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Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219.

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(Leoncito de monte oder Puma chiquito nennen ihn die
Spanier), ein Thier das noch unbeschrieben 1), und von
dem grossen amerikanischen Löwen Cuguar, Felis con-
color
, sehr verschieden ist. Nach Exemplaren, die ich
später sah, und die uns von Lloa, am Abhange des Pi-
chincha, gebracht wurden, ist der Berglöwe sehr niedrig,
kaum 11/2 Fuss hoch, aber sein Kopf ist dick und bei
den Augen 51/4 Zoll breit. Im starken Gebiss haben die
Eckzähne dieser kleinen, ungefleckten, gelbrothen Felis-
Art eine Länge von 13 Linien. Das dem Menschen völlig
unschädliche Thier scheint die öde, obere Bergregion des
Vulkans zu lieben; denn auch La Condamine sah an
demselben Punkte die Spur seiner Tatzen. Wir überstie-
gen glücklicherweise vor Einbruch der Nacht das steile
Joch, welches die Sienega von dem Thal von Yuyucha
trennt. Aber durch dieses Thal gelangten wir in grosser
Finsterniss (kein Stern liess sich blicken), nach zahllosem
Fallen auf dem rauhen Pfade, Nachts um halb zwölf Uhr
nach Quito. Wir waren auf der beschwerlichen Excur-
sion von 18 Stunden fast 14 zu Fuss gegangen.

Dritte Besteigung. -- Den 27sten Mai, also den
Tag nach unserer zweiten Expedition, spürte man Abends
in Quito einige sehr heftige Erdstösse. Die Nachricht
von der Wiederentzündung des nahen Craters hatte bei
den Einwohnern viel Interesse, aber zugleich auch Miss-
vergnügen erregt. Man verbreitete, "die fremden Ketzer
(los hereges) hätten gewiss Pulver in den Crater gewor-
fen." Die letzten Erdstösse wären der Wirkung die-
ser Pulver zuzuschreiben. Meine Reisebegleiter waren
seitdem von dem Landsitze Chillo zurückgekommen, und
am 28sten Morgens um halb fünf Uhr waren wir schon
wieder auf dem Wege nach Rucu-Pichincha, Bonpland,

1) Wohl sehr von Felis unicolor, Lesson verschieden, da dieser dem
heissen Guyana, der kleine Berglöwe aber Höhen, die 8000 Fuss über-
steigen, angehört. Aus dem Neuen Continent sind nun schon an zwan-
zig ihm eigenthümliche Felis-Arten bekannt.

(Leoncito de monte oder Puma chiquito nennen ihn die
Spanier), ein Thier das noch unbeschrieben 1), und von
dem groſsen amerikanischen Löwen Cuguar, Felis con-
color
, sehr verschieden ist. Nach Exemplaren, die ich
später sah, und die uns von Lloa, am Abhange des Pi-
chincha, gebracht wurden, ist der Berglöwe sehr niedrig,
kaum 1½ Fuſs hoch, aber sein Kopf ist dick und bei
den Augen 5¼ Zoll breit. Im starken Gebiſs haben die
Eckzähne dieser kleinen, ungefleckten, gelbrothen Felis-
Art eine Länge von 13 Linien. Das dem Menschen völlig
unschädliche Thier scheint die öde, obere Bergregion des
Vulkans zu lieben; denn auch La Condamine sah an
demselben Punkte die Spur seiner Tatzen. Wir überstie-
gen glücklicherweise vor Einbruch der Nacht das steile
Joch, welches die Sienega von dem Thal von Yuyucha
trennt. Aber durch dieses Thal gelangten wir in groſser
Finsterniſs (kein Stern lieſs sich blicken), nach zahllosem
Fallen auf dem rauhen Pfade, Nachts um halb zwölf Uhr
nach Quito. Wir waren auf der beschwerlichen Excur-
sion von 18 Stunden fast 14 zu Fuſs gegangen.

Dritte Besteigung. — Den 27sten Mai, also den
Tag nach unserer zweiten Expedition, spürte man Abends
in Quito einige sehr heftige Erdstöſse. Die Nachricht
von der Wiederentzündung des nahen Craters hatte bei
den Einwohnern viel Interesse, aber zugleich auch Miſs-
vergnügen erregt. Man verbreitete, »die fremden Ketzer
(los hereges) hätten gewiſs Pulver in den Crater gewor-
fen.« Die letzten Erdstöſse wären der Wirkung die-
ser Pulver zuzuschreiben. Meine Reisebegleiter waren
seitdem von dem Landsitze Chillo zurückgekommen, und
am 28sten Morgens um halb fünf Uhr waren wir schon
wieder auf dem Wege nach Rucu-Pichincha, Bonpland,

1) Wohl sehr von Felis unicolor, Lesson verschieden, da dieser dem
heiſsen Guyana, der kleine Berglöwe aber Höhen, die 8000 Fuſs über-
steigen, angehört. Aus dem Neuen Continent sind nun schon an zwan-
zig ihm eigenthümliche Felis-Arten bekannt.
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[216/0024] (Leoncito de monte oder Puma chiquito nennen ihn die Spanier), ein Thier das noch unbeschrieben 1), und von dem groſsen amerikanischen Löwen Cuguar, Felis con- color, sehr verschieden ist. Nach Exemplaren, die ich später sah, und die uns von Lloa, am Abhange des Pi- chincha, gebracht wurden, ist der Berglöwe sehr niedrig, kaum 1½ Fuſs hoch, aber sein Kopf ist dick und bei den Augen 5¼ Zoll breit. Im starken Gebiſs haben die Eckzähne dieser kleinen, ungefleckten, gelbrothen Felis- Art eine Länge von 13 Linien. Das dem Menschen völlig unschädliche Thier scheint die öde, obere Bergregion des Vulkans zu lieben; denn auch La Condamine sah an demselben Punkte die Spur seiner Tatzen. Wir überstie- gen glücklicherweise vor Einbruch der Nacht das steile Joch, welches die Sienega von dem Thal von Yuyucha trennt. Aber durch dieses Thal gelangten wir in groſser Finsterniſs (kein Stern lieſs sich blicken), nach zahllosem Fallen auf dem rauhen Pfade, Nachts um halb zwölf Uhr nach Quito. Wir waren auf der beschwerlichen Excur- sion von 18 Stunden fast 14 zu Fuſs gegangen. Dritte Besteigung. — Den 27sten Mai, also den Tag nach unserer zweiten Expedition, spürte man Abends in Quito einige sehr heftige Erdstöſse. Die Nachricht von der Wiederentzündung des nahen Craters hatte bei den Einwohnern viel Interesse, aber zugleich auch Miſs- vergnügen erregt. Man verbreitete, »die fremden Ketzer (los hereges) hätten gewiſs Pulver in den Crater gewor- fen.« Die letzten Erdstöſse wären der Wirkung die- ser Pulver zuzuschreiben. Meine Reisebegleiter waren seitdem von dem Landsitze Chillo zurückgekommen, und am 28sten Morgens um halb fünf Uhr waren wir schon wieder auf dem Wege nach Rucu-Pichincha, Bonpland, 1) Wohl sehr von Felis unicolor, Lesson verschieden, da dieser dem heiſsen Guyana, der kleine Berglöwe aber Höhen, die 8000 Fuſs über- steigen, angehört. Aus dem Neuen Continent sind nun schon an zwan- zig ihm eigenthümliche Felis-Arten bekannt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219, hier S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_geognostisch_1838/24>, abgerufen am 29.03.2024.