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Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120.

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in Südamerika.
reisender Naturforscher vor uns diese schönen Gebirgsebenen von Loxa
besucht. Durch diese Umstände begünstigt, glaube ich über einen so
schwierigen und durch mannichfaltigen Streit immer mehr und mehr ver-
wirrt gewordenen Gegenstand mit einiger Zuversicht reden zu können.

Es würde überflüssig seyn hier zu wiederholen was man über die
Geschichte der Entdekung der heilenden Eigenschaften der Fieberrinde
gefabelt hat. Bald soll ein Kranker aus einer Lache getrunken haben,
in welchen Chinastämme gelegen hatten und deren Wasser dadurch ei-
nen bittern Geschmack angenommen hatte; bald soll ein Löwe sich
das Fieber durch kauen von Chinarinde geheilt und die Aufmerksam-
keit der Indianer auf diesen Baum gezogen haben. Lambert hat in sei-
ner Monographie von Cinchona*) alle diese Meinungen gesammelt.
Dass Thiere den Menschen belehrt haben ist eine sehr gewöhnliche Form
der Volksmährchen. Das vortrefliche Gegengift, Vejuco del Guaco, eine
von Mutis beschriebene Pflanze, die der Mikania verwandt ist, und die man
fälschlich mit der Ayapana aus Brasilien verwechselt, soll auch der (wie
der Falco serpentarius) mit Schlangen kämpfende Neu-Grenadische
Falco Guaco, den Indianern gezeigt haben. Dass übrigens der unge-
mähnte grosse amerikanische Löwe, Felis concolor, das Fieber habe,
ist eine so gewagte Hypothese als die Behauptung der Einwohner des
verpesteten Thals Gualla bamba,**) welche mich versicherten, dass selbst
die Geier (Vultur aura) in ihrer Gegend fieberkrank wären. Ja in der
Region der Chinawälder findet sich nicht einmal der die Wärme lieben-
de Felis concolor, sondern höchstens die noch nicht gehörig beschrie-
bene Katze Puma, welche ich Felis. andicola nennen möchte, La Con-
damine's petit lion du volcan de Pichincha,
den wir bis 2500 Toisen
Höhe angetroffen haben.

Die so oft nachgeschriebene Geschichte der Gräfin Chinchon, Vi-
cekönigin von Peru, ist wohl noch zweifelhafter als man gemeinhin
glaubt. Allerdings war ein Graf Chinchon, Don Geronimo Fernandez
de Cabrera Bobadella y Mendoza
von 1629 bis 1639 Vicekönig in
Lima. Es ist sehr wahrscheinlich, dass seine Gemahlin nach ihrer Zu-
rückkunft nach Spanien 1640 zuerst die Fieberrinde in Europa verbrei-
tete. Der Name Pulvis Comitissae scheint selbst älter als der Pulvis
Jesuiticus
oder Pulvis patrum. Aber ich glaube (und Herr Olmedo in
Loxa ist mit mir derselben Meinung) ich glaube nicht, dass der Corre-
gidor von Loxa, Don Juan Lopez de Cannizares,***) der die fieberkranke

*) A description of the gernus Cinchona 1797. p. 39.
**) Nahe bei der Stadt Quito.
***) Flora Peruviana. T. II, p. 2.

in Südamerika.
reisender Naturforscher vor uns diese schönen Gebirgsebenen von Loxa
besucht. Durch diese Umstände begünstigt, glaube ich über einen so
schwierigen und durch mannichfaltigen Streit immer mehr und mehr ver-
wirrt gewordenen Gegenstand mit einiger Zuversicht reden zu können.

Es würde überflüſsig seyn hier zu wiederholen was man über die
Geschichte der Entdekung der heilenden Eigenschaften der Fieberrinde
gefabelt hat. Bald soll ein Kranker aus einer Lache getrunken haben,
in welchen Chinastämme gelegen hatten und deren Wasser dadurch ei-
nen bittern Geschmack angenommen hatte; bald soll ein Löwe sich
das Fieber durch kauen von Chinarinde geheilt und die Aufmerksam-
keit der Indianer auf diesen Baum gezogen haben. Lambert hat in sei-
ner Monographie von Cinchona*) alle diese Meinungen gesammelt.
Daſs Thiere den Menschen belehrt haben ist eine sehr gewöhnliche Form
der Volksmährchen. Das vortrefliche Gegengift, Vejuco del Guaco, eine
von Mutis beschriebene Pflanze, die der Mikania verwandt ist, und die man
fälschlich mit der Ayapana aus Brasilien verwechselt, soll auch der (wie
der Falco serpentarius) mit Schlangen kämpfende Neu-Grenadische
Falco Guaco, den Indianern gezeigt haben. Daſs übrigens der unge-
mähnte groſse amerikanische Löwe, Felis concolor, das Fieber habe,
ist eine so gewagte Hypothese als die Behauptung der Einwohner des
verpesteten Thals Gualla bamba,**) welche mich versicherten, daſs selbst
die Geier (Vultur aura) in ihrer Gegend fieberkrank wären. Ja in der
Region der Chinawälder findet sich nicht einmal der die Wärme lieben-
de Felis concolor, sondern höchstens die noch nicht gehörig beschrie-
bene Katze Puma, welche ich Felis. andicola nennen möchte, La Con-
damine's petit lion du volcan de Pichincha,
den wir bis 2500 Toisen
Höhe angetroffen haben.

