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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Sie haben eine Kalkschale und sollen so fest sein, daß die
Kinder der Otomaken, die starke Ballspieler sind, sie einander
zuwerfen können. Käme der Arrau oberhalb der Katarakte
im Strome vor, so gingen die Indianer am oberen Orinoko
nicht so weit nach dem Fleisch und den Eiern dieser Schild-
kröte; man sah aber früher ganze Volksstämme von den Flüssen
Atabapo und Cassiquiare über die Raudales herabkommen,
um am Fang bei Uruana teilzunehmen.

Die Terekay sind kleiner als die Arrau. Sie haben
meist nur 37 cm Durchmesser. Ihr Schild hat gleichviel
Platten, sie sind aber etwas anders verteilt. Ich zählte 4
im Mittelpunkt und zu jeder Seite 5 sechsseitige, am Rande
24 vierseitige, stark gebogene. Der Schild ist schwarz, ins
Grüne spielend; Füße und Nägel sind wie beim Arrau. Das
ganze Tier ist olivengrün, hat aber oben auf dem Kopfe zwei
aus rot und gelb gemischte Flecke. Auch der Hals ist gelb
und hat einen stacheligen Anhang. Die Terekay thun sich
nicht in große Schwärme zusammen wie die Arrau, um ihre
Eier miteinander auf demselben Ufer zu legen. Die Eier des
Terekay haben einen angenehmen Geschmack und sind bei den
Bewohnern von Spanisch-Guyana sehr gesucht. Sie kommen
sowohl im oberen Orinoko als unterhalb der Fälle vor, ferner
im Apure, Uritucu, Guarico und den kleinen Flüssen, welche
durch die Llanos von Caracas laufen. Nach der Bildung der
Füße und des Kopfes, nach den Anhängen an Kinn und Hals
und nach der Stellung der Afteröffnung scheint der Arrau
und wahrscheinlich auch der Terekay eine neue Untergattung
zu bilden, die von den Emyden zu trennen wäre. Durch die
Anhänge und die Stellung des Afters nähern sie sich der
Emys nasuta Schweiggers und dem Matamata in Fran-
zösisch-Guyana, unterscheiden sich aber von letzterem durch
die Form der Schildplatten, die keine pyramidalischen Buckel
haben.

Die Zeit, wo die große Arrauschildkröte ihre Eier legt,
fällt mit dem niedrigsten Wasserstand zusammen. Da der
Orinoko von der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche an zu
steigen anfängt, so liegen von Anfang Januar bis zum 20.
oder 25. März die tiefsten Uferstellen trocken. Die Arrau
sammeln sich schon im Januar in große Schwärme; sie gehen
jetzt aus dem Wasser und wärmen sich auf dem Sand in der
Sonne. Die Indianer glauben, das Tier bedürfe zu seinem
Wohlbefinden notwendig starker Hitze und das Liegen in der

Sie haben eine Kalkſchale und ſollen ſo feſt ſein, daß die
Kinder der Otomaken, die ſtarke Ballſpieler ſind, ſie einander
zuwerfen können. Käme der Arrau oberhalb der Katarakte
im Strome vor, ſo gingen die Indianer am oberen Orinoko
nicht ſo weit nach dem Fleiſch und den Eiern dieſer Schild-
kröte; man ſah aber früher ganze Volksſtämme von den Flüſſen
Atabapo und Caſſiquiare über die Raudales herabkommen,
um am Fang bei Uruana teilzunehmen.

Die Terekay ſind kleiner als die Arrau. Sie haben
meiſt nur 37 cm Durchmeſſer. Ihr Schild hat gleichviel
Platten, ſie ſind aber etwas anders verteilt. Ich zählte 4
im Mittelpunkt und zu jeder Seite 5 ſechsſeitige, am Rande
24 vierſeitige, ſtark gebogene. Der Schild iſt ſchwarz, ins
Grüne ſpielend; Füße und Nägel ſind wie beim Arrau. Das
ganze Tier iſt olivengrün, hat aber oben auf dem Kopfe zwei
aus rot und gelb gemiſchte Flecke. Auch der Hals iſt gelb
und hat einen ſtacheligen Anhang. Die Terekay thun ſich
nicht in große Schwärme zuſammen wie die Arrau, um ihre
Eier miteinander auf demſelben Ufer zu legen. Die Eier des
Terekay haben einen angenehmen Geſchmack und ſind bei den
Bewohnern von Spaniſch-Guyana ſehr geſucht. Sie kommen
ſowohl im oberen Orinoko als unterhalb der Fälle vor, ferner
im Apure, Uritucu, Guarico und den kleinen Flüſſen, welche
durch die Llanos von Caracas laufen. Nach der Bildung der
Füße und des Kopfes, nach den Anhängen an Kinn und Hals
und nach der Stellung der Afteröffnung ſcheint der Arrau
und wahrſcheinlich auch der Terekay eine neue Untergattung
zu bilden, die von den Emyden zu trennen wäre. Durch die
Anhänge und die Stellung des Afters nähern ſie ſich der
Emys nasuta Schweiggers und dem Matamata in Fran-
zöſiſch-Guyana, unterſcheiden ſich aber von letzterem durch
die Form der Schildplatten, die keine pyramidaliſchen Buckel
haben.

