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Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120.

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breiten Blättern steht zwischen den westindischen und südamerikanischen
Cinchonen fast in der Mitte und ihre Existenz scheint die vorgeschlagene
Trennung der beiden Gattungen gleichsam zu widerrathen. Doch nähert
sich C. excelsa Roxb. weniger den Insel-Cinchonen als den Neu-Gre-
nadischen und Peruanischen Corolla pubescenti, staminibus medio, tubi
insertis nec e basi tubi nascentibus, antheris nec filamentis exsertis,
margine seminum lacero haud integro. Die Antheren bei dieser ost-
indischen Art sind achtmal länger als die Staubfäden. In der Gestalt der
Früchte ist es schwer Gründe für die Vereinigung der Insel-Cinchonen
in ein eigenes genus zu finden. Sie unterscheiden sich*) von den Fie-
berrinden des Continents von Südamerika "valvulis minus extrorsum
divergentibus et receptaculo ovato nec lineari seminumque margine
integro nec lacero." Aber ausser der glatten ungekerbten Rinde der
Saamenflügel, welche ich meistens finde, zeigen die übrigen Gestalten der
Früchte allmälige Übergänge, welche alle Cinchonen gleichsam an einan-
der ketten. Für das neue genus der die heisse Ebene liebenden Insel-
Cinchonen bliebe demnach übrig: Corolla glabra, filamentis longe ex-
sertis ex basi tubi nascentibus. Semina margine integro cincta. Stigma
simplex capitatum. Aber 1) viele Cinchonen staminibus inclusis und C.
grandiflora Ruiz,
haben corollam glabram. 2) C. philippica hat weit
vorragende Filamente, Stigma bilamellatum, und wie es scheint doch
semina margine integro cincta. 3) C. excelsa hat Stigma subcapitatum
leviter emarginatum bei nicht gekerbtem Saamen und nicht hervorra-
genden Staubfäden. Bei diesen Ausnahmen, wäre es allerdings gewagt, so
nahe verwandte natürliche Pflanzengattungen von einander zu trennen.

Am wenigsten scheint auf dem ersten Anblick die sonderbare stach-
lige C. spinosa von der Insel S. Domingo zu dem genus Cinchona zu
gehören. Sie ist wunderbar kleinblättrig und hat oft folia terna verti-
ticillata. Von der Farbe ächter Fieberrindenbäume entfernt sich noch
mehr eine zweite stachliche Cinchona, welche bei Guayaquil an der
Südseeküste wächst, und welche uns Herr Tafalla bei unserm Aufenthalte
daselbst im Winter 1803 gezeigt hat. Diese letztere noch unbeschriebene
Species ist eine rankende Pflanze, und dadurch einigermassen dem genus
Danais aus Madagascar verwandt, welches Persoon auf Portlandia fol-
gen lässt, da die Cinchona ähnlichere Paederia fragrans von Paederia
foetida
getrennt worden ist. Diese Tafallasche neue C. scandens hat
übrigens die völlige Frucht der fieberheilenden Cinchona und gehört un-
streitig zn den merkwürdigsten Erscheinungen der Pflanzenphysiognomik.

Eben diese Frucht der ächten Cinchonen bringt auf Pinkneya pu-

*) Schrader a. a. O. S. 359.

in Südamerika.
breiten Blättern steht zwischen den westindischen und südamerikanischen
Cinchonen fast in der Mitte und ihre Existenz scheint die vorgeschlagene
Trennung der beiden Gattungen gleichsam zu widerrathen. Doch nähert
sich C. excelsa Roxb. weniger den Insel-Cinchonen als den Neu-Gre-
nadischen und Peruanischen Corolla pubescenti, staminibus medio, tubi
insertis nec e basi tubi nascentibus, antheris nec filamentis exsertis,
margine seminum lacero haud integro. Die Antheren bei dieser ost-
indischen Art sind achtmal länger als die Staubfäden. In der Gestalt der
Früchte ist es schwer Gründe für die Vereinigung der Insel-Cinchonen
in ein eigenes genus zu finden. Sie unterscheiden sich*) von den Fie-
berrinden des Continents von Südamerika „valvulis minus extrorsum
divergentibus et receptaculo ovato nec lineari seminumque margine
integro nec lacero.“ Aber auſser der glatten ungekerbten Rinde der
Saamenflügel, welche ich meistens finde, zeigen die übrigen Gestalten der
Früchte allmälige Übergänge, welche alle Cinchonen gleichsam an einan-
der ketten. Für das neue genus der die heiſse Ebene liebenden Insel-
Cinchonen bliebe demnach übrig: Corolla glabra, filamentis longe ex-
sertis ex basi tubi nascentibus. Semina margine integro cincta. Stigma
simplex capitatum. Aber 1) viele Cinchonen staminibus inclusis und C.
grandiflora Ruiz,
haben corollam glabram. 2) C. philippica hat weit
vorragende Filamente, Stigma bilamellatum, und wie es scheint doch
semina margine integro cincta. 3) C. excelsa hat Stigma subcapitatum
leviter emarginatum bei nicht gekerbtem Saamen und nicht hervorra-
genden Staubfäden. Bei diesen Ausnahmen, wäre es allerdings gewagt, so
nahe verwandte natürliche Pflanzengattungen von einander zu trennen.