Die so oft nachgeschriebene Geschichte der Gräfin Chinchon, Vi-
cekönigin von Peru, ist wohl noch zweifelhafter als man gemeinhin
glaubt. Allerdings war ein Graf Chinchon, Don Geronimo Fernandez
de Cabrera Bobadella y Mendoza
von 1629 bis 1639 Vicekönig in
Lima. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs seine Gemahlin nach ihrer Zu-
rückkunft nach Spanien 1640 zuerst die Fieberrinde in Europa verbrei-
tete. Der Name Pulvis Comitissae scheint selbst älter als der Pulvis
Jesuiticus
oder Pulvis patrum. Aber ich glaube (und Herr Olmedo in
Loxa ist mit mir derselben Meinung) ich glaube nicht, daſs der Corre-
gidor von Loxa, Don Juan Lopez de Cannizares,***) der die fieberkranke

*) A description of the gernus Cinchona 1797. p. 39.
**) Nahe bei der Stadt Quito.
***) Flora Peruviana. T. II, p. 2.
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[59/0004] in Südamerika. reisender Naturforscher vor uns diese schönen Gebirgsebenen von Loxa besucht. Durch diese Umstände begünstigt, glaube ich über einen so schwierigen und durch mannichfaltigen Streit immer mehr und mehr ver- wirrt gewordenen Gegenstand mit einiger Zuversicht reden zu können. Es würde überflüſsig seyn hier zu wiederholen was man über die Geschichte der Entdekung der heilenden Eigenschaften der Fieberrinde gefabelt hat. Bald soll ein Kranker aus einer Lache getrunken haben, in welchen Chinastämme gelegen hatten und deren Wasser dadurch ei- nen bittern Geschmack angenommen hatte; bald soll ein Löwe sich das Fieber durch kauen von Chinarinde geheilt und die Aufmerksam- keit der Indianer auf diesen Baum gezogen haben. Lambert hat in sei- ner Monographie von Cinchona *) alle diese Meinungen gesammelt. Daſs Thiere den Menschen belehrt haben ist eine sehr gewöhnliche Form der Volksmährchen. Das vortrefliche Gegengift, Vejuco del Guaco, eine von Mutis beschriebene Pflanze, die der Mikania verwandt ist, und die man fälschlich mit der Ayapana aus Brasilien verwechselt, soll auch der (wie der Falco serpentarius) mit Schlangen kämpfende Neu-Grenadische Falco Guaco, den Indianern gezeigt haben. Daſs übrigens der unge- mähnte groſse amerikanische Löwe, Felis concolor, das Fieber habe, ist eine so gewagte Hypothese als die Behauptung der Einwohner des verpesteten Thals Gualla bamba, **) welche mich versicherten, daſs selbst die Geier (Vultur aura) in ihrer Gegend fieberkrank wären. Ja in der Region der Chinawälder findet sich nicht einmal der die Wärme lieben- de Felis concolor, sondern höchstens die noch nicht gehörig beschrie- bene Katze Puma, welche ich Felis. andicola nennen möchte, La Con- damine's petit lion du volcan de Pichincha, den wir bis 2500 Toisen Höhe angetroffen haben. Die so oft nachgeschriebene Geschichte der Gräfin Chinchon, Vi- cekönigin von Peru, ist wohl noch zweifelhafter als man gemeinhin glaubt. Allerdings war ein Graf Chinchon, Don Geronimo Fernandez de Cabrera Bobadella y Mendoza von 1629 bis 1639 Vicekönig in Lima. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs seine Gemahlin nach ihrer Zu- rückkunft nach Spanien 1640 zuerst die Fieberrinde in Europa verbrei- tete. Der Name Pulvis Comitissae scheint selbst älter als der Pulvis Jesuiticus oder Pulvis patrum. Aber ich glaube (und Herr Olmedo in Loxa ist mit mir derselben Meinung) ich glaube nicht, daſs der Corre- gidor von Loxa, Don Juan Lopez de Cannizares, ***) der die fieberkranke *) A description of the gernus Cinchona 1797. p. 39. **) Nahe bei der Stadt Quito. ***) Flora Peruviana. T. II, p. 2.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807/4>, abgerufen am 18.04.2024.