts, La Place nicht ausgenom-
men, allgemeiner interessante Untersuchungen im Felde
der Physik durch ziemlich vollständige Auszüge vorläufig
in das Publicum bringen. Eine in mehr als Einer Hinsicht
löbliche Sitte, die mit der für manche Fächer zweck-
mässigen Einrichtung der Akademieen, dass die für ih-
re Schriften bestimmten Untersuchungen nicht eher, als
in diesen vollständig gedruckt werden sollen, meisten
Theils ganz gut bestehen kann.

In der Einleitung zu seinen Abhandlungen macht
Herr von Humboldt darauf aufmerksam, wie wenig
für die physikalische Erdbeschreibung, oder vielmehr für
die Physik der Erde, (Physique du Monde,) bis jetzt im
Ganzen von reisenden Naturforschern geschehen ist,
weil sie sich alle fast ausschliesslich mit den naturbe-
schreibenden Wissenschaften und mit dem Sammeln be-
schäftigt, und es vernachlässigt haben, "den grossen
"und steten Naturgesetzen, die sich in dem raschen Wech-
"sel der Erscheinungen zeigen, und dem Ineinanderwir-
"ken, gleichsam dem Kampfe der entzweiten Natur-
"kräfte, nachzuspüren." "So leidenschaftlich", fügt er
hinzu, "mich auch das Pflanzenstudium beschäftigte, so
"unbeschreiblich gross auch der Genuss ist, welchen mir
"der Anblick jener üppig aufstrebenden und dabei so kraft-

Fragmente aus den Vorleſungen mittheilen zu können,
die ihm eine ähnliche Belehrung, wie mir die Lectüre
des Ganzen, verſchaffen werden, ſchätze ich mich glück-
lich. In Wiſſenſchaften, die ſo raſch vorwärts ſchrei-
ten, als in den neueſten Zeiten alle Theile der Naturkun-
de, ſcheint das eigne Intereſſe eines gelehrten Vereins
zu fordern, daſs das, was jetzt neu und folgereich iſt,
nicht erſt dann in das Publicum komme, wenn es den
Reiz der Neuheit ganz verloren hat, und wenn andere
ſchon der Ideen, oder wohl gar der ganzen Arbeit ſich
bemächtigt haben; daher ſelbſt die Mitglieder des fran-
zöſiſchen Nationalinſtituts, La Place nicht ausgenom-
men, allgemeiner intereſſante Unterſuchungen im Felde
der Phyſik durch ziemlich vollſtändige Auszüge vorläufig
in das Publicum bringen. Eine in mehr als Einer Hinſicht
löbliche Sitte, die mit der für manche Fächer zweck-
mäſsigen Einrichtung der Akademieen, daſs die für ih-
re Schriften beſtimmten Unterſuchungen nicht eher, als
in dieſen vollſtändig gedruckt werden ſollen, meiſten
Theils ganz gut beſtehen kann.

In der Einleitung zu ſeinen Abhandlungen macht
Herr von Humboldt darauf aufmerkſam, wie wenig
für die phyſikaliſche Erdbeſchreibung, oder vielmehr für
die Phyſik der Erde, (Phyſique du Monde,) bis jetzt im
Ganzen von reiſenden Naturforſchern geſchehen iſt,
weil ſie ſich alle faſt ausſchlieſslich mit den naturbe-
ſchreibenden Wiſſenſchaften und mit dem Sammeln be-
ſchäftigt, und es vernachläſſigt haben, „den groſsen
„und ſteten Naturgeſetzen, die ſich in dem raſchen Wech-
„ſel der Erſcheinungen zeigen, und dem Ineinanderwir-
„ken, gleichſam dem Kampfe der entzweiten Natur-
„kräfte, nachzuſpüren.“ „So leidenſchaftlich“, fügt er
hinzu, „mich auch das Pflanzenſtudium beſchäftigte, ſo
„unbeſchreiblich groſs auch der Genuſs iſt, welchen mir
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[2/0003] Fragmente aus den Vorleſungen mittheilen zu können, die ihm eine ähnliche Belehrung, wie mir die Lectüre des Ganzen, verſchaffen werden, ſchätze ich mich glück- lich. In Wiſſenſchaften, die ſo raſch vorwärts ſchrei- ten, als in den neueſten Zeiten alle Theile der Naturkun- de, ſcheint das eigne Intereſſe eines gelehrten Vereins zu fordern, daſs das, was jetzt neu und folgereich iſt, nicht erſt dann in das Publicum komme, wenn es den Reiz der Neuheit ganz verloren hat, und wenn andere ſchon der Ideen, oder wohl gar der ganzen Arbeit ſich bemächtigt haben; daher ſelbſt die Mitglieder des fran- zöſiſchen Nationalinſtituts, La Place nicht ausgenom- men, allgemeiner intereſſante Unterſuchungen im Felde der Phyſik durch ziemlich vollſtändige Auszüge vorläufig in das Publicum bringen. Eine in mehr als Einer Hinſicht löbliche Sitte, die mit der für manche Fächer zweck- mäſsigen Einrichtung der Akademieen, daſs die für ih- re Schriften beſtimmten Unterſuchungen nicht eher, als in dieſen vollſtändig gedruckt werden ſollen, meiſten Theils ganz gut beſtehen kann. In der Einleitung zu ſeinen Abhandlungen macht Herr von Humboldt darauf aufmerkſam, wie wenig für die phyſikaliſche Erdbeſchreibung, oder vielmehr für die Phyſik der Erde, (Phyſique du Monde,) bis jetzt im Ganzen von reiſenden Naturforſchern geſchehen iſt, weil ſie ſich alle faſt ausſchlieſslich mit den naturbe- ſchreibenden Wiſſenſchaften und mit dem Sammeln be- ſchäftigt, und es vernachläſſigt haben, „den groſsen „und ſteten Naturgeſetzen, die ſich in dem raſchen Wech- „ſel der Erſcheinungen zeigen, und dem Ineinanderwir- „ken, gleichſam dem Kampfe der entzweiten Natur- „kräfte, nachzuſpüren.“ „So leidenſchaftlich“, fügt er hinzu, „mich auch das Pflanzenſtudium beſchäftigte, ſo „unbeſchreiblich groſs auch der Genuſs iſt, welchen mir „der Anblick jener üppig aufſtrebenden und dabei ſo kraft-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Beobachtungen über das Gesetz der Wärmeabnahme in den höhern Regionen der Athmosphäre, und über die untern Gränzen des ewigen Schnees. In: Annalen der Physik, Bd. 24, St. 9 (1806), S. 1-49, hier S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gesetz_1806/3>, abgerufen am 25.04.2024.