Am wenigsten scheint auf dem ersten Anblick die sonderbare stach-
lige C. spinosa von der Insel S. Domingo zu dem genus Cinchona zu
gehören. Sie ist wunderbar kleinblättrig und hat oft folia terna verti-
ticillata. Von der Farbe ächter Fieberrindenbäume entfernt sich noch
mehr eine zweite stachliche Cinchona, welche bei Guayaquil an der
Südseeküste wächst, und welche uns Herr Tafalla bei unserm Aufenthalte
daselbst im Winter 1803 gezeigt hat. Diese letztere noch unbeschriebene
Species ist eine rankende Pflanze, und dadurch einigermaſsen dem genus
Danais aus Madagascar verwandt, welches Persoon auf Portlandia fol-
gen läſst, da die Cinchona ähnlichere Paederia fragrans von Paederia
foetida
getrennt worden ist. Diese Tafallasche neue C. scandens hat
übrigens die völlige Frucht der fieberheilenden Cinchona und gehört un-
streitig zn den merkwürdigsten Erscheinungen der Pflanzenphysiognomik.

Eben diese Frucht der ächten Cinchonen bringt auf Pinkneya pu-

*) Schrader a. a. O. S. 359.
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[109/0019] in Südamerika. breiten Blättern steht zwischen den westindischen und südamerikanischen Cinchonen fast in der Mitte und ihre Existenz scheint die vorgeschlagene Trennung der beiden Gattungen gleichsam zu widerrathen. Doch nähert sich C. excelsa Roxb. weniger den Insel-Cinchonen als den Neu-Gre- nadischen und Peruanischen Corolla pubescenti, staminibus medio, tubi insertis nec e basi tubi nascentibus, antheris nec filamentis exsertis, margine seminum lacero haud integro. Die Antheren bei dieser ost- indischen Art sind achtmal länger als die Staubfäden. In der Gestalt der Früchte ist es schwer Gründe für die Vereinigung der Insel-Cinchonen in ein eigenes genus zu finden. Sie unterscheiden sich *) von den Fie- berrinden des Continents von Südamerika „valvulis minus extrorsum divergentibus et receptaculo ovato nec lineari seminumque margine integro nec lacero.“ Aber auſser der glatten ungekerbten Rinde der Saamenflügel, welche ich meistens finde, zeigen die übrigen Gestalten der Früchte allmälige Übergänge, welche alle Cinchonen gleichsam an einan- der ketten. Für das neue genus der die heiſse Ebene liebenden Insel- Cinchonen bliebe demnach übrig: Corolla glabra, filamentis longe ex- sertis ex basi tubi nascentibus. Semina margine integro cincta. Stigma simplex capitatum. Aber 1) viele Cinchonen staminibus inclusis und C. grandiflora Ruiz, haben corollam glabram. 2) C. philippica hat weit vorragende Filamente, Stigma bilamellatum, und wie es scheint doch semina margine integro cincta. 3) C. excelsa hat Stigma subcapitatum leviter emarginatum bei nicht gekerbtem Saamen und nicht hervorra- genden Staubfäden. Bei diesen Ausnahmen, wäre es allerdings gewagt, so nahe verwandte natürliche Pflanzengattungen von einander zu trennen. Am wenigsten scheint auf dem ersten Anblick die sonderbare stach- lige C. spinosa von der Insel S. Domingo zu dem genus Cinchona zu gehören. Sie ist wunderbar kleinblättrig und hat oft folia terna verti- ticillata. Von der Farbe ächter Fieberrindenbäume entfernt sich noch mehr eine zweite stachliche Cinchona, welche bei Guayaquil an der Südseeküste wächst, und welche uns Herr Tafalla bei unserm Aufenthalte daselbst im Winter 1803 gezeigt hat. Diese letztere noch unbeschriebene Species ist eine rankende Pflanze, und dadurch einigermaſsen dem genus Danais aus Madagascar verwandt, welches Persoon auf Portlandia fol- gen läſst, da die Cinchona ähnlichere Paederia fragrans von Paederia foetida getrennt worden ist. Diese Tafallasche neue C. scandens hat übrigens die völlige Frucht der fieberheilenden Cinchona und gehört un- streitig zn den merkwürdigsten Erscheinungen der Pflanzenphysiognomik. Eben diese Frucht der ächten Cinchonen bringt auf Pinkneya pu- *) Schrader a. a. O. S. 359.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807/19>, abgerufen am 20.04.2024.