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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Barcelona und anderen Orten von Terra Firma unter dem
Namen Zarza del Rio Negro in hohem Ruf. Es ist die
wirksamste von allen, die man kennt; man zieht sie der Zarza
aus der Provinz Caracas und von den Bergen von Merida
weit vor. Sie wird sehr sorgfältig getrocknet und absichtlich
dem Rauch ausgesetzt, damit sie schwärzer wird. Diese Schling-
pflanze wächst in Menge an den feuchten Abhängen der Berge
Unturan und Achivaquery. De Candolle vermutet mit Recht,
daß verschiedene Arten von Smilax unter dem Namen Sarsa-
parille gesammelt werden. Wir fanden zwölf neue Arten,
von denen Smilax syphilitica vom Cassiquiare und Smilax
officinalis
vom Magdalenenstrom wegen ihrer harntreibenden
Eigenschaften die gesuchtesten sind. Da syphilitische Uebel
hierzulande unter Weißen und Farbigen so gemein als gut-
artig sind, so wird in den spanischen Kolonieen eine sehr
bedeutende Menge Sarsaparille als Hausmittel verbraucht.
Wir ersehen aus den Werken des Clusius, daß Europa in
den ersten Zeiten der Eroberung diese heilsame Arznei von
der mexikanischen Küste bei Honduras und aus dem Hafen
von Guayaquil bezog. Gegenwärtig ist der Handel mit Zarza
lebhafter in den Häfen, die mit dem Orinoko, Rio Negro
und dem Amazonenstrom Verbindungen haben.

Versuche, die in mehreren botanischen Gärten in Europa
angestellt worden, thun dar, daß Smilax glauca aus Virgi-
nien, die man für Linnes Smilax Sarsaparilla erklärt, überall
im Freien gebaut werden kann, wo die mittlere Temperatur
des Winters mehr als 6 bis 7° des hundertteiligen Thermo-
meters beträgt;1 aber die wirksamsten Arten gehören aus-
schließlich der heißen Zone an und verlangen einen weit
höheren Wärmegrad. Wenn man des Clusius Werke liest,
begreift man nicht, warum in unseren Handbüchern der ma-
teria medica
ein Gewächs der Vereinigten Staaten für den
ältesten Typus der offizinellen Smilaxarten gilt.

Wir fanden bei den Indianern am Rio Negro einige
der grünen Steine, die unter dem Namen Amazonensteine
bekannt sind, weil die Indianer nach einer alten Sage

1 Wintertemperatur in London und Paris 4,2° und 3,7°,
in Montpellier 7,7°, in Rom 7,7°, in dem Teile von Mexiko
und Terra Firma, wo wir die wirksamsten Sarsaparillearten (die-
jenigen, welche aus den spanischen und portugiesischen Kolonieen
in den Handel kommen) haben wachsen sehen, 20 bis 26°.

Barcelona und anderen Orten von Terra Firma unter dem
Namen Zarza del Rio Negro in hohem Ruf. Es iſt die
wirkſamſte von allen, die man kennt; man zieht ſie der Zarza
aus der Provinz Caracas und von den Bergen von Merida
weit vor. Sie wird ſehr ſorgfältig getrocknet und abſichtlich
dem Rauch ausgeſetzt, damit ſie ſchwärzer wird. Dieſe Schling-
pflanze wächſt in Menge an den feuchten Abhängen der Berge
Unturan und Achivaquery. De Candolle vermutet mit Recht,
daß verſchiedene Arten von Smilax unter dem Namen Sarſa-
parille geſammelt werden. Wir fanden zwölf neue Arten,
von denen Smilax syphilitica vom Caſſiquiare und Smilax
officinalis
vom Magdalenenſtrom wegen ihrer harntreibenden
Eigenſchaften die geſuchteſten ſind. Da ſyphilitiſche Uebel
hierzulande unter Weißen und Farbigen ſo gemein als gut-
artig ſind, ſo wird in den ſpaniſchen Kolonieen eine ſehr
bedeutende Menge Sarſaparille als Hausmittel verbraucht.
Wir erſehen aus den Werken des Cluſius, daß Europa in
den erſten Zeiten der Eroberung dieſe heilſame Arznei von
der mexikaniſchen Küſte bei Honduras und aus dem Hafen
von Guayaquil bezog. Gegenwärtig iſt der Handel mit Zarza
lebhafter in den Häfen, die mit dem Orinoko, Rio Negro
und dem Amazonenſtrom Verbindungen haben.