Die Zeit, wo die große Arrauſchildkröte ihre Eier legt,
fällt mit dem niedrigſten Waſſerſtand zuſammen. Da der
Orinoko von der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche an zu
ſteigen anfängt, ſo liegen von Anfang Januar bis zum 20.
oder 25. März die tiefſten Uferſtellen trocken. Die Arrau
ſammeln ſich ſchon im Januar in große Schwärme; ſie gehen
jetzt aus dem Waſſer und wärmen ſich auf dem Sand in der
Sonne. Die Indianer glauben, das Tier bedürfe zu ſeinem
Wohlbefinden notwendig ſtarker Hitze und das Liegen in der

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[51/0059] Sie haben eine Kalkſchale und ſollen ſo feſt ſein, daß die Kinder der Otomaken, die ſtarke Ballſpieler ſind, ſie einander zuwerfen können. Käme der Arrau oberhalb der Katarakte im Strome vor, ſo gingen die Indianer am oberen Orinoko nicht ſo weit nach dem Fleiſch und den Eiern dieſer Schild- kröte; man ſah aber früher ganze Volksſtämme von den Flüſſen Atabapo und Caſſiquiare über die Raudales herabkommen, um am Fang bei Uruana teilzunehmen. Die Terekay ſind kleiner als die Arrau. Sie haben meiſt nur 37 cm Durchmeſſer. Ihr Schild hat gleichviel Platten, ſie ſind aber etwas anders verteilt. Ich zählte 4 im Mittelpunkt und zu jeder Seite 5 ſechsſeitige, am Rande 24 vierſeitige, ſtark gebogene. Der Schild iſt ſchwarz, ins Grüne ſpielend; Füße und Nägel ſind wie beim Arrau. Das ganze Tier iſt olivengrün, hat aber oben auf dem Kopfe zwei aus rot und gelb gemiſchte Flecke. Auch der Hals iſt gelb und hat einen ſtacheligen Anhang. Die Terekay thun ſich nicht in große Schwärme zuſammen wie die Arrau, um ihre Eier miteinander auf demſelben Ufer zu legen. Die Eier des Terekay haben einen angenehmen Geſchmack und ſind bei den Bewohnern von Spaniſch-Guyana ſehr geſucht. Sie kommen ſowohl im oberen Orinoko als unterhalb der Fälle vor, ferner im Apure, Uritucu, Guarico und den kleinen Flüſſen, welche durch die Llanos von Caracas laufen. Nach der Bildung der Füße und des Kopfes, nach den Anhängen an Kinn und Hals und nach der Stellung der Afteröffnung ſcheint der Arrau und wahrſcheinlich auch der Terekay eine neue Untergattung zu bilden, die von den Emyden zu trennen wäre. Durch die Anhänge und die Stellung des Afters nähern ſie ſich der Emys nasuta Schweiggers und dem Matamata in Fran- zöſiſch-Guyana, unterſcheiden ſich aber von letzterem durch die Form der Schildplatten, die keine pyramidaliſchen Buckel haben. Die Zeit, wo die große Arrauſchildkröte ihre Eier legt, fällt mit dem niedrigſten Waſſerſtand zuſammen. Da der Orinoko von der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche an zu ſteigen anfängt, ſo liegen von Anfang Januar bis zum 20. oder 25. März die tiefſten Uferſtellen trocken. Die Arrau ſammeln ſich ſchon im Januar in große Schwärme; ſie gehen jetzt aus dem Waſſer und wärmen ſich auf dem Sand in der Sonne. Die Indianer glauben, das Tier bedürfe zu ſeinem Wohlbefinden notwendig ſtarker Hitze und das Liegen in der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/59>, abgerufen am 19.04.2024.