Verſuche, die in mehreren botaniſchen Gärten in Europa
angeſtellt worden, thun dar, daß Smilax glauca aus Virgi-
nien, die man für Linnés Smilax Sarsaparilla erklärt, überall
im Freien gebaut werden kann, wo die mittlere Temperatur
des Winters mehr als 6 bis 7° des hundertteiligen Thermo-
meters beträgt;1 aber die wirkſamſten Arten gehören aus-
ſchließlich der heißen Zone an und verlangen einen weit
höheren Wärmegrad. Wenn man des Cluſius Werke lieſt,
begreift man nicht, warum in unſeren Handbüchern der ma-
teria medica
ein Gewächs der Vereinigten Staaten für den
älteſten Typus der offizinellen Smilaxarten gilt.

Wir fanden bei den Indianern am Rio Negro einige
der grünen Steine, die unter dem Namen Amazonenſteine
bekannt ſind, weil die Indianer nach einer alten Sage

1 Wintertemperatur in London und Paris 4,2° und 3,7°,
in Montpellier 7,7°, in Rom 7,7°, in dem Teile von Mexiko
und Terra Firma, wo wir die wirkſamſten Sarſaparillearten (die-
jenigen, welche aus den ſpaniſchen und portugieſiſchen Kolonieen
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[285/0293] Barcelona und anderen Orten von Terra Firma unter dem Namen Zarza del Rio Negro in hohem Ruf. Es iſt die wirkſamſte von allen, die man kennt; man zieht ſie der Zarza aus der Provinz Caracas und von den Bergen von Merida weit vor. Sie wird ſehr ſorgfältig getrocknet und abſichtlich dem Rauch ausgeſetzt, damit ſie ſchwärzer wird. Dieſe Schling- pflanze wächſt in Menge an den feuchten Abhängen der Berge Unturan und Achivaquery. De Candolle vermutet mit Recht, daß verſchiedene Arten von Smilax unter dem Namen Sarſa- parille geſammelt werden. Wir fanden zwölf neue Arten, von denen Smilax syphilitica vom Caſſiquiare und Smilax officinalis vom Magdalenenſtrom wegen ihrer harntreibenden Eigenſchaften die geſuchteſten ſind. Da ſyphilitiſche Uebel hierzulande unter Weißen und Farbigen ſo gemein als gut- artig ſind, ſo wird in den ſpaniſchen Kolonieen eine ſehr bedeutende Menge Sarſaparille als Hausmittel verbraucht. Wir erſehen aus den Werken des Cluſius, daß Europa in den erſten Zeiten der Eroberung dieſe heilſame Arznei von der mexikaniſchen Küſte bei Honduras und aus dem Hafen von Guayaquil bezog. Gegenwärtig iſt der Handel mit Zarza lebhafter in den Häfen, die mit dem Orinoko, Rio Negro und dem Amazonenſtrom Verbindungen haben. Verſuche, die in mehreren botaniſchen Gärten in Europa angeſtellt worden, thun dar, daß Smilax glauca aus Virgi- nien, die man für Linnés Smilax Sarsaparilla erklärt, überall im Freien gebaut werden kann, wo die mittlere Temperatur des Winters mehr als 6 bis 7° des hundertteiligen Thermo- meters beträgt; 1 aber die wirkſamſten Arten gehören aus- ſchließlich der heißen Zone an und verlangen einen weit höheren Wärmegrad. Wenn man des Cluſius Werke lieſt, begreift man nicht, warum in unſeren Handbüchern der ma- teria medica ein Gewächs der Vereinigten Staaten für den älteſten Typus der offizinellen Smilaxarten gilt. Wir fanden bei den Indianern am Rio Negro einige der grünen Steine, die unter dem Namen Amazonenſteine bekannt ſind, weil die Indianer nach einer alten Sage 1 Wintertemperatur in London und Paris 4,2° und 3,7°, in Montpellier 7,7°, in Rom 7,7°, in dem Teile von Mexiko und Terra Firma, wo wir die wirkſamſten Sarſaparillearten (die- jenigen, welche aus den ſpaniſchen und portugieſiſchen Kolonieen in den Handel kommen) haben wachſen ſehen, 20 bis 26°.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/293>, abgerufen am 20.04.2